Mit einem Empfang auf der Kulmbacher Plassenburg startete am 23.5. die 48. Kulmbacher Woche, in deren Rahmen in diesem Jahr auch das Jubiläum „75 Jahre staatliche Fleischforschung“ gefeiert wurde. Am Fachkongress vom 24. bis 25. 5. nahmen in der Stammberger-Halle der Stadt Kulmbach rund 180 Fachbesucher teil.
Angesichts der Tradition von 75 Jahren staatlicher Fleischforschung stellte MinDir Bernhard Kühnle, Leiter der Abteilung Ernährung, Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit die Frage, was ein Bundesforschungsinstitut heute zum Nutzen von Politik und Gesellschaft leisten muss. In erster Linie sei das die bestmögliche und zeitnahe Beratung, um kompetente Entscheidungen treffen zu können. Doch die Grundlage dafür, dass die Entscheidungshilfeberatung überhaupt stattfinden könne, sei die wissenschaftliche Exzellenz der Forschung, die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) angesiedelt ist. Für das Max Rubner-Institut bedeute dies, das erworbene Renommee zu halten und weiter auszubauen. Den Standort Kulmbach mit der dort vertretenen Fleischforschung und dem Arbeitsgebiet Analytik stellte Kühnle als „Teil dieses Gesamtbildes“ dar. „Das Max Rubner-Institut ist ein Gesamtbild, das sich aus einzelnen Teilbereichen zusammensetzt, ein Mosaik, kein Gemischtwarenladen, sondern ein wohlkomponiertes Institut.“
Prof. Gerhard Rechkemmer, Präsident des Max Rubner-Instituts griff das Bild auf und nannte das Fleisch als einen Teil einer ausgewogenen Ernährung, entsprechend auch die Fleischforschung als Teil einer erfolgreichen Ernährungs- und Lebensmittelforschung. Da der Verzehr an Fleisch in Deutschland, insbesondere bei den Männern, deutlich über den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung liege, müsse es in Zukunft darum gehen, sich vor allem auf die Qualität des Fleisches zu konzentrieren. „Dazu gehört Forschung zur Schlachtung der Tiere, zur Reifung und Frischhaltung von Fleisch.“ Wichtige Forschungsthemen seien zudem weiterhin die Entwicklung von Nachweisverfahren zur Tierartenerkennung und zur Kontamination von Fleisch mit gesundheitsgefährdenden Stoffen.
Dem fügte MinDir Dr. Christian Grugel, Abteilungsleiter für Verbraucherpolitik am BMELV in seiner Rede zur Eröffnung der Fachtagung noch den Bereich Tierschutz hinzu. „Tierschutzaspekte spielen bei der Gewinnung von Lebensmitteln tierischer Herkunft heute eine weit größere Rolle als vor 75 Jahren. Die Verbraucher zeigen großes Interesse an Tierschutzaspekten. Deshalb werden derzeit in Kulmbach Aspekte der Betäubung von Schlachttieren wieder intensiv beforscht“, führte Grugel aus.
Um den gesellschaftlichen Anforderungen an eine moderne Tierhaltung gerecht zu werden, müsse die Forschung in diesem Bereich verstärkt auf die Kernfragen ausgerichtet werden. Die gesellschaftlichen Anforderungen gerade an die Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft würden weiter steigen. „Die Sorgen um das Wohlbefinden der Tiere und ethische Aspekte bei Haltung, Schlachtung und Verarbeitung beeinflussen auch die Kaufentscheidungen der Verbraucher stärker als bisher. Mir scheint, dass diese Entwicklung zukünftig noch zunehmen wird“, betonte MinDir. Grugel.
Entsprechend widmeten sich gleich zwei Vorträge auf der Kulmbacher Woche dem Thema Schlachtung. Muriel Machtholf, Mitarbeiterin am Institut für Sicherheit und Qualität bei Fleisch, referierte über die Forschung zum Einsatz von Helium-Gas in der Schlachtung. Im Gegensatz zum bisher für die Betäubung von Schweinen verwendete Kohlendioxid-Gas wird von dem Edelgas bei den Tieren bei gleicher Wirkung kein Erstickungsgefühl ausgelöst. Doch Helium ist teuer, begrenzt verfügbar und leichter als Luft. Ein praxiserprobtes Verfahren gibt es bislang nicht. In den Jahren 2011 und 2012 wurden im Institut für Sicherheit und Qualität bei Fleisch die ersten orientierenden Betäubungsversuche mit Helium durchgeführt. Helium ist etwa um das 7,5fache leichter als Luft. Zunächst war die prinzipielle Machbarkeit einer Betäubung von Schlachtschweinen mit Helium in einem halboffenen System (Glockenprinzip) zu klären. Die Frage war, ob Helium sich in einem nach unten offenen Raum in so hoher Konzentration von der Umgebungsluft abtrennen lässt, dass beim Schwein ein Betäubungseffekt eintritt. In einem nach unten offenen Acrylglaskasten konnten Helium-Konzentrationen von 98,5 Vol. Prozent und Sauerstoff-Konzentrationen von < 1,5 Vol. Prozent erreicht werden. Der mit Helium gefüllte Kasten wurde über die in einem Gitterkäfig stehenden Tiere abgesenkt. In der Heliumatmosphäre zeigten die Mastschweine anfangs keinerlei Beeinflussung ihrer Verhaltensweisen. Nach etwa 15 Sekunden begannen die Tiere zu schwanken, bevor sie nach im Mittel 20 Sekunden das Stehvermögen verloren. Die sich anschließende Phase von unbewussten Muskelkontraktionen war in der Ausprägung geringer bis gleich wie nach CO2-Betäubung. Die Analyse der Katecholaminwerte im Stichblut als Stressparameter ergab sowohl für Adrenalin als auch Noradrenalin signifikant niedrigere Werte nach Helium-Betäubung im Vergleich zu mit Kohlendioxid-Gas betäubten Tieren.
Die in der Versuchsreihe gewählte Helium-Expositionszeit von 180 Sekunden war ausreichend, um die Mastschweine in einem bis zum Tod durch Blutentzug anhaltenden Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit zu halten Qualitätsmängel in Form von Blutpunkten in der Muskulatur traten nach Heliumbetäubung nicht auf. Die Fleischqualität war vergleichbar, in Teilaspekten sogar besser als nach CO2 -Betäubung. Die Untersuchung ergab, dass es sich bei der Verwendung von Helium um eine tierschonende Methode zur Betäubung von Mastschweinen handelt, die ein alternatives Verfahren zur Betäubung mit Kohlendioxid-Gas darstellen könnte. Die Möglichkeiten eines kommerziellen Einsatzes sind allerdings noch zu prüfen.
Als weiteres Forschungsprojekt im Bereich der Schlachtung wurde die Bewertung verschiedener Bolzenschuss-Betäubungsverfahren beim Rind von Katharina Dörfler, ebenfalls Mitarbeiterin am Institut für Sicherheit und Qualität bei Fleisch vorgestellt. Seit der BSE-Krise ist der Einsatz des Rückenmarkzerstörers bei der Schlachtung von Rindern verboten. Doch der alleinige Einsatz der Bolzenschutzbetäubung zeigt erhebliche Mängel: in vier bis neun Prozent der Fälle sind Schlachtrinder, wie die Literatur darstellt, nach dem ersten Schuss nur unzureichend betäubt. Ziel des Projektes war es darum, die aktuell verfügbaren Bolzenschussapparate auf ihre Wirksamkeit hin zu prüfen, andererseits sollten wissenschaftlich abgesicherte Daten zur Betäubungseffizienz einer Baureihe bei unterschiedlichen Tierkategorien in der Praxis an zwei Schlachthöfen erhoben werden. Die höchste Fehlbetäubungsrate die im Rahmen der Datenerhebung erfasst wurde, lag bei 5,7 Prozent. Betrachtet man nur die männlichen Tiere innerhalb der Untersuchungsgruppe, lag die Rate sogar bei 8,1 Prozent. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass für männliche Tiere ein Bolzenschussbetäubungsapparat ohne Rückholsystem – mit entsprechend höherer kinetischer Energie – oder mit einer größeren Bolzenaustrittslänge eingesetzt werden sollte.
Im Rahmen der Kulmbacher Woche fand auch ein Workshop zum DFG-AiF-Clusterprojekt zum Minimal Processing in automatisierten Prozessketten der Fleischverarbeitung am Beispiel der Feinzerlegung von Schweinefleisch statt. Ziel dieser Forschungsarbeiten ist der teilweise Ersatz menschlicher Arbeitskräfte im Bereich der Fleischzerlegung durch Roboter. An dem Cluster-Projekt sind 10 verschiedene Forschungsinstitutionen beteiligt, die insgesamt sechs Teilbereiche erarbeiten. Während sich die Universität Erlangen-Nürnberg und das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik in Quakenbrück mit dem eigentlichen Minimal Processing in der automatisierten Zerlegung befasst, das Wissenschaftszentrum Weihenstephan mit der Struktur- und Texturerkennung, forscht das Fraunhofer-Anwendungszentrum für Verarbeitungsmaschinen und Verarbeitungstechnik an einem speziellen Reinigung- und hygieneorientierten Maschinenkonzept. Das Leibnitz-Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim hat gemeinsam mit dem Institut für Technische Chemie der Universität Hannover die Aufgabe, eine Online-Erfassung bakterieller Kontaminanten zu ermöglichen, zur Sensorik von Lactat zur Beurteilung der Fleischqualität arbeitet die Forschungsstelle für Nahrungsmittelqualität der Universität Bayreuth und das genannte Institut der Universität Hannover. Der Entwicklung von Analysemethoden zur Etablierung einer Online-Beurteilung des Fleisches widmen sich die Forschungsstelle Nahrungsmittelqualität, das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen und das Max Rubner-Institut mit seiner Arbeitsgruppe Analytik in Kulmbach.
Weitere Themen war die Belastung von Wildfleisch durch das Blei der Geschosse beziehungsweise die Fortschritte bei der Entwicklung bleifreier Munition, die mikrobielle Sicherheit von Rohwurstprodukten, Minimierung von PAK-Gehalten in geräucherten Fleischerzeugnissen und die Qualität von Fleisch im SB-Bereich.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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