Lübecker Informatiker sind mit drahtlosen Netzwerken unseren Körperfunktionen auf der Spur – Praxistest der Sensorsysteme beim Lübeck Marathon am 21. Oktober 2012
Was geschieht im Körper bei extremen Belastungen wie einem Marathonlauf? Bei der Erforschung der Temperaturregulation gehen Wissenschaftler der Universität zu Lübeck neue Wege. Sie messen die Körperkerntemperatur von Läufern beim 5. Lübeck Marathon erstmals nichtinvasiv und sehr genau mit Hilfe drahtloser Sensornetze.
Damit erhält der Stadtwerke Lübeck Marathon am 21. Oktober in Lübecks Jahr als Stadt der Wissenschaft 2012 einen besonderen wissenschaftlichen Aspekt. Die vorbereiteten 2600 Finisher-Medaillen tragen auf der Rückseite das Motto des Wissenschaftsjahres „Hanse trifft Humboldt“.
Drahtlose Sensornetze zur Messung von Körperfunktionen (Body Sensor Networks) sind das Forschungsthema von Prof. Dr. Kay Römer aus dem Institut für Technische Informatik der Universität zu Lübeck. Er entwickelt einen drahtlosen Sensor zur Messung der Körperkerntemperatur über das Mittelohr, der kontinuierlich und mit hoher Genauigkeit die Temperatur im Körperinneren erfasst und per Funk übermittelt – und das völlig ohne Eingriffe in den Körper einfach durch Tragen eines speziellen kabellosen Kopfhörers. Die Genauigkeit, Zuverlässigkeit und damit Praxistauglichkeit dieses Sensors wird jetzt für eine Pilotstudie mit Prototypen erstmals unter den Wettkampfbedingungen eines Marathonlaufes überprüft.
Medizinische Messungen und klinische Untersuchungen werden normaler Weise unter standardisierten Laborbedingungen vorgenommen. Für die realistische und langfristigere Untersuchung von Körperfunktionen unter Alltagsbedingungen, zum Beispiel in der Sportmedizin, sind dadurch Grenzen gesetzt.
Prof. Römer und seine Forschergruppe befassen sich mit den informations- und kommunikationstechnischen Grundlagen für derartige Anwendungen. Dazu gehören höchste Energieeffizienz für lange Einsatzfähigkeit, selbstorganisierende Kommunikationsstrategien für hohe Zuverlässigkeit sowie adaptive Messwerterfassung zur automatischen Korrektur von verfälschenden Umwelteinwirkungen.
Die Messung der Körperkerntemperatur während eines Marathonlaufs ist physiologisch und sportmedizinisch von Interesse. So kommt es aufgrund der hohen Belastungen bei Marathonläufen immer wieder zu Todesfällen – alleine beim Chicago Marathon waren in den vergangenen 14 Jahren sechs solche Fälle zu beklagen. Einige davon gingen mit stark erhöhter Körperkerntemperatur einher. Darüber hinaus spielt die Körperkerntemperatur auch eine wichtige Rolle für die Leistungsfähigkeit der Athleten, da der Körper Energie zur Temperaturregulation aufwenden muss, was die sportliche Leistung negativ beeinflussen kann.
Die Forschungen zu den Body Sensor Networks und zum „Organic Computing“ sind ein Schwerpunkt am Lübecker Institut für Technische Informatik. Sie sind aus dem Exzellenzcluster der Universitäten Kiel und Lübeck und des Forschungszentrums Borstel zur Entzündungsforschung hervorgegangen und geschehen in enger Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen, insbesondere mit der Medizin wo die Körperkerntemperatur ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Sie lässt beispielsweise Rückschlüsse auf zirkadische Rhythmen zu, die sogenannte „innere Uhr im Hirn“, welche Blutzirkulation, Stoffwechselprozesse, Ermüdung und Hochleistungsphasen beeinflusst. Bisher fehlten aber Instrumente mit der nötigen Messgenauigkeit, um diese Phänomene im Alltagsleben über lange Zeiträume hinweg untersuchen zu können.
Mit dem Test seines Sensors beim Lübeck-Marathon verbindet Prof. Dr. Kay Römer die folgenden Erwartungen: „Wir wollen mit dieser Pilotstudie besser verstehen, wie die wechselnden Umgebungsbedingungen während eines Marathonlaufes die Genauigkeit der Messungen beeinflussen. Durch die intensiven Bewegungen der Läufer kann der Sensor verrutschen, mal scheint die Sonne auf den Sensor und heizt ihn auf, mal sind Hindernisse im Weg die die Funkübertragung erschweren. All dies verfälscht die Messwerte und kann sie unbrauchbar machen. Erst durch detailliertes Verständnis dieser Einflüsse kann man deren Auswirkungen auf die Messwerte so kompensieren, dass die notwendige Genauigkeit erreicht wird. Die entlang der 21 Kilometer langen Strecke zwischen Lübeck und Travemünde stark variierenden Umgebungsbedingungen bieten hier eine einmalige Gelegenheit.“
Der Stadtwerke Lübeck Marathon ist ein seit 2008 jährlich in der Hansestadt durchgeführter Volkslauf mit sechs unterschiedlichen Wettbewerben. Er entspricht den Regularien des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) und des Leichtathletik-Verbandes Schleswig-Holstein. Organisationsleiter Klaus Ziele sagt zur Einbindung eines aktuellen Wissenschaftsthemas in den diesjährigen Lauf: „Da die Wissenschaft und der Sport voneinander profitieren, ist es uns eine große Ehre, den neuen Weg bei der Erforschung der Temperaturregulation zu unterstützen. Das zwölfköpfige Organisationsteam würde sich freuen, wenn durch die Einbindung des 5. Stadtwerke Lübeck Marathons zum aktuellen Thema weitere wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen und dem Sport damit geholfen werden kann. “
Abbildungen zu dieser Pressemitteilung werden auf Wunsch gern zur Verfügung gestellt:
1. Prof. Dr. Kay Römer
2. Sensor zur Messung der Körperkerntemperatur
3. Datenempfang über den Temperaturverlauf
4. Hanse trifft Humboldt: Finisher-Medaille des Stadtwerke Lübeck Marathons 2012
http://www.iti.uni-luebeck.de/forschung/cyber-physical-systems.html
Prof. Dr. Kay Römer
Foto: Uni Lübeck
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Sensor zur Messung der Körperkerntemperatur
Foto: René Kube
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Informationstechnik, Medizin, Sportwissenschaft
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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