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29.04.1997 00:00

Rechner lernen das Lernen

Norbert Frie Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    upm-Pressemitteilung der Universitaet Muenster 120/97 - 29. April 1997

    Rechner lernen das Lernen

    Entwicklung von Computern nach dem Vorbild des Gehirns an der Universitaet Muenster

    Computer sind normalerweise ziemlich dumm. Sie beherrschen nur das Wissen, das ihnen vorher jemand einprogrammiert hat - jedenfalls, wenn es sich um gewoehnliche Rechner handelt. Wesentlich intelligenter sind dagegen neuronale Netze, die ihr Wissen nicht durch Programmierung erhalten, sondern selbst lernen. Einige Beispiele fuer diese neuartigen Technologien, wie sie an der Westfaelischen Wilhelms-Universitaet Muenster entwickelt werden, finden sich in der neuen Ausgabe der Universitaets-Zeitung.

    Das Prinzip dieser Rechnersysteme laesst sich am Beispiel eines Schachcomputers demonstrieren: Dem neuronalen Netz werden nur die Schachregeln eingegeben, dann laesst man es eine Zeit lang gegen sich selbst spielen. In dieser sogenannten Trainingsphase macht der Computer zunaechst alle moeglichen Fehler und wird dabei nach und nach immer perfekter. Nach einiger Zeit ist er praktisch unschlagbar.

    Nicht nur beim Schachspielen sind neuronale Netze herkoemmlichen Computern ueberlegen, sondern auch bei anderen komplexen Denkleistungen. Wichtige Einsatzbereiche sind zum Beispiel das Erkennen von Bildern oder das Verstehen von Sprache. Im Institut fuer Informatik befassen sich Prof. Dr. Wolfram-Manfred Lippe und seine Mitarbeiter mit neuronalen Netzen. In der Arbeitsgruppe werden Theorie und Praxis dieser lernfaehigen Computer erforscht.

    Neuronale Netze sind - wie der Name sagt - nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns konstruiert. Ihre Bausteine aehneln natuerlichen Nervenzellen, die miteinander ein lernfaehiges Netzwerk bilden. Die Erfahrung wird dabei in den Verknuepfungen zwischen einzelnen Neuronen gespeichert, analog zu den Synapsen im Gehirn. ,Hirnforschung und Informatik haben sich immer gegenseitig befluegelt", erklaert Lippe. Einerseits baut man das Gehirn nach, um es besser zu verstehen. Andererseits will man sich dessen Faehigkeiten fuer technische Anwendungen zunutze machen.

    Anwendungsmoeglichkeiten fuer neuronale Netze finden sich in den verschiedensten Fachdisziplinen. Die Informatiker um Lippe arbeiten daher intensiv mit anderen Instituten der Universitaet zusammen: In einem Gemeinschaftsprojekt mit dem Institut fuer Pharmazeutische Chemie halfen neuronale Netze beispielsweise bei der Identifizierung von Haschisch-Proben, die die Polizei sichergestellt hatte. Durch Analyse bestimmter Inhaltsstoffe wollten die Chemiker feststellen, ob eine unbekannte Probe mit einer von 20 anderen, ebenfalls konfiszierten Haschisch- Mischungen uebereinstimmte. Aufgrund der aehnlichen Zusammensetzung lieferten die Analysen aber fuer alle Sorten sehr aehnliche Ergebnisse, so dass eine Zuordnung schwierig war. Erst mit einem neuronalen Netz, das die Informatiker fuer dieses Problem trainierten, gelang die Identifikation der unbekannten Probe.

    Ein medizinisches Gebiet, in dem neuronale Netze verwendet werden, ist die Magnetoenzephalographie, eine sehr empfindliche Methode, mit der das Magnetfeld des Gehirns gemessen wird. Im Institut fuer Experimentelle Audiologie werden mit diesem Verfahren Krankheiten wie Epilepsie und Tinnitus (Ohrgeraeusche) untersucht. Mit Hilfe neuronaler Netze lassen sich die Messdaten raeumlich auswerten und die Krankheitsherde im Gehirn genau lokalisieren.

    Auch in geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Bereichen kommen neuronale Netze zum Einsatz. Linguisten analysieren damit die Semantik der Sprache. Wirtschaftswissenschaftler nutzen sie seit einigen Jahren fuer die Erforschung von Unternehmenskrisen. Sogar bei der Arbeitsvermittlung sollen demnaechst neuronale Netze mitwirken: Gemeinsam mit der Bundesanstalt fuer Arbeit entwickeln die Informatiker zur Zeit ein Computersystem, das fuer eine Stelle den optimalen Bewerber auswaehlen soll. Noch leistungsfaehiger sind neuronale Netze, wenn man sie mit Fuzzy-Logic verbindet. Solche Kombinationen werden in der Arbeitsgruppe zur Zeit entwickelt. Welche Moeglichkeiten die Fuzzy-Logic (,unscharfe" Logik) bietet, erlaeutert Andreas Tenhagen, Doktorand im Institut fuer Informatik: ,Waehrend in der klassischen Logik eine Aussage entweder wahr oder falsch ist, gibt es in der Fuzzy-Logic auch Zwischenwerte wie ,fast wahr'. Damit kann man Computern eine Fehlertoleranz beibringen, so dass sie auch auf Signale, die von der ueblichen Form leicht abweichen, sinnvoll reagieren." Auch andere technische Geraete arbeiten schon mit Fuzzy-Logic. So passen zum Beispiel moderne Waschmaschinen mit einem Fuzzy-Controller ihre Wasserzufuhr dem Verschmutzungsgrad der Waesche an.

    Fuer viele Zwecke laesst sich ein neuronales Netz auf einem gewoehnlichen Computer durch entsprechende Software simulieren. Wesentlich schneller sind allerdings Neurocomputer mit speziellen Prozessoren. Ein derartiger neuer Rechner namens Synapse 1 wurde den muensterschen Informatikern von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfuegung gestellt. Damit koennen sie nun auch Probleme bearbeiten, die bisher wegen zu langer Rechenzeit ausscheiden mussten. Darueber hinaus werden auch Wissenschaftler anderer Fachbereiche, beispielsweise Physiker, den schnellen Neurocomputer nutzen.

    Naehere Infos sind im Internet unter http://www.math.uni- muenster.de/math/inst/info/rd/NNFL/ zu erhalten.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Mathematik, Medizin, Physik / Astronomie, Wirtschaft
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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