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15.11.2011 11:23

Was Odins Nachfahren glauben

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Satanisten waren Thema ihrer Doktorarbeit. Jetzt interessiert sich die Religionswissenschaftlerin Dagmar Fügmann von der Universität Würzburg erneut für die Anhänger einer ungewöhnlichen Glaubensrichtung. Die lassen die alte Religion der Wikinger wieder aufleben und verstehen ihren Glauben als modernes germanisches Heidentum. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt.

    Es geht um die Asen, die Götter der nordischen Mythologie, zu denen Odin, der Allvater, der einäugige Himmelsgott, und Thor, sein Sohn, zählen. Freya, die Göttin der Liebe, spielt eine wichtige Rolle, und jede Menge Fabelwesen wie Elfen, Kobolde und Wichtel tauchen auf. Opferfeste und rituelle Trinkgelage sind zentraler Teil der Religionsausübung; die Bücher der Edda, skandinavische Götter- und Heldensagen aus dem 13. Jahrhundert, dienen als Vorlage.

    Große Unterschiede zwischen Deutschland und Island

    Asatru-Gemeinschaften streben danach, die religiösen Vorstellungen der vorchristlichen Germanen wiederzubeleben und als moderne Religion in der heutigen Zeit zu etablieren. Sie verstehen sich als modernes germanisches Heidentum und sehen sich deshalb zumindest in Deutschland dem Vorwurf ausgesetzt, rassistischen Vorstellungen und nationalsozialistischem Gedankengut wenigstens nahe zu stehen. In anderen Ländern sieht das ganz anders aus.

    „In Island wurde die Asatru-Bewegung bereits 1973 als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft neben dem Christentum von staatlicher Seite offiziell anerkannt“, sagt Dagmar Fügmann. Während sich in Deutschland Asatru-Anhänger teilweise lieber im Verborgenen treffen und nur selten öffentlich zu ihrem Glauben bekennen, taucht die Wikinger-Religion in Island auf offiziellen Behördenseiten gleich hinter der evangelisch-lutherischen und der katholischen Kirche auf.

    „In Island ist Asatru überhaupt nicht völkisch oder nationalistisch negativ besetzt“, sagt Fügmann. Ob den Gruppen in Deutschland die Nähe zur Ideologie der Nationalsozialisten völlig ungerechtfertigt angedichtet wird oder ob es nicht doch auch ein paar verkappte Nazis gibt, weiß sie noch nicht.

    Welche Auswirkungen diese unterschiedliche Wertschätzung und Behandlung in Island und in Deutschland auf die jeweiligen „Gemeinden“ hat, untersucht Fügmann in ihrem neuesten Forschungsprojekt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt das Vorhaben in den kommenden drei Jahren mit rund 240.000 Euro. „Mich interessiert vor allem die Frage, ob sich die Gruppen und ihre Form von Religion in Deutschland anders entwickeln als in einem Land, in dem sie zumindest rechtlich gleichgestellt sind“, sagt Fügmann.

    Eine „klassische Aufgabe für Religionswissenschaftler“ sei das ihrer Meinung nach, die genauso gut am Beispiel Islam in der Türkei und in Deutschland hätte untersucht werden können. Weil das für eine Person alleine aber eine Nummer zu groß gewesen wäre, wird sich Fügmann jetzt also um Asatru kümmern – „kleine, greifbare Gruppen, mit denen sich als ‚Ein-Frau-Betrieb‘ besser arbeiten lässt“.

    Asatru bedeutet übersetzt: Asentreue. Asen bilden das eine Geschlecht der Hauptgottheiten der Germanen. Wanen ist der Name des zweiten Geschlechts. Weil am Ende des sogenannten Wanenkrieges alle Wanengötter in die Reihen der Asen aufgenommen wurden, ist der Glaube an die Wanen, die Vanatru, heute fester Bestandteil der Asatru. Und alle Menschen stammen von den Göttern ab, sind von ihnen mit Leben und Geist erfüllt worden.

    Die Methoden: Fragebogen und Besuche

    Die Methoden, mit denen Dagmar Fügmann die Asatru-Anhänger erforschen wird, sind die gleichen wie schon bei ihrer Arbeit über Satanistengruppen in Deutschland: Über das Internet knüpft sie erste Kontakte und stellt ihr Anliegen vor. In Island ist das einfach: Dort gibt es offizielle Leiter sämtlicher Asatru-Gemeinden, die bereitwillig Rede und Antwort stehen. In Deutschland gestaltet sich das Vorhaben schwieriger, weil hier Asatru-Anhänger in der Regel Wert auf Anonymität legen.

    Hat Fügmann das Vertrauen ihrer Ansprechpartner gewonnen, verschickt sie umfangreiche Fragebogen mit ganz allgemeinen Fragen zur Person und sehr speziellen zur religiösen Biographie und Religionsausübung oder zu rituellen Vorlieben. Von Interviews mit isländischen und deutschen Asatru-Anhängern erhofft sich Fügmann Antworten auf Fragen wie: Welchen Wertvorstellungen hängen Asatru-Anhänger an? Welche ethischen Richtlinien bestimmen ihr Handeln? Wie weit klaffen Theorie und Praxis auseinander? Und zeitgleich plant Fügmann den Besuch zentraler Rituale in den Asatru-Gemeinden.

    Asatru-Rituale: Opfer und Trinkgelage

    „Ich habe vor, die jeweiligen Hauptrituale zum Sommer- und zur Wintersonnwende in Island und Deutschland zu besuchen und vielleicht auch die zur Tag- und Nachtgleiche im Frühling und Herbst“, sagt Fügmann. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, will sie an einem Blot teilnehmen – dem germanischen Opferfest. Keine Sorge: Tiere werden dabei, wie einst bei den Germanen, nicht mehr geopfert. Heutzutage bekommen die Götter Trank- oder Speiseopfer. Der Opfernde will auf diese Weise mit ihnen in Kontakt treten und sie für seine Anliegen positiv stimmen.

    Selber trinken heißt hingegen das Motto beim „Sumbel“ – einem rituellen Trinkgelage. Dort wandert ein Trinkhorn im Kreis der Teilnehmer, begleitet von Trinksprüchen, Eiden, Gelübden, Liedern und Gedichten – solange, bis der geweihte Kelch in der Mitte geleert ist. Mit schwerem Alkoholismus hat das nicht unbedingt etwas zu tun: „Ich habe gehört, dass die Isländer dabei auf alkoholfreien Honigwein zurückgreifen. Vielleicht ist der Alkohol bei ihnen ja ähnlich teuer wie in anderen skandinavischen Ländern“, sagt Fügmann.

    Am Ende des Datensammelns steht die Auswertung. Unter anderem mit Hilfe einer Metaphernanalyse will die Religionswissenschaftlerin dann „das Gemeinte hinter dem Gesagten“ finden. Diese Analysemethode hat sie in einem vom Qualifikationsprogramm für Wissenschaftlerinnen an der Universität Würzburg finanzierten Postdoktorandinnen-Projekt für die Religionswissenschaft bereits ausgearbeitet. Ob sie mit einer bestimmten Hypothese an diese Arbeit herangeht? „Nein, ich lasse mich überraschen und bin selbst gespannt, was am Ende herauskommen wird“, sagt sie. Nur eines ist ihr wichtig: Die Asatru-Anhänger und ihren Glauben moralisch beurteilen, das will sie nicht. Schließlich sei es oberstes Prinzip der Religionswissenschaft, Befunde möglichst neutral zu beschreiben, nicht moralisch zu bewerten.

    Kontakt

    Dr. Dagmar Fügmann, E-Mail: dagmar.fuegmann@arcor.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Kulturwissenschaften, Religion
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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