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20.03.2012 17:07

"Papst muss die Rache der Mafia in Mexiko nicht fürchten"

Dr. Christina Heimken Presse- und Informationsstelle
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Expertin der Universität Münster fordert vor Papstreise offene Kritik des Kirchenoberhauptes an Drogenkartellen

    Papst Benedikt XVI. sollte bei seinem Besuch Ende der Woche in Mexiko nach Auffassung von Lateinamerika-Experten scharfe Kritik an der Drogenmafia und der Korruption im Land üben. Auch mexikanische Bischöfe und Priester seien indirekt in die Geschäfte der Drogenkartelle verwickelt, schreibt die Historikerin Prof. Dr. Silke Hensel in einem Beitrag für die Website http://www.religion-und-politik.de des Exzellenzclusters "Religion und Politik" der Universität Münster. Sie akzeptierten Mafiagelder für Kirchbauten und seien so an Geldwäsche beteiligt. "Häufig bleibt den Pfarrern keine andere Wahl, als das Geld anzunehmen, droht ihnen doch sonst die Rache der Mafia." Hensel weiter: "Der Papst dagegen verlässt Mexiko nach wenigen Tagen wieder und muss die Rache der Drogenkartelle deshalb nicht fürchten."

    Statt die Machthabenden zu unterstützen, solle der Papst als unabhängige Stimme neue Perspektiven für eine friedliche Zukunft aufzeigen, unterstreicht die Forscherin. Es sei aber zu befürchten, dass er "seinen konservativen Weg weitergehen wird", der Linie der mexikanischen Bischöfe folge und dass die Reise zu einer Wahlkampftour für die konservativ-katholische Regierungspartei "Partei der nationalen Aktion" (PAN) werde. Der PAN müsse bei den Präsidentschaftswahlen im Juli mit einer Niederlage rechnen. Dies liege vor allem an der Sicherheitslage im Land, die sich seit der Kriegserklärung der Regierung gegen die Drogenkartelle extrem verschlechtert habe.

    "Mehr als 50.000 Tote sind seit 2006 im Drogenkrieg zu beklagen, darunter viele Zivilisten", schreibt die Wissenschaftlerin. "Verantwortlich ist nicht nur die Drogenmafia. Auch Polizei und Militär haben Menschenrechte massiv verletzt." Die mexikanischen Bischöfe aber verurteilten dies nicht. Vielmehr machten sie den Zerfall der Familie und die freier werdende Sexualitätsmoral für die katastrophale Situation verantwortlich. "Angeblich führen Scheidungen, Ehebruch und die Vermittlung lockerer Umgangsformen im Fernsehen dazu, dass Jugendliche keine Werte mehr hätten." Die Kirche trete als moralische Instanz auf. Den Opfern von sexuellem Missbrauch durch Geistliche, die auch in Mexiko zahlreich seien, gewähre der Papst jedoch keine Audienz, kritisiert die Mexiko-Expertin.

    In der mexikanischen Bischofskonferenz seien als Regierungskritiker bisher vor allem Anhänger der Befreiungstheologie in Erscheinung getreten, einer in Lateinamerika weit verbreiteten Richtung der christlichen Theologie, die Menschen in Armut aus ihrer Unterdrückung "befreien" will, so Hensel. Seit der Jahrtausendwende sei jedoch kein Befreiungstheologe mehr im Episkopat. Seitdem kritisiere nur noch Bischof Raul Vera aus Saltillo die Drogenpolitik der Regierung und die Kartelle. Der Bischof von San Cristobal de las Casas, Felipe Arizmendi Esquivel, beklage im Vorfeld des Papstbesuchs zwar die vielen Toten im Drogenkrieg. Der Regierung sei jedoch seiner Ansicht nach kaum ein Vorwurf zu machen, da sie dem Treiben der Drogenkartelle nicht einfach zusehen könne. Der Bischof von Aguascalientes, Ramon Godinez, äußerte dem Beitrag zufolge 2005 die Ansicht, die Kirche könne durchaus Drogengelder annehmen, weil das Geld, vorausgesetzt es werde in guter Absicht gegeben, "gereinigt" werden könne.

    In Mexiko herrscht seit Jahren ein blutiger Drogenkrieg. Nach Angaben der mexikanischen Kirche soll die Gewalt im Land ein zentrales Thema des Papstbesuchs werden. Das Kirchenoberhaupt wird am 23. März auf dem Flughafen in Leon erwartet, der größten Stadt des zentralmexikanischen Bundesstaates Guanajuato. Die Bischofskonferenz rechnet mit rund drei Millionen Gläubigen bei den Messen und Treffen mit Benedikt XVI. Sicherheitskräfte bereiten den Besuch in einem der gefährlichsten Länder der Welt seit Wochen vor. Am 26. März reist der Papst weiter nach Kuba. "Der Bundesstaat Guanajuato gehört zu den katholischsten und konservativsten des Landes", schreibt die Wissenschaftlerin. "Hier regiert Calderons Partei seit 20 Jahren ununterbrochen." Selbst wenn der Vatikan die Reise ursprünglich nicht im Zusammenhang mit dem Präsidentschaftswahlkampf geplant habe, werde der Besuch als Unterstützung für die Regierungspartei angesehen.

    Prof. Dr. Silke Hensel ist Historikerin am Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und erforscht seit Jahren die neuere Geschichte Mexikos. In ihrem Beitrag, der in der Rubrik "Ansichtssachen" auf http://www.religion-und-politik.de erschienen ist, beleuchtet sie das Verhältnis von Staat und Kirche in dem Land. Sie nimmt Bezug auf aktuelle politische und kirchenpolitische Entwicklungen und liefert einen historischen Abriss seit dem 19. Jahrhundert. Im Exzellenzcluster leitet sie das Projekt D 10 "Zwischen Unterstützung autoritärer Regime und Verteidigung der Menschenrechte. Die katholische Kirche in Chile und Argentinien während der Militärdiktaturen der 1970er und 1980er Jahre".


    Kontakt:
    Sarah Kamp
    Zentrum für Wissenschaftskommunikation
    des Exzellenzclusters "Religion und Politik"
    Johannisstraße 1-4
    48143 Münster
    Tel.: 0251/83-23376
    Fax: 0251/83-23246
    religionundpolitik@uni-muenster.de
    http://www.religion-und-politik.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/gastbeitraege/index.ht... "Ansichtssachen" auf den Seiten des Exzellenzclusters


    Bilder

    Prof. Dr. Silke Hensel
    Prof. Dr. Silke Hensel
    Foto: WWU/exc
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Religion
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Silke Hensel


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