idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
28.05.2013 08:30

Glasklare Methode, um Glas von Flüssigkeit zu unterscheiden

Dr. Ina Helms Lise-Meitner-Campus Wannsee
Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH

    Viele feste Materialien werden aus der Schmelze produziert. Je nachdem wie rasch diese abkühlt, bauen sich dabei innere Spannung auf. Ein Beispiel sind Bologneser Tränen: Ihr dickes Ende hält sogar Hammerschlägen stand, während schon leichter Druck am dünnen Ende die gesamte Träne zerspringen lässt. Auch die Eigenschaften von Sicherheitsglas werden durch innere Vorspannungen bestimmt. Doch bislang war kaum verstanden, welche Besonderheiten der Glaszustand im Vergleich zu einer zähen Schmelze aufweist. Mit einem überraschend einfachen Modell hat nun eine große Kooperation aus mehreren Forschungsteams aus Deutschland und Kreta erklären können, was Glas und Schmelze voneinander unterscheidet.

    Ein wichtiger Beitrag kam dabei aus dem HZB: Die Chemikerin Dr. Miriam Siebenbürger aus dem HZB-Institut Weiche Materie und Funktionale Materialien hat ein elegantes Modellsystem entwickelt, das aus Kunststoffpartikeln in wässriger Salzlösung besteht (eine sog. Suspension). Da die Partikel mit einem Durchmesser von rund 150 Nanometern extrem klein sind, schweben sie in der Lösung und sedimentieren nicht. Diese Nanopartikel besitzen eine thermosensitive „Schale“, deren Dicke sich über Wärme beeinflussen lässt. Sie können dadurch kontinuierlich wachsen oder schrumpfen. So kann die Chemikerin ihre Proben gezielt von einem dicht gepackten „Glas“ in einen weniger dichten, flüssigen Zustand überleiten, sie also schmelzen.

    Mit einer rheologischen Messreihe ermittelte Miriam Siebenbürger, wie rasch innere Spannungen in ihren Proben mit unterschiedlichen Partikelpackungsdichten abklingen konnten. Dafür schloss sie die Proben zwischen zwei Platten ein, die gegeneinander verdreht wurden, um Scherkräfte in der Probe zu erzeugen. Nachdem bei konstanter Schergeschwindigkeit ein stationärer Zustand der Scherspannung erreicht war, wurden die Platten aktiv gestoppt. Im Anschluss wurde die Kraft gemessen, die benötigt wird, um die Platten an der Nullposition zu halten. Diese Kraft ist ein Gradmesser für die inneren Spannungen. Dabei zeigte sich der entscheidende Unterschied zwischen dem flüssigen und dem Glas-Zustand sehr deutlich:
    Während in Flüssigkeiten die Spannungen vollständig abklangen, blieb ein Teil der Spannungen im Glaszustand dauerhaft erhalten. Die Ergebnisse passen sehr gut zu dem theoretischen Modell von Konstanzer Physikern, die das Verhalten harter Kugeln in unterschiedlichen Packungsdichten berechneten.

    Doch nicht nur das: auch Messungen der inneren Spannungen und der Dynamik an größeren Partikeln (im µm-Bereich) von Forschern in Kreta und Düsseldorf und die molekulardynamische Simulation harter Kugeln von Forschern aus Köln und Mainz zeigen das gleiche Verhalten. Die Wissenschaftler sind überzeugt davon, dass ihre Ergebnisse weitgehend auf alle Gläser übertragbar sind, die durch die hohe Packungsdichte gebildet werden, zum Beispiel auf metallische Gläser, wie sie für High-Tech-Anwendungen entwickelt werden. Die Arbeit ist nun in den renommierten Physical Review Letters veröffentlicht und erhielt dabei den Status „Selected for a Focus in Physics“ und „Editor’s Suggestion“.

    http://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevLett.110.215701
    DOI: 10.1103/PhysRevLett.110.215701

    M. Ballauff, J. M. Brader, S. U. Egelhaaf, M. Fuchs, J. Horbach, N. Koumakis, M. Krüger, M. Laurati, K. J. Mutch, G. Petekidis, M. Siebenbürger, Th. Voigtmann, and J. Zausch, “Residual Stresses in Glasses“, Phys. Rev. Lett. 110, 215701 (2013).


    Bilder

    Die verwendeten Modell-Kolloide: etwa 150 Nanometer kleine Partikel in Wasser. Der feste Kern besteht aus dem Kunststoff Polystyrol, die umgebende Schale aus einem  thermosensitiven Netzwerk aus Poly(N-isopropyl-acrylamid). Durch Senken der Temperatur lässt sich das Volumen der einzelnen Partikel – und damit auch deren Packungsdichte –erhöhen.
    Die verwendeten Modell-Kolloide: etwa 150 Nanometer kleine Partikel in Wasser. Der feste Kern besteh ...
    Foto: HZB/M. Siebenbürger
    None

    Chemikerin Dr. Miriam Siebenbürger hat eine neue Methode mitentwickelt, um Glas von Flüssigkeit eindeutig zu unterscheiden.
    Chemikerin Dr. Miriam Siebenbürger hat eine neue Methode mitentwickelt, um Glas von Flüssigkeit eind ...
    HZB
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Die verwendeten Modell-Kolloide: etwa 150 Nanometer kleine Partikel in Wasser. Der feste Kern besteht aus dem Kunststoff Polystyrol, die umgebende Schale aus einem thermosensitiven Netzwerk aus Poly(N-isopropyl-acrylamid). Durch Senken der Temperatur lässt sich das Volumen der einzelnen Partikel – und damit auch deren Packungsdichte –erhöhen.


    Zum Download

    x

    Chemikerin Dr. Miriam Siebenbürger hat eine neue Methode mitentwickelt, um Glas von Flüssigkeit eindeutig zu unterscheiden.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).