Potsdam-Rehbrücke – Unter Führung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) hat ein Wissenschaftlerteam einen bislang unbekannten molekularen Mechanismus aufgedeckt, der erklären kann, warum krankhaftes Übergewicht* mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden ist. Wie die Forscher zeigen, führt der bei krankhaftem Übergewicht erhöhte Insulinspiegel zu einem verminderten Spiegel des atrialen natriuretischen Peptids (ANP). Hierbei handelt es sich um einen Botenstoff, der im Herz gebildet wird und blutdrucksenkend wirkt. Die Erkenntnisse liefern neue Ansatzpunkte, um neuartige Medikamententherapien für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln.
Das Wissenschaftlerteam um Natalia Rudovich, Andreas F. H. Pfeiffer und Olga Pivovarova vom DIfE publizierte kürzlich seine Studienergebnisse in der Fachzeitschrift Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism (O. Pivovarova et al.; 2012; DOI: 10.1210/jc.2011-2839; http://jcem.endojournals.org/content/early/2012/03/09/jc.2011-2839.full.pdf+html).
Der Botenstoff ANP wird vom Herzen ausgeschüttet, sobald die Zellen der rechten Herzvorhofwand aufgrund eines zu hohen Blutvolumens gedehnt werden. Das Peptidhormon hemmt das Durstgefühl, wirkt entspannend auf die glatte Muskulatur der Gefäße und führt gleichzeitig dazu, dass verstärkt Harn ausgeschieden wird. Über alle drei Mechanismen trägt das ANP somit dazu bei, das Blutvolumen und damit den Blutdruck zu senken und schützt auf diese Weise vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Seit längerem beobachten Wissenschaftler weltweit, dass die ANP-Spiegel besonders bei stark übergewichtigen Menschen sehr niedrig sind. Eine Beobachtung, die bislang nicht erklärt werden konnte. „Eigentlich würde man erwarten, dass die ANP-Spiegel gerade bei krankhaft übergewichtigen Menschen erhöht sind, da sie zu Bluthochdruck neigen und ANP vom Körper freigesetzt wird, um den Blutdruck zu senken“, sagt Erstautorin Olga Pivovarova. „Unsere Ergebnisse liefern nun erstmals einen Einblick in die zu Grunde liegenden molekularen Mechanismen und geben somit eine Erklärung für das Phänomen“. Wie die Wissenschaftler zeigen konnten, führen chronisch erhöhte Insulinspiegel – wie sie bei krankhaftem Übergewicht häufig zu beobachten sind – zu einer verstärkten Produktion von ANP-Abbau-Rezeptoren im Fettgewebe. Das ANP bindet an diese Rezeptoren und wird so regelrecht „weggefischt“, so dass es seine schützende blutdrucksenkende Wirkung nicht mehr entfalten kann.
„Unsere Beobachtungen zeigen damit erstmals einen bislang unbekannten direkten Zusammenhang zwischen den erhöhten Insulinspiegeln, dem Fettgewebe und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, sagt Studienleiterin Natalia Rudovich. „Besonders der neu entdeckte Effekt des Insulins auf den Blutdruckregulator ANP ist sehr interessant, da in der Typ-2-Diabetes-Therapie derzeit auch neuartige Medikamente eingesetzt werden, welche den Blutzucker-Stoffwechsel über insulin-unabhängige Mechanismen steuern. Diese Medikamente hätten nach den vorliegenden Ergebnissen zusätzlich auch positive Effekte auf das Herz-Kreislauf-System“, ergänzt Andreas F. H. Pfeiffer, Leiter der Abteilung Klinische Ernährung am DIfE. Daher sei es wichtig, alte Behandlungsmethoden zu überdenken und die Studienergebnisse auch für die Entwicklung neuer Medikamententherapien zu berücksichtigen.
Hintergrundinformation:
*stammbetonte Adipositas (Fettsucht): Menschen, die unter einer stammbetonten Adipositas leiden, haben sehr viel Fett im Bauchraum eingelagert (Body-Mass-Index > 30). Damit verbunden haben sie auch ein sehr hohes Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Darmkrebs und Typ-2-Diabetes. Nach Angaben der Nationalen Verzehrsstudie II, ist etwa jeder fünfte erwachsene Bundesbürger adipös (fettleibig).
Typ-2-Diabetes: Etwa 90 Prozent der Diabetespatienten in Deutschland sind an einem Typ-2-Diabetes erkrankt, der auch als Altersdiabetes bekannt ist. Ausgelöst wird diese Stoffwechselerkrankung durch eine genetische Veranlagung gepaart mit einer ungesunden Ernährung und einem ungünstigen Lebensstil. Die direkte Vorstufe zum Diabetes ist die Insulinresistenz: Das Hormon Insulin ist zwar vorhanden, kann aber an seinem Zielort, den Zellmembranen, nicht richtig wirken, so dass der Blutzuckerspiegel ansteigt. Der Körper versucht diesem Prozess durch eine verstärkte Insulinproduktion entgegenzuwirken. Dies funktioniert aber nur für eine gewisse Zeit und im weiteren Verlauf kommt es zu einem relativen Insulinmangel, so dass der Blutzuckerspiegel ansteigt (Diabetesentwicklung). Beim Fortschreiten der Erkrankung treten dann zunehmend Insulinsekretionsstörungen auf. Die molekularen Mechanismen, die zur Krankheitsentstehung beitragen sind noch weitgehend unbekannt, werden aber derzeit erforscht. Typ-2-Diabetes kann lange Zeit ohne Symptome verlaufen und erst durch Spätschäden auf sich aufmerksam machen. Der Typ-2-Diabetes tritt oft zusammen mit Übergewicht, Bluthochdruck und erhöhten Blutfettwerten auf.
Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung e.V. (DZD).
Die Leibniz-Gemeinschaft vereint 86 Einrichtungen, die anwendungsbezogene Grundlagenforschung betreiben und wissenschaftliche Infrastruktur bereitstellen. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Einrichtungen rund 16.800 Menschen – darunter 7.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – bei einem Jahresetat von insgesamt knapp 1,4 Milliarden Euro. Die Leibniz-Gemeinschaft zeichnet sich durch die Vielfalt der in den Einrichtungen bearbeiteten Themen und Disziplinen aus. Die Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft bewahren und erforschen das natürliche und kulturelle Erbe. Darüber hinaus sind sie Schaufenster der Forschung, Orte des Lernens und der Faszination für die Wissenschaft. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.
Kontakt:
Dr. Natalia Rudovich
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Abteilung Klinische Ernährung
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel.: +49(0)33200 88-2789
E-Mail: rudovich@dife.de
Prof. Dr. Andreas F. H. Pfeiffer
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Abteilung Klinische Ernährung
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
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E-Mail: afhp@dife.de oder afhp@charite.de
Dr. Olga Pivovarova
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Abteilung Klinische Ernährung
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel.: +49(0)33200 88-2771
E-Mail: olga.pivovarova@dife.de
Dr. Gisela Olias
Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel.: +49(0)33200 88-2278/-2335
E-Mail: olias@dife.de
http://www.dife.de Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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