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23.04.2013 17:00

Rostende Ur-Ozeane durch Bakterien

Myriam Hönig, Antje Karbe Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Geomikrobiologen der Universität Tübingen finden Hinweise wie Mikroorganismen die weltgrößten Eisenerzvorräte gebildet haben

    Wissenschaftler der Universität Tübingen können erstmals aufzeigen, wie Mikroorganismen zur Entstehung der weltgrößten Eisenerzvorräte beigetragen haben. Vor allem in Südafrika und Australien gibt es mächtige, Milliarden Jahre alte geologische Formationen, die zum Großteil aus Eisenoxid bestehen, also aus Mineralen wie sie aus der Rostbildung bekannt sind. Diese Eisenerze decken nicht nur einen Großteil des Weltbedarfs an Eisen, die Gesteinsformationen geben auch Hinweise auf die Entwicklung der Atmosphäre und des Klimas sowie der Aktivität von Mikroorganismen in der frühen Erdgeschichte.

    Inwiefern Mikroorganismen im Ur-Ozean zur Bildung der Eisenablagerungen beigetragen haben, war bislang unbekannt. Ein internationales Forscherteam aus den USA, Kanada und Deutschland hat dazu nun neue Erkenntnisse in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht. Unter Leitung des Geomikrobiologen Professor Andreas Kappler vom Zentrum für angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen fanden die Wissenschaftler konkrete Hinweise darauf, welche Mikroorganismen an der Bildung der Eisenerze beteiligt waren und woran die verschiedenen mikrobiellen Stoffwechselprozesse an Gesteinen erkennbar sind.

    Das Eisen im Ur-Ozean kam als gelöstes, reduziertes zweiwertiges Eisen [Fe(II)] aus heißen Quellen auf dem Ozeanboden. Der Großteil des heutigen Eisenerzes liegt aber als oxidiertes, dreiwertiges Eisen [Fe(III)] in Form von „Rostmineralen“ vor ‒ demnach musste das zweiwertige Eisen zur Ablagerung oxidiert werden. Das klassische Modell zur Entstehung der Eisenformationen beschreibt die chemische Oxidation des zweiwertigen Eisens aus diesen Quellen durch Sauerstoff, der von sogenannten Cyanobakterien („Blaualgen“) produziert wird. Diese Oxidation kann entweder chemisch erfolgen (wie bei der Rostbildung) oder durch Beteiligung sogenannter „mikroaerophiler eisenoxidierender Bakterien“.

    Unter Wissenschaftlern wird jedoch diskutiert, wann in der Erdatmosphäre überhaupt ausreichend Sauerstoff durch Cyanobakterien gebildet wurde, um solche Eisenformationen zu bilden. Die ältesten bekannten Eisenerze stammen aus dem Präkambrium und sind bis zu 4 Milliarden Jahre alt (das Erdalter wird auf ca. 4,6 Milliarden Jahre geschätzt) ‒ zu diesem frühen Zeitpunkt der Erdgeschichte war aber nur sehr wenig bis gar kein Sauerstoff vorhanden. Die Bildung der ältesten gebänderten Eisenerze kann also nicht durch Sauerstoff erfolgt sein.

    1993 wurden erstmals Bakterien gefunden, die keinen Sauerstoff benötigen und mit Hilfe von Lichtenergie das zweiwertige Eisen oxidieren („anoxygene phototrophe eisenoxidierende Bakterien“). In Studien (2005/2010) zeigte die Arbeitsgruppe um Professor Kappler bereits, dass diese Bakterien gelöstes zweiwertiges Eisen in Eisenoxide (Rost) umwandeln, wie sie in den Eisenerzen enthalten sind. Jetzt konnte das Tübinger Forscherteam nachweisen, dass sich anhand der Identität und strukturellen Eigenschaften von Eisenmineralen feststellen lässt, dass die Eisenformationen mikro-biell durch Eisenoxidierer und nicht durch von Cyanobakterien gebildeten Sauerstoff abgelagert wurden. Die Wissenschaftler setzten hierzu unterschiedliche Mengen an organischem Material zu-sammen mit Eisenmineralen in Goldkapseln hohen Temperaturen und Druck aus, um die Umwandlung der Minerale über die Erdgeschichte hinweg zu simulieren. Dabei entdeckten sie Strukturen von Eisenkarbonatmineralen (Siderit, FeCO3), wie sie tatsächlich in Eisenformationen gefunden wurden. Insbesondere konnten sie Eisenkarbonat-Strukturen unterscheiden, die entweder durch eine eher geringe Menge an organischen Verbindungen (mikrobielle Biomasse) oder mit einer größeren Menge gebildet wurden.

    Durch ihre Arbeiten haben die Wissenschaftler nicht nur erstmals eindeutige Hinweise auf eine direkte Beteiligung von Mikroorganismen an der Ablagerung der ältesten Eisenformationen gefunden. Die Ergebnisse geben auch Hinweise darauf, dass in Flachwasserregionen des Ur-Ozeans eher große Mengen an sauerstoffbildenden Bakterien (Cyanobakterien) aktiv waren, während in der lichtdurchdrungenen (photischen) Tiefwasserzone eher eisenoxidierende Bakterien für die Ablagerung der Eisenformationen verantwortlich waren.

    Die Forschungsergebnisse wurden von der Fachzeitschrift Nature Communications vorab online veröffentlicht (http://dx.doi.org/ 10.1038/ncomms2770): Koehler, I., Papineau, D., Konhauser, K.O., Kappler, A. (2013) Biological carbon precursor to dianetic siderite spherulites in banded iron formations. Nature Communications, in press.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Andreas Kappler
    Universität Tübingen
    Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
    Zentrum für Angewandte Geowissenschaften/ Arbeitsgruppe Geomikrobiologie
    Sigwartstrasse 10 ∙ 72076 Tübingen
    Tel. +49 (7071) 29-74992
    andreas.kappler[at]uni-tuebingen.de


    Weitere Informationen:

    http://www.geo.uni-tuebingen.de/arbeitsgruppen/angewandte-geowissenschaften/fors...


    Bilder

    Eisenerzmine in Hamersley, Westaustralien
    Eisenerzmine in Hamersley, Westaustralien
    Foto: Professor K.O. Konhauser
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Eisenerzmine in Hamersley, Westaustralien


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