Europäische Astronomen haben ein Planetensystem entdeckt, das rund 13 Milliarden Jahre alt sein und damit aus einer der frühesten Phasen kosmischer Entwicklung stammen dürfte. Das System besteht aus dem Stern HIP 11952 und zwei Planeten mit Umlaufzeiten von 290 bzw. 7 Tagen. Üblicherweise entstehen Planeten in Wolken, die schwerere chemische Elemente enthalten. Der Stern HIP 11952 dagegen weist kaum Elemente außer Wasserstoff und Helium auf. Das System verspricht daher, wichtige Informationen darüber zu liefern, wie Planeten bereits im frühen Universum entstehen konnten – unter Bedingungen, die ganz anders sind als bei der Entstehung jüngerer Planetensysteme wie unseres Sonnensystems.
Den heutigen Vorstellungen entsprechend entstehen Planeten in Scheiben aus Gas und Staub, die junge Sterne umgeben. Im Detail gibt es zur Planetenentstehung freilich noch viele offene Fragen – darunter die Frage, welche Voraussetzungen denn eigentlich erfüllt sein müssen, damit sich überhaupt Planeten bilden. Mit einer Stichprobe von mittlerweile mehr als 750 sicher nachgewiesenen Exoplaneten – also Planeten, die andere Sterne umkreisen als die Sonne – haben die Astronomen einen Eindruck von der beachtlichen Vielfalt der möglichen Planetensysteme gewonnen. Dabei zeigen sich zudem bestimmte Trends: Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, bei einem „metallreichen“ Stern – im Sprachgebrauch der Astronomen heißen alle chemischen Elemente außer Wasserstoff und Helium „Metalle“ – einen oder mehrere Planeten anzutreffen, größer als bei metallarmen Sternen.
Das legt die folgende Frage nahe: Ursprünglich enthielt unser Weltraum außer Wasserstoff und Helium so gut wie keine weiteren Elemente. Fast alle schwereren Elemente sind erst über Milliarden Jahre hinweg im Inneren von Sternen produziert und dann im Rahmen der Supernova-Explosionen, mit denen massereiche Sterne ihr Leben beenden, hinaus ins All geschleudert worden. Wie steht es aber dann unter den Bedingungen, die im frühesten Universum vor rund 13 Milliarden Jahren herrschten, mit der Planetenentstehung? Wenn sich um metallreichere Sterne mit größerer Wahrscheinlichkeit Planeten bilden, gibt es dann umgekehrt Sterne mit so geringem Metallgehalt, dass gar keine Planeten entstehen? Und wenn ja: Wann würden wir dann im Laufe der kosmischen Geschichte erwarten, dass sich die ersten Planeten bilden?
Jetzt haben Astronomen vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und weiteren Instituten ein Planetensystem entdeckt, welches zur Beantwortung dieser Fragen beitragen könnte. Im Rahmen einer Durchmusterung, bei der gezielt nach Planeten metallarmer Sterne gesucht wurde, fanden sie zwei Planeten um einen Stern mit der Katalognummer HIP 11952, der von der Erde aus gesehen im Abstand von rund 375 Lichtjahren im Sternbild Walfisch liegt. Für sich genommen sind die beiden Planeten, HIP 11952b und HIP 11952c, nichts besonderes. Sehr ungewöhnlich ist aber, dass sie um einen derart metallarmen und vor allem: um einen so ausnehmend alten Stern kreisen!
Im Rahmen der klassischen Modelle der Planetenentstehung, die metallreiche Sterne begünstigen, sollte die Bildung von Planeten um solch einen Stern ein extrem seltenes Ereignis sein. Veronica Roccatagliata (Universitätssternwarte München), Koordinatorin („principal investigator“) der Durchmusterung metallarmer Sterne, die zu der Entdeckung der Planeten führte, erklärt: „Im Jahre 2010 haben wir das erste Planetensystem eines derart metallarmen Sterns gefunden: HIP 13044. Damals dachten wir, dies sei ein einzigartiger Fund; jetzt sieht es stattdessen so aus, als hätten metallarme Sterne deutlich häufiger Planeten als erwartet.“
HIP 13044 wurde berühmt, weil es sich bei ihm um den ersten extragalaktischen Exoplaneten handeln dürfte – der Stern ist Teil eines sogenannten Sternstroms, Überrests einer anderen Galaxie, die vor Milliarden von Jahren von unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, verschlungen wurde.
Im Vergleich mit anderen Exoplanetensystemen ist HIP 11952 nicht nur eines der metallärmsten, sondern mit einem geschätzten Alter von 12,8 Milliarden Jahre auch eines der ältesten. „Wir haben in unserem kosmischen Hinterhof eine archäologische Entdeckung gemacht“ sagt Johny Setiawan (Max-Planck-Institut für Astronomie), der die Untersuchungen an HIP 11952 geleitet hat: „Diese Planeten haben sich wahrscheinlich zu einer Zeit gebildet, als unsere Heimatgalaxie selbst noch ein Baby war.“
„Wir möchten noch weitere Planetensysteme dieses Typs finden und untersuchen; mit den Ergebnissen können wir hoffen, unsere Theorien zur Entstehung von Planeten deutlich zu verfeinern. Unsere Entdeckung zeigt jedenfalls, dass während aller Perioden kosmischer Geschichte neue Planeten entstanden sind“ fügt Anna Pasquali (Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg) hinzu, eine Koautorin des Fachartikels, welcher den Fund beschreibt.
Kontakt
Dr. Johny Setiawan (Erstautor)
Max-Planck-Institut für Astronomie
Aktuelle Adresse: Botschaft der Republik Indonesien
Tel.: (030) 47807 242
E-Mail: setiawan@indonesian-embassy.de
Dr. Veronica Roccatagliata (Koordinatorin der Durchmusterung)
Universitätssternwarte München
Tel.: 089-2180-6973
E-Mail: vrocca@usm.lmu.de
Dr. Markus Pössel (Öffentlichkeitsarbeit)
Max-Planck-Institut für Astronomie
Tel.: (06221) 528-261
E-Mail: pr@mpia.de
Künstlerische Darstellung des Sterns HIP 11952 und seiner zwei jupiterähnlichen Planeten.
Bild: Timotheos Samartzidis
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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