Ihre Extrakte wirken auf den Menschen beruhigend und angstlösend, sie hat die wohl schönste Blüte der Welt: die Passionsblume. Der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen“ an der Universität Würzburg hat das exotische Gewächs jetzt zur Arzneipflanze des Jahres 2011 gewählt. Weil sein Wirkungsprofil einmalig ist, weil es als Arzneipflanze eine lange Geschichte besitzt.
Extrakte aus der Passionsblume (Passiflora incarnata) werden bei nervöser Unruhe, leichten Einschlafstörungen und nervös bedingten Magen-Darm-Beschwerden angewendet. Um den beruhigenden Effekt zu verstärken, geschieht das oft in Kombination mit anderen pflanzlichen Mitteln, etwa mit Baldrian.
„Untersuchungen am Menschen haben zudem ergeben, dass Passionsblumenextrakt eine gute angstlösende Wirkung besitzt“, teilen Franz-Christian Czygan, Johannes Gottfried Mayer und Heike Will vom Würzburger Studienkreis mit. „Zugleich treten, anders als bei vielen Psychopharmaka, keine muskelentspannenden Effekte auf.“ Das mache die Passionsblume zu einem Beruhigungsmittel, das sich besonders tagsüber gut einsetzen lasse – weil es den Menschen in seiner „Alltagstauglichkeit“ nicht beeinträchtigt.
Botenstoff im Nervensystem wird geblockt
Was der Extrakt aus der Passionsblume im Körper des Menschen bewirkt? Seine beruhigenden und angsthemmenden Effekte rühren daher, dass im Nervensystem die Bindung des Botenstoffs 3H-GABA am GABAA-Rezeptor gehemmt wird, so der Studienkreis. Die beste Wirksamkeit lasse sich mit Extrakten aus den Blättern erzielen. Welche Inhaltstoffe dafür verantwortlich sind, ist bislang nicht geklärt. Vermutlich geht die Hauptwirkung auf so genannte Flavonoide zurück.
Biologie der Passionsblumen
Die ursprüngliche Heimat der Passionsblumen sind die tropischen Regenwälder Mittel- und Südamerikas. Weltweit gibt es mehr als 400 Arten, etliche davon bringen essbare Früchte hervor. Für den Handel bedeutsam ist nur die Maracuja, die Frucht von Passiflora edulis.
Alle Passionsblumen sind immergrüne Schlinggewächse mit spektakulären Blüten. Wer jemals eines dieser Wunderwerke gesehen hat, vergisst es nie wieder: Wie ein Kunstwerk in Form und Farbe erinnert die Blüte der Passionsblume an die gewagte Konstruktion eines Stararchitekten. Der Blüte, die nur einen Tag lang lebt, entströmt außerdem ein angenehmes Aroma.
Herkunft des Namens
Der Name der Passionsblume geht darauf zurück, dass die Missionare im neu entdeckten Kontinent Amerika die Blüten unter einem christlichen Aspekt deuteten: Sie sahen in den weiß-violetten Wunderwerken die Marterwerkzeuge der Passion Christi: Die Fäden der Nebenkrone waren ein Symbol für die Dornenkrone, die fünf Staubblätter standen für die Wundmale, die Säule mit Fruchtknoten für den Pfahl der Geißelung und die drei Griffel mit den Narben für die Nägel am Kreuz.
Erster Bericht über Verwendung der Passionsblume
Die Mönche und Ärzte, die mit den spanischen Eroberern nach Amerika kamen, beobachteten, wie die Indianer Pflanzen verwendeten. Der Arzt Francisco Hernández (1517-1587) hinterließ von seiner Amerikareise umfangreiche Notizen. Mit Kommentaren versehen, wurden sie erst 1649 unter dem Titel: „Schatz der Arzneimittel aus Neuspanien“ (Rerum medicarum novae Hispaniae thesaurus) als Buch herausgegeben.
Über die Passionsblume schreibt Hernández, dass sie gegen Schlaflosigkeit helfe, schmerzstillend wirke, den Appetit anrege und die Harnausscheidung fördere. Außerdem beschrieb er sie als hervorragendes Mittel gegen Gifte und gegen Melancholie.
Früher Einsatz als Arzneipflanze in Nordamerika
In Nordamerika befassten sich im 19. Jahrhundert Ärzte und Homöopathen mit der fleischfarbenen Passionsblume (Passiflora incarnata), die in einigen Südstaaten der USA beheimatet ist. Dadurch wurde die Passionsblume in den Vereinigten Staaten noch vor der Wende zum 20. Jahrhundert zu einer bedeutenden Arzneipflanze. Ihre Einsatzgebiete warnen Nervosität, Einschlafstörungen, Schlaflosigkeit und Krämpfe.
In Europa dagegen dauerte es noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, bis die Wirkungen der Passionsblume wissenschaftlich untersucht wurden.
Kriterien zur Wahl der Arzneipflanze des Jahres
Seit 1999 wählt der Würzburger Studienkreis „Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen“ eine Arzneipflanze des Jahres. Das gekürte Gewächs soll eine interessante Kultur- und Medizingeschichte aufweisen, seine Wirkung muss in wissenschaftlichen Studien überprüft sein.
Gewählt wurden bisher: 1999 Buchweizen; 2001 Arnika; 2002 Ruscus (Stechender Mäusedorn); 2003 Artischocke; 2004 Pfefferminze; 2005 Arzneikürbis; 2006 Thymian; 2007 Hopfen; 2008 Weiße oder Gemeine Roßkastanie, 2009 Fenchel, 2010 Efeu.
Kontakt
Dr. Johannes Gottfried Mayer, T (0931) 83264, johannes.mayer@mail.uni-wuerzburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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