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12.09.2011 14:48

Prof. Jaenisch: „Hoffnungen, aber noch ein weiter Weg zur Therapie mit somatischen Stammzellen"

Dipl.Pol. Justin Westhoff MWM-Vermittlung
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    „Aus adulten (ʼerwachsenen‘) Körperzellen gewonnene Stammzellen haben unbestritten Vorteile für die Erforschung von Krankheiten und womöglich eines Tages für die individualisierte Therapie. Bis zum breiten Einsatz wird jedoch noch sehr viel mehr Zeit vergehen, als dies mitunter öffentlich dargestellt wird.“ Das sagte Prof. Dr. Rudolf Jaenisch vom Whitehead Institut (Cambridge, USA) bei dem internationalen Kongress ”Stem Cells in Development and Disease“, den das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin veranstaltet, vor der Presse.

    Seit 2006 haben mehrere Forschergruppen Körperzellen (somatische Zellen) zu induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) reprogrammiert, die natürlichen Stammzellen in vielen Eigenschaften ähnlich sind. „Neben der Tatsache, dass hier ethische Fragen und politische Debatten weniger gewichtig sind als bei embryonalen Stammzellen (ES-Zellen), haben iPS-Zellen den Vorteil, dass sie für den jeweiligen Patienten maßgeschneidert sind und daher – anders als ES-Zellen – vom Immunsystem nicht abgestoßen werden“ sagte Jaenisch. Das könnte zu einer „Revolution“ in der Transplantationsmedizin führen. Ferner könnten sich auch iPS-Zellen in bestimmte Zelltypen wie Nerven- oder Herzzellen differenzieren, sodass ein Einsatz auf vielen medizinischen Gebieten denkbar sei.

    Doch gäbe es auch bei iPS-Zellen noch viele Probleme und offene Fragen. Um somatische Zellen in iPS-Zellen umzuwandeln, werden vier Genregulatoren (die Transkriptionsfaktoren Oct4, Sox2, Klf4 und c-Myc) unter Zuhilfenahme von Retroviren als Transportvehikel in Hautzellen eingeschleust und dort in stärkerem Umfang als normal exprimiert. Diese „Vehikel“ bergen die Gefahr, Tumoren auszulösen. Es ist jedoch mittlerweile gelungen, die Viren, nachdem sie ihre Arbeit verrichtet haben, mittels einer molekularen Schere wieder aus den pluripotenten Zellen heraus zu schneiden beziehungsweise statt Retroviren andere Vektoren zu nutzen.

    „Ferner sind wir auf der Suche nach ˈÜbersetzungsfaktorenˈ (Transkriptoren), die zum einen die Rate an erfolgreichen Reprogrammierungen – ein immer noch zufälliger Prozess – erhöhen und zum anderen die bestmöglichen Stammzellen zu finden helfen“, so Jaenisch. Er wies darauf hin, dass sich nur die wenigsten gespendeten Körperzellen in iPS umwandeln ließen und pluripotent würden. Seine Arbeitsgruppe am Whitehead Institut hat zum einen den Signalweg der Moleküle p53/p21 (er bremst die Aktivität von Genen) blockiert, zum anderen einen Marker namens Lin28 so angeregt, dass sich die Zellen schneller teilen. Beide Wege führen dazu, dass sich iPS-Zellen beschleunigt bilden. „Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die Zahl der Zellteilungen ein Schlüsselparameter ist, der das epigenetische Umprogrammieren der Körperzelle in die Pluripotenz antreibt“, sagte Jaenisch.

    Gezielte Veränderung von Genen in humanen embryonalen Stammzellen
    Hinzu komme, dass das gezielte Einbringen eines DNA-Moleküls in eine Zelle sehr ineffizient und damit ein wesentliches Hindernis dafür sei, die Potenziale humaner embryonaler Stammzellen und auch von iPS-Zellen zu nutzen. Mit einer neuen Technik sei es gelungen, angeschaltete und abgeschaltete Gene in humanen embryonalen Stammzellen und in iPS-Zellen zu modifizieren. Dabei wird mit Enzymen (zinc finger nucleasen, ZFN) ein Gen in die Zelle eingebracht und dafür ein an einer ganz bestimmten Stelle ein Stück DNA entfernt, repariert oder überexprimiert.

    Entscheidend für das bessere Verständnis der Umprogrammierung sei die Kenntnis des vererbten, aber nicht in der DNA festgelegten Umfelds, der Epigenetik: In verschiedenen Zellen ist die „Arbeit“ der (nahezu immer gleichen) DNA unterschiedlich, was dazu führt, dass jeweils andere Gene aktiviert werden. „Die Epigenetik ist somit der entscheidende Steuerungsmechanismus – und die Reprogrammierung von adulten Zellen nichts anderes als ein epigenetisches Phänomen“, erklärte Jaenisch. Sie zu verstehen heiße, das beste „Rezept“ zur Herstellung von induzierten pluripotenten Stammzellen zu finden.

    Verschiedene Stadien der Pluripotenz
    Embryonale Stammzellen des Menschen und der Maus stammen von Blastozysten, einem frühen Entwicklungsstadium des Embryos (beim Menschen: 1. Woche), haben aber sehr unterschiedliche biologische Eigenschaften. Bisherige molekulare Analysen deuteten darauf hin, dass pluripotente embryonale Stammzellen des Menschen den Stammzellen von Mäusen aus dem Epiblast-Stadium ähneln, einem fortgeschritteneren Entwicklungsstadium. Die Gruppe von Jaenisch hat herkömmliche humane embryonale Stammzellen in ein unreiferes Stadium gebracht, das in sehr hohem Maß dem von pluripotenten embryonalen Stammzellen der Maus entspricht.

    Im Gegensatz zu herkömmlichen humanen embryonalen Stammzellen haben diese epigenetisch veränderten Zellen Eigenschaften, die denen von embryonalen Stammzellen der Maus sehr ähneln. Die Gewinnung solcher „naiven“ humanen embryonaler Stammzellen werde es ermöglichen, das bisher undefinierte pluripotente Stadium molekular zu analysieren. Dadurch eröffnen sich eventuell neue Möglichkeiten für patientenspezifische, krankheitsrelevante Forschungen.

    Zukunftsaussicht
    Der Forschungsgruppe von Prof. Jaenisch ist es unter anderem gelungen, Zellen von Patienten mit der nicht-vererbbaren Form der Parkinson-Krankheit in iPS-Zellen umzuwandeln. Ziel dieser Arbeiten ist es zunächst, die Entstehung neurodegenerativer Krankheiten (etwa Alzheimer oder ALS) im Labor zu erforschen und später eventuell Moleküle für die Therapie zu finden.

    Trotz aller Fortschritte bei der Herstellung von iPS-Zellen benötige die Forschung vorläufig weiter humane embryonale Stammzellen gewissermaßen als Vergleichsmoleküle. „Die ideologische Ablehnung aller Arbeiten mit ES-Zellen scheint uns daher nicht gerechtfertigt“, betonte Jaenisch. „Deshalb müssen wir die Bevölkerung besser über unsere Ziele und den Nutzen der Stammzellforschung informieren. In jedem Fall aber ist es noch ein weiter Weg bis zur therapeutischen Anwendung der reprogrammierten adulten Stammzellen.“

    Lebenslauf von Prof. Jaenisch siehe komplettes handout unter:
    http://www.mwm-vermittlung.de/MDC2011.html


    Weitere Informationen:

    http://www.mwm-vermittlung.de/MDC2011.html
    https://www.stemcell2011-mdc-berlin.de/cms/default.asp


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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