Wir, die unterzeichnenden Mitglieder des Qualitätszirkels Promotion, einem Bundesländer übergreifenden Netzwerk verschiedener Graduiertenschulen und -zentren, haben mit großer Bestürzung den Guttenbergschen Plagiatsfall, den bagatellisierenden Umgang der Bundesregierung damit und die dennoch anhaltende Unterstützung zu Guttenbergs durch die Bevölkerung zur Kenntnis genommen. Auch wenn Herrn zu Guttenberg mittlerweile der Doktortitel aberkannt wurde und er von seinem Amt zurück getreten ist, möchten wir uns äußern, da die Debatten der vergangenen Wochen weitreichende Konsequenzen für die Nachwuchsförderung und den Wissenschaftsbetrieb haben und nicht mit dem Rücktritt des Ministers beendet sind.
Wir möchten festhalten, dass es sich bei Plagiarismus aus wissenschaftlicher Sicht keinesfalls um „handwerkliche Fehler“ oder lediglich „schlechte Wissenschaft“ handelt: Es geht hier um Betrug, der Kern des wissenschaftlichen Selbstverständnisses ist berührt.
Wenn wissenschaftlich Tätige nicht mehr selbstverständlich davon ausgehen können, dass ihre Kolleginnen und Kollegen genauso gewissenhaft und mit denselben hohen Maßstäben ihre Forschung betreiben wie sie selbst, ist Wissenschaft unmöglich. Das gilt für die Naturwissenschaften und die Geisteswissenschaften gleichermaßen: Als seriöser Forscher/seriöse Forscherin muss ich meine Datenherkunft angeben, muss ich meine Quellen darlegen, damit andere diese überprüfen können. Nur durch die intersubjektive Nachprüfbarkeit entsteht wissenschaftlicher Diskurs und sind valide Forschungsergebnisse möglich.
Dies gilt auch für die Anfertigung der Dissertation, der in der Regel ersten eigenen großen Forschungsarbeit von Nachwuchswissenschaftler/innen. Die Promovierenden verwenden mehrere Jahre ihres Lebens, um äußerst gewissenhaft und sorgfältig unter Überwindung vielfältiger Hürden persönlicher und fachlicher Art zu forschen, um den strengen Kriterien ihrer Disziplin zu genügen und schließlich den Doktortitel zu erlangen.
Die im Qualitätszirkel Promotion vertretenen Graduiertenschulen und -zentren haben von ihren Universitäten nicht zuletzt den Auftrag erhalten, die Promotionsphase transparenter zu gestalten und die Promovierenden mit strukturierten Programmen zu unterstützen. Daher berührt der Guttenbergsche Betrugsfall unsere Arbeit direkt.
Der Fall führt exemplarisch vor, was passieren kann, wenn ein Doktorand ohne strukturelle Unterstützung und ausreichende Einbindung in ein lebendiges und kritisches Forschungsumfeld promoviert. Wir sehen uns daher in unserem Anliegen bestärkt, die Promotionsphase transparenter zu gestalten. Schritte in diese Richtung wurden vom Qualitätszirkel Promotion schon unternommen, indem wir z.B. eine praxisorientierte Handreichung für die Promotionsphase entwickelt und veröffentlicht haben (erhältlich über die Unterzeichnenden). Dies kann nur eine Anregung sein, denn die Veränderungen müssen an den Universitäten selbst erfolgen. Dies fällt jedoch bei gesellschaftlicher und politischer Unterstützung leichter.
Wir fordern alle, die in ihrer Arbeit mit Forschung und Bildung sowie insbesondere mit wissenschaftlicher Nachwuchsförderung befasst sind, auf, sich nachhaltig für eine neue Promotionskultur einzusetzen. Insbesondere gilt es, hierfür – unabhängig von einer Förderung im Rahmen der Exzellenzinitiative – Graduiertenschulen und zentren, deren Aufgabe und Selbstverständnis es ist, die strukturierte, transparente und qualitätsgesicherte Promotion zu etablieren, an den Universitäten einzurichten und mit einer finanziell und personell ausreichenden Grundausstattung zu versehen. Dieser Appell richtet sich sowohl an die Hochschulleitungen, die Professorinnen und Professoren an den Universitäten, die Mitarbeitenden in der Verwaltung und dem Wissenschaftsmanagement, aber nicht zuletzt an die Bundesforschungsministerin.
Für den Qualitätszirkel Promotion:
Dr. Anke Barzantny, Heidelberger Graduiertenschule für Geistes- und Sozialwissenschaften (HGGS), Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
PD Dr. Helmut Brentel, Frankfurt Graduate School for the Humanities and Social Sciences (FGS), Goethe-Universität Frankfurt am Main
Dr. Ute Kämper, Marburg University Research Academy (MARA), Philipps-Universität Marburg
Dr. Sybille Küster, Internationales Promotions-Colleg (IPC) des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Dr. Frank Meyer, Internationales Graduiertenzentrum, Universität Trier
Dr. Thilo Offergeld & Dr. Theo Jäger, Graduiertenprogramm der Universität des Saarlandes (GradUS)
Dr. Kathrin Ruhl, Interdisziplinäres Promotionszentrum (IPZ), Universität Koblenz-Landau
Dr. Thomas Schmid, Graduiertenschule für die Geisteswissenschaften (GSH), Universität Würzburg
Kontakt:
Dr. Anke Barzantny
Heidelberger Graduiertenschule für Geistes- und Sozialwissenschaften (HGGS)
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
anke.barzantny@zegk.uni-heidelberg.de
Tel.: 06221 / 54 3783
Dr. Katrhin Ruhl
Interdisziplinäres Promotionszentrum (IPZ)
Universität Koblenz-Landau
ruhl@uni-koblenz-landau.de
Tel.: 0261 / 287 2950
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
fachunabhängig
überregional
Studium und Lehre, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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