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28.02.1997 00:00

Das Jahr-2000-Problem

Franz Miller Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Das Jahr-2000-Problem

    Das Licht geht aus, Aufzuege stehen still, Telefonnetze brechen zusammen - die Software spielt verrueckt. Dieser elektronische GAU droht vielen Unternehmen und oeffentlichen Verwaltungen in der Silvesternacht zum Jahr 2000, wenn sie ihre Systemsoftware nicht rechtzeitig auf die Datumsumstellung vorbereiten. Die Zeit draengt, denn solche Anpassungen sind oft sehr arbeitsintensiv. Eine Konferenz in Berlin zeigt, mit welchen Werkzeugen und Strategien das "Jahr-2000-Problem" geloest werden kann. Waehrend andere praechtige 2000-Jahr-Feiern vorbereiten, melden sich immer haeufiger Software-Experten mit apokalyptischen Visionen zu Wort: Sie warnen vor dem "Jahr-2000-Problem", das viele elektronische Systeme in der Silvesternacht 2000 abstuerzen lassen koennte. Die schlimmen UEberraschungen sind tatsaechlich programmiert. Ingo Classen vom Berliner Fraunhofer-Institut fuer Software- und Systemtechnik ISST erklaert das Problem so: Heute laengst veraltete Software-Programme, die in den 60er und 70er Jahren in Assembler, Cobol und anderen ueberholten Programmiersprachen geschrieben wurden, arbeiten mit einer zweistelligen Jahreszahl, zum Beispiel 97 fuer 1997. "Da die Rechner wenig Speicherplatz besassen und die Entwickler dachten, ihre Programme wuerden ohnehin nicht bis zum Jahr 2000 eingesetzt werden", so Classen, "verzichteten die Software-Produzenten bei den Jahresangaben auf die beiden ersten Ziffern". Die Konsequenz dieser Sparsamkeit: Am 1. Januar 2000 schalten die alten, heute noch immer gebraeuchlichen Programme auf die Jahreszahl 00 um, und deshalb stimmen ab diesem Zeitpunkt saemtliche Berechnungen auf der Basis der zweistelligen Jahreszahlen nicht mehr. Programme, die das Lebensalter von Personen durch Vergleich des laufenden Datums mit Geburtsdaten ermitteln, weisen allen vor 2000 geborenen Menschen ein negatives Alter zu. Mit Muehe auf einem Sparkonto angesammelte Zinsen sinken mit einem Schlag auf Null, da die Ansparzeit negativ wird. Umgekehrt koennten auch Schulden ueber Nacht verschwinden - doch wer wagt schon, darauf zu bauen.

    Bewaehrte Programme erzeugen ploetzlich Chaos

    Von der Software-Konfusion bedroht sind Unternehmen und oeffentliche Verwaltungen jeder Groessenordnung. Dies gilt vor allem dann, wenn sie aeltere Programme und Individualsoftware nutzen. Ingo Classen warnt davor, den Arbeitsaufwand zu unterschaetzen. Das "Jahr-2000-Problem" koenne fuer manche Programmierer zu einer wahren Sisyphus-Arbeit werden: "Eine groessere Firma hat mehrere 1 000 Programme im Einsatz, die insgesamt mehrere Millionen Zeilen umfassen koennen. Alle Zeilen muessen auf Datumsberechnungen geprueft werden." Dazu komme noch die Kontrolle der gigantischen Datenbestaende, die ueber Jahrzehnte angesammelt wurden, gibt Classen zu bedenken. "Besonders langwierig ist die Modernisierung alter Programme, die bereits mehrfach unter Zeitdruck und ohne ausreichende Dokumentation geaendert wurden", berichtet der Informatiker. Bei der AEnderung solcher Programme setzten die Entwickler frueher haeufig auf den "Anbau eines Erkers". Damit ist ein "Teufelskreis" programmiert. Die Strukturen der so gewachsenen Software werden immer komplizierter und koennten daher nur mit immer noch mehr Aufwand an neue Anforderungen angepasst werden. Der uebliche Ausweg - nagelneue Software ohne die laestigen Fehler aus den Anfaengen der Computerei - ist in vielen Faellen versperrt. "Die Firmen sind abhaengig von ihren gewachsenen Individualloesungen", betont der Reengineering-Spezialist Classen. Diese komplexen Systeme koennen nicht durch Standardprogramme ersetzt werden. Und, um alles neu zu programmieren, zu testen und bis zur Anwendungsreife weiterzuentwickeln, braeuchte man - ganz abgesehen von den Kosten - mehrere Jahre. Zuviel, um bis zur Jahrtausendwende einsatzreif zu sein. Viele Unternehmen muessen daher auf Gedeih und Verderb mit ihren alten Programmen ins naechste Jahrtausend kommen - ohne die Zeit zurueckzudrehen.

    Eine Konferenz zeigt Wege aus dem Teufelskreis

    Welche Wege fuehren aus der Sackgasse? Wie koennen sich Unternehmen und Behoerden vor einer Millenniumskrise schuetzen? Wie kann alte Software kostenguenstig und schnell renoviert werden? Diese aktuellen Fragen und die fortschrittlichen Strategien des Software-Reengineering, ganz allgemein, stehen im Mittelpunkt einer internationalen Konferenz in Berlin mit dem Titel: "First Euromicro Working Conference on Software Maintenance and Reengineering" (17. - 19. Maerz 1997). Veranstalter ist EUROMICRO, eine gemeinnuetzige Organisation von Ingenieuren und Wissenschaftlern mit Sitz im niederlaendischen Apeldoorn. Vor Ort in Berlin ist Ingo Classen vom ISST fuer die Vorbereitung zustaendig. Die Konferenz richtet sich an Softwarehaeuser, an die DV-Leiter von Unternehmen und Behoerden sowie an Wissenschaftler. Begleitend zu der Konferenz verschafft eine Ausstellung den Teilnehmern einen UEberblick ueber neue Systeme fuer das Computer Aided Software Reengineering (CARE). Viele Dienstleistungsfirmen und Forschungseinrichtungen bieten inzwischen Hilfe bei der Umstellung auf das Jahr 2000 an - ein lukrativer Markt, der auf mehrere hundert Milliarden Dollar weltweit geschaetzt wird. In den USA wird die Tragweite der Datums-umstellung schon jetzt viel ernster genommen als in Europa, wo viele das Problem noch vor sich herschieben. Die Loesung erscheint naemlich oft einfach. Doch wenn zig-Millionen Programmzeilen geprueft und veraendert werden muessen, laeuft schnell die Zeit davon. Fuer einige Unternehmen koennte es schon jetzt zu spaet sein. Um so wichtiger ist es, moderne Software-Engineering-Werkzeuge einzusetzen, die mit automatischen Routinen die Programmierarbeit reduzieren. Der Einsatz solcher Werkzeuge reicht jedoch nicht aus, um die schwierigen Aufgaben bei der Modernisierung von Software-Programmen in den Griff zu bekommen. Das Reengineering geschaeftlicher Routinen erfordert nach Ansicht der Experten am ISST einen "radikaleren" Ansatz. Software-Systeme muessten mit neuen Me-thoden und Strategien erneuert werden. "Der Trend", so Classen, "geht in Richtung auf eine ganzheitliche Vorgehensweise". Das "continuous software engineering" entwickle die Programm-Infrastruktur weiter und stelle waehrend der Modernisierung sicher, dass geaenderte mit nicht geaenderten Programm-Bausteinen zusammenarbeiten koennten. Viele Unternehmen koennten das "Jahr-2000-Problem" als Chance zur grundlegenden Sanierung ihrer Software nutzen.

    Ansprechpartnerin für weitere Informationen: Ulrike Locherer, Telefon 0 30/2 02 24-6 17, Fax 0 30/2 02 24-7 99, Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST, Kurstraße 33, D-10117 Berlin, email: ulrike.locherer@isst.fhg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Elektrotechnik, Energie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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