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02.07.2010 10:14

Politische Enthaltsamkeit

Dr. Ute Schönfelder Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Psychologen der Universität Jena untersuchen, warum sich Menschen nicht mehr engagieren wollen

    Jena (02.07.10) Das Problem kennen viele Gemeinden im ländlichen Raum: Junge, gut ausgebildete Menschen ziehen weg, zurück bleiben Ältere und Menschen mit geringen beruflichen Perspektiven. Besonders hart trifft das die Kommunen im Osten Deutschlands. Neben verwaisten Spielplätzen, geschlossenen Schulen und leer stehenden Wohnungen bringt der demografische Wandel in diesen Regionen ein weiteres Phänomen mit sich. „Wir sehen eine wachsende Zahl von Kommunen, in denen es z. B. für politische Parteien immer schwerer wird, für lokale Ämter und kommunale Mandate geeignete Kandidaten zu gewinnen“, weiß Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Auch für bürgerschaftliche und ehrenamtliche Dienste engagieren sich hier weniger Menschen als früher“, so der Entwicklungspsychologe weiter.

    Ob diese politische und bürgerschaftliche Enthaltsamkeit mit den Bedingungen in den Kommunen bzw. der Wahrnehmung dieser Bedingungen durch die Bürger zusammenhängen, dieser Frage wollen Entwicklungspsychologen um Prof. Silbereisen gemeinsam mit Politikwissenschaftlern der Universität Halle-Wittenberg in einem gerade gestarteten Forschungsprojekt nachgehen. „Wir wollen klären, ob dies lediglich daran liegt, dass die engagierten Leute abgewandert sind oder ob sich mehr dahinter verbirgt“, kündigt Silbereisen an.

    Welche genaue Wirkungskette zwischen den Lebensbedingungen in der Kommune und der Engagementbereitschaft der Menschen besteht und auf welche Weise strukturelle Faktoren die individuelle Motivation senken, sich ehrenamtlich oder politisch zu engagieren, sind die zentralen Fragen des Projekts. Mit der Verknüpfung dieser politikwissenschaftlichen Fragestellung mit Konzepten aus der Entwicklungspsychologie erhielt das Projekt eine Anschubfinanzierung aus dem Innovationsfond des Sonderforschungsbereichs 580 „Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch. Diskontinuität, Tradition und Strukturbildung“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Auch das Kultusministerium von Sachsen-Anhalt fördert das gemeinsame Forschungsvorhaben.

    Grundlage für den weiterführenden Projektantrag sind Daten der Jenaer Forschungsgruppe mit Dr. Sebastian Grümer und Dr. Karina Weichold, die in 77 Stadt- und Landkreisen in verschiedenen Regionen Ost- und Westdeutschlands erhoben wurden. „Wir haben gefragt, wie die Menschen ihre Lebensumwelt in Bezug auf die eigene berufliche und familiäre Lebensperspektive wahrnehmen“, erläutert der Entwicklungspsychologe Silbereisen. Dabei zeigte sich, dass es nicht allein die tatsächlich vorhandenen strukturellen Probleme sind, die Menschen dazu bringen, ihre persönliche Lebenslage als eher chancenlos einzuschätzen. „Man könnte ja zunächst vermuten, dass es überall Menschen gibt, die positiv in die Zukunft sehen und sich engagieren und andere, die das nicht tun“, so Silbereisen. Doch der Jenaer Experte und sein Team haben festgestellt, dass es in einigen Regionen eine weit verbreitete Perspektivlosigkeit gibt, die allein mit dem Begriff „Politikverdrossenheit“ nicht zu erklären sei. „Es handelt sich um eine Art gelernter Hilflosigkeit“, so Silbereisen. „Dort herrscht eine regelrechte Kultur des sich Heraushaltens.“

    Durch den Brückenschlag zwischen regionalen Strukturen und der Wahrnehmung persönlicher Entwicklungsmöglichkeiten wollen die Forscher aus Halle und Jena nicht nur das Engagement lähmende Faktoren ausfindig machen. Vielmehr wolle man auch die Faktoren erkennen, die bürgerschaftliches oder politisches Engagement steigern und aktivieren können, macht Prof. Dr. Everhard Holtmann von der Uni Halle-Wittenberg deutlich, der das Projekt gemeinsam mit Prof. Silbereisen leitet. Vor dem Hintergrund solcher Erkenntnisse erhoffen sich die Projektpartner auch, konkrete Beratungsangebote entwickeln zu können, die Parteien und Verbände Wege aufzeigen, wie Anreize für ein stärkeres Engagement gesetzt werden können.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen
    Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Am Steiger 3 / Haus 1
    07743 Jena
    Tel.: 03641 / 945201
    E-Mail: rainer.silbereisen[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen von der Uni Jena.
    Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen von der Uni Jena.
    Foto: privat
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Psychologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen von der Uni Jena.


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