Plötzlich ging ein Riss durch das Eis und ein riesiger Eisberg löste sich aus dem Schelfeis der Antarktis. Forscher der Universitäten Münster und Bonn haben das Schauspiel verfolgt. Als Ursache vermuten sie Auftriebskräfte, die auf unterschiedlich dicke Eisregionen wirken.
Dr. Angelika Humbert von der Arbeitsgruppe Polargeophysik der Universität Münster und ihr Kollege Dr. Matthias Braun vom Zentrum für Fernerkundung der Landoberfläche der Universität Bonn haben anhand von Satellitenaufnahmen der Europäischen Raumfahrtagentur ESA über Jahre hinweg die Entwicklung einer sensiblen Region im Wilkins-Schelfeis verfolgt, die das Schelfeis mit den beiden Inseln Charcot und Latady verbindet. Diese Region ist von zentraler Bedeutung für die Stabilität des Wilkins-Schelfeises. Bereits im Juli des Jahres 2007 haben die Wissenschaftler ein besonders spektakuläres Ereignis beobachtet: Innerhalb kürzester Zeit hat sich ein 52 Kilometer langer Riss im 200 bis 250 Meter dicken Eis gebildet. Der Riss ist in weniger als 30 Sekunden entstanden, so vermuten die Forscher.
Zwischen dem 28. und dem 29. Februar 2008 hat sich dann innerhalb von 24 Stunden der eigentliche Aufbruch ereignet. Das abgebrochene Stück ist nach Messungen der Forscher fast 400 Quadratkilometer groß - und in mehrere gigantische Eisberge zerborsten. Der Steg zwischen den beiden Inseln ist seit dem Bruch nur noch sechs statt 20 Kilometer breit, was sich vermutlich weiter auf die Stabilität des Schelfeises auswirkt.
"Durch den Aufbruch haben sich bereits bestehende Schwächezonen vergrößert und vereinigt, so dass das gesamte Wilkins-Schelfeis mit einer Größe von 14.000 Quadratkilometern jetzt gefährdet ist", erklärt Dr. Humbert. "Spektakulär ist hierbei nicht der Bruch alleine, sondern dessen Effekt auf die gesamte schwimmende Eisplatte."
Der Bruch konnte insbesondere durch Radarbilder des Europäischen Umweltsatelliten ENVISAT eindrucksvoll dokumentiert werden. Zugute kam den Forschern dabei, dass derzeit im Rahmen des Internationalen Polarjahrs verstärkt Bilder dieses Sensors über den Polarregionen aufgezeichnet werden und durch die zunehmende Anzahl der Satelliten fast täglich Bilder der Region verfügbar werden.
Die Untersuchungen der Forscher zeigen, dass die Rissbildung im Schelfeis zwischen den beiden Inseln durch Auftriebskräfte entsteht: "Die Eisplatte ist innen dicker als an den Außenseiten", erklärt Dr. Humbert. "Die Auftriebskraft führt dazu, dass im Eis Spannungen aufbauen. Wenn sich diese aufgestaut haben, dann knallt es irgendwann". Schmelzseen auf der Eisoberfläche spielen im Gegensatz zu bisherigen Vermutungen keine Rolle.
Die Temperaturen entlang der Antarktischen Halbinsel sind im Vergleich zu anderen Regionen der Antarktis außergewöhnlich stark gestiegen. Auch die Ozeantemperaturen zeigen einen Trend zur Erwärmung. Dies wirkt sich auf Schelfeise zweifach aus: Schmelzprozesse an der Unterseite von Schelfeisen werden verstärkt und damit möglicherweise auch Eisdickenunterschiede, die hier zum Aufbruch geführt haben. Zudem erwärmt sich die gesamte Eismasse und hat somit eine geringere Bruchzähigkeit, so die Forscher.
http://earth.uni-muenster.de/~ahumb_01/ Arbeitsgruppe Polargeophysik / Dr. Angelika Humbert
http://www.zfl.uni-bonn.de/ Zentrum für Fernerkundung der Landoberfläche
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geowissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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