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03.04.1997 00:00

Gentechnik-der Natur ins Handwerk gepfuscht?

Dorothea Carr Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Pflanzenzuechtungsforschung im Blickpunkt einer kritischen Oeffentlichkeit

    Gentechnische Versuche geben nicht erst seit Dolly, dem geklonten Schaf, Anlass zu heftigen Diskussionen. Anfang der 90er Jahre erhitzten die ersten Freiland- versuche mit gentechnisch veraenderten Pflanzen die Gemueter, gaben Anlass zur Gruendung von Buergerinitiativen und beschaeftigten Politiker und Medien.

    In seiner soeben erschienenen Arbeit analysiert Wolfgang Schuchert die oeffentliche Auseinandersetzung um diese ersten Freilandversuche mit gentechnisch veraenderten Pflanzen in Deutschland. Er stellt zunaechst den wissenschaftlichen Sachverhalt dar, legt dann aber besonderes Gewicht auf eine Rekonstruktion der oeffentlichen Debatte anhand der Presseberichterstattung, analysiert die Massnahmen der beteiligten Forschungsinstitutionen, Strategien und Aktionen der Versuchsgegner sowie Reaktionen ausgewaehlter Tageszeitungen. Die Arbeit wurde von der Landwirtschaftlichen Fakultaet der Bonner Universitaet als Dissertation angenommen.

    Untersucht wurden Petunienfreilandexperimente zur Erforschung sogenannter "Springender Gene" in den Jahren 1990 und 1991 sowie Freilandversuche mit Zuckerrueben und Kartoffeln in den Jahren 1993 und 1994. Die Rueben waren durch gentechnische Veraenderung gegen eine bestimmte Viruserkrankung resistent, die Kartoffeln bildeten nur noch einen bestimmten Staerketyp aus, der im Zusammen- hang mit nachwachsenden Rohstoffen von Interesse ist. Die Petunienversuche wurden vom Max-Planck-Institut (MPI) fuer Zuechtungsforschung bzw. vom Max-Delbrueck-Laboratorium Koeln im MPI durchgefuehrt. Die anderen Versuche waren von der Forschungsgesellschaft PLANTA, Angewandte Pflanzengenetik und Biotech- nologie GmbH der Kleinwanzlebener Saatzucht AG, bzw. vom Institut fuer Genbiologische Forschung GmbH Berlin beantragt worden.

    Die Risikowahrnehmung und -beurteilung durch die Buerger, so fand Schuchert, ist ganz entscheidend emotional belastet. Sie stellt einen wesentlichen Faktor der oeffentlichen Meinung dar und beeinflusst ihrerseits, direkt oder indirekt, das Verhalten der betroffenen Akteure, der Experten, der Medien und der Behoerden bzw. Politiker. Die Untersuchung, wie Risiken vom Buerger wahrgenommen werden, ist deshalb eine wichtige Voraussetzung zur Prognose der Reaktion der Bevoelkerung. Schuchert kommt zu dem Ergebnis, dass im Falle des ersten Petunienexperiments das Max-Planck-Institut im Vorfeld schwerpunktmaessig ueber die Medien versucht hatte, die Bevoelkerung zu informieren und Befuerchtungen abzubauen. Die Diskussion wurde jedoch auf einem zu hohen wissenschaftlichen Niveau gefuehrt, so dass Missverstaendnisse auftraten und aengste nicht ausgeraeumt werden konnten.

    Bei den Gegnern werden Buergerinitiativen und Die Gruenen genannt. Ihre Strategien zielten darauf ab, aufgrund nicht widerlegbarer, tatsaechlich vorhandener Ungewiss- heiten generell den Eindruck der Unbeherrschbarkeit solcher Versuche und damit das Gefuehl von Gefaehrlichkeit und Bedrohung zu erwecken. Als dann aufgrund von Umwelteinfluessen beim ersten Petunienexperiment das fremde, uebertragene Gen inaktiviert wurde, bewirkte dies nicht nur ein beachtliches Medieninteresse, sondern fuehrte auch zu einer Eigendynamik in der Debatte. Der zweite Petunienversuch setzte bereits bei starker Politisierung und Zuspitzung der Auseinandersetzung ein. Das Max-Planck- Institut wurde letztlich von der Heftigkeit der oeffentlichen Debatte ueberrascht, geriet in die Defensive und konnte schliesslich die Eskalation und Besetzung des Versuchsfeldes durch Gentechnikgegner argumentativ nicht mehr verhindern. Im Falle der Zuckerrueben- und Kartoffelexperimente war zwar im Vorfeld zielgruppenspezifische Aufklaerungsarbeit geleistet worden - der Versuch erfuhr auch Unterstuetzung durch Zuckerrueberanbauer, die die Notwendigkeit der Forschungsarbeit unterstrichen - doch letztendlich wurde die Debatte auch in diesem Fall von den Gegnern dominiert.

    Schuchert geht nicht nur der Frage nach, wie es dazu kommen konnte, sondern gibt auch Hinweise fuer ein Kommunikationskonzept. Er stellt fest, dass neben dem Mangel an Information, vor allem Glaubwuerdigkeits- und Vertrauensdefizite Schuld daran sind, dass die Gentechnikgegner sich staerker Gehoer verschaffen konnten. Er fordert, im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Veraenderungen, Wissensstrukturen, Einstellungen und Wertorientierungen bestimmter Bevoelkerungs- schichten im Hinblick auf Fragen zur Gentechnologie zu erforschen. Das Ergebnis solcher empirischen Forschung koennte dann noch zielgerichteter zur Entwicklung von Kommunikationsmassnahmen genutzt werden. Die interdisziplinaer angelegte Arbeit richtet sich an Fachwissenschaftler, Paedagogen, Medienvertreter sowie betroffene Fuehrungskraefte.

    Die Arbeit ist in der Reihe "Bonner Studien zur Wirtschaftssoziologie", Bd. 5 erschienen: Schuchert, Wolfgang: Pflanzenzuechtungsforschung im Blickpunkt einer kritischen oeffentlichkeit, Witterschlick/Bonn, Wehle 1997.

    Rueckfragen an: Wolfgang Schuchert Max Planck-Institut, Koeln Lindenthal Tel.: 0221/50 62 411


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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