idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
11.05.2012 10:07

Fast jeder vierte Student schmückt sich mit fremden Federn

Dr. Manuela Rutsatz Pressestelle
Universität Leipzig

    Fast jeder vierte Student hat sich laut einer Umfrage der Universität Leipzig schon einmal bei einer wissenschaftlichen Arbeit mit fremden Federn geschmückt. Bei einer empirischen Studie von Ben Jann, Julia Jerke und Ivar Krumpal des Instituts für Soziologie der Universität Leipzig, die kürzlich in der renommierten Zeitschrift „Public Opinion Quarterly" veröffentlicht worden ist, gaben 22 Prozent der befragten Studierenden an, schon einmal bewusst eine Textpassage aus einem fremden Werk übernommen zu haben, ohne diese als Zitat zu kennzeichnen.

    Die Forscher haben dabei eine spezielle Methode eingesetzt, die auf mathematischen Überlegungen der Wahrscheinlichkeitsrechnung beruht und dem Befragten eine vollständig anonyme Antwort garantiert.

    Für die Untersuchung wurden an der Universität Leipzig, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Ludwig-Maximilians-Universität München 474 Studierende verschiedener Fächer befragt, 310 davon anonym. "Die Bereitschaft, wahrheitsgemäß auf unangenehme Fragen zu antworten, ist unter anonymen Bedingungen deutlich größer", berichtet Thomas Voss, Professor für Soziologie an der Universität Leipzig, der zusammen mit seinem emeritierten Kollegen Karl-Dieter Opp das DFG-Forschungsprojekt "Heikle Fragen in Umfragen" leitet.

    "Aufgrund der Fülle von Informationen im Internet war es noch nie so leicht wie heute, fremde Gedanken, Ideen und Konzepte in die eigene Arbeit einzubauen und unter Anmaßung der Autorenschaft fälschlicherweise als Eigenleistung auszugeben", schildert Studienautorin Julia Jerke. Zugleich habe sich mit der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge der Leistungsdruck erhöht, von Beginn des Studiums an gute Prüfungsnoten zu sammeln und nicht erst wie früher am Ende in den Abschlussprüfungen. Mehr als ein Prozent der anonym Befragten gestanden sogar ein, dass jemand anderes den Großteil einer wissenschaftlichen Arbeit für sie geschrieben habe oder sie eine fremde Arbeit, die sie zum Beispiel im Internet gefunden hätten, vollständig übernommen und als ihre eigene ausgegeben hätten. "Auf den ersten Blick scheint diese Zahl nicht hoch zu sein", schätzt Voss ein, der für das Forschungsvorhaben mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und der Universität Bern kooperiert. Doch unterstellt man eine vergleichbare Bereitschaft zur Einreichung von Plagiaten auch für Abschlussarbeiten, so könne man für eine große Universität, an der jährlich etwa 5000 Abschlussarbeiten angefertigt werden, damit rechnen, dass den Prüfungsbehörden neben 1100 Arbeiten mit einzelnen plagiierten Textpassagen auch mindestens 50 vollständige Plagiate vorgelegt würden.

    "Diese Schätzungen scheinen am ehesten noch konservative Untergrenzen zu sein, da nicht alle Studenten wahrheitsgemäße Selbstauskünfte geben", ergänzt Dr. Ivar Krumpal, Studienautor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie. Es sei von einer großen Dunkelziffer auszugehen, die in scharfem Kontrast zu der Handvoll von Plagiaten stehe, die jedes Jahr aufgedeckt werden. "Nachlässigkeiten im Umgang mit Plagiaten decken nicht nur unfaires Verhalten, sondern gefährden das Wissenschaftssystem insgesamt, weil sie seinen Belohnungsmechanismus tendenziell außer Kraft setzen, nämlich wissenschaftliche Originalität zu prämieren", befindet Voss.

    Universitäten sollten "noch klarere Richtlinien und einen Zitierknigge formulieren", die für alle Fakultäten vereinheitlicht und unter den Professoren, Dozenten und Studenten verbreitet werden müssten. "Bereits bestehende Regelungen sollten systematischer durchgesetzt und entdecktes Plagiieren mit aller Konsequenz bestraft werden", fordern die Soziologen. "Sonst würde langfristig die Reputation von Universitäten als Ganzes in der Öffentlichkeit in Frage gestellt werden."

    Weitere Informationen:
    Dr. Ivar Krumpal
    Telefon: +49 (0)341 / 97-35693
    E-Mail: krumpal@sozio.uni-leipzig.de

    Prof. Dr. Thomas Voss
    Telefon: +49 (0)341 / 97-35640 / 642
    E-Mail: voss@sozio.uni-leipzig.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).