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20.08.2013 11:17

Facebook-Wahlkampf erreicht Jungwähler in Baden-Württemberg nicht

Florian Klebs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Hohenheim

    Master-Seminar „Politik-Marketing“: Studierende der Universität Hohenheim ermitteln wie Parteien bei „High Potentials“ (Wähler zwischen 17 und 30 Jahren mit höherem Bildungsabschluss) in Baden-Württemberg ankommen

    Facebook, Twitter und Co sind für Wahlkampf-Strategen längst keine Fremdwörter mehr. Doch selbst bei der besonders Internet-affinen Zielgruppe der 17 bis 30-Jährigen mit höherem Bildungsabschluss ist der Wahlkampf 2.0 bisher noch nicht angekommen – so eine überraschende Erkenntnis des Master-Seminars „Politik-Marketing“ an der Universität Hohenheim, das unter der Leitung von Prof. Dr. Markus Voeth stattfand. Neben der Wirkung von Social Media-Auftritten haben die Studierenden untersucht, wie Partei-Slogans, Spitzenkandidaten und Parteien generell bei Wählern ihrer eigenen Generation wahrgenommen werden.

    Sie gelten als die Entscheidungsträger von morgen – doch die Entscheidung zwischen den politischen Parteien fällt jungen Wählern mit höherem Bildungsabschluss in Baden-Württemberg zunehmend schwer.

    „1953 traten gerade einmal 13 Parteien zur Bundestagswahl an. Heute sind es 34. Ein unverwechselbares Profil zu entwickeln und bei der jungen Generation zu punkten wird für alle Parteien immer schwieriger“, attestiert Prof. Dr. Voeth vom Lehrstuhl Marketing I an der Universität Hohenheim. „Eine weitere Herausforderung ist die sinkende Parteienbindung. Den großen Volksparteien laufen die Mitglieder davon und immer mehr Menschen entscheiden sich erst sehr kurzfristig anhand von Medienberichten für eine bestimmte Partei.“

    Marketing werde für die politischen Parteien daher immer wichtiger. Grund genug für den Hohenheimer Experten das Thema auf den Stundenplan zu setzen. Innerhalb des Master-Seminars „Politik-Marketing“ befragten die Studierenden insgesamt 814 Probanden zu Social Media-Auftritten, Claims, aber auch zur allgemeinen Wahrnehmung von Parteien und Spitzenkandidaten.

    Im Fokus des Interesses standen Wähler zwischen 17 und 30 Jahren mit Abitur oder Hochschulabschluss. „Diese Gruppe der sogenannten ‚High Potentials’ ist für alle Parteien besonders interessant, da diese Gruppe die Stammwähler und Meinungsführer von morgen sind“, so Prof. Dr. Voeth.

    Social Media-Angebote der Parteien sind Jungwählern kaum bekannt

    Inzwischen ist nicht mehr das Fernsehen (82 %) oder die Zeitung (51 %), sondern vor allem das Internet (85 %) für die befragte Zielgruppe Medium Nummer eins, wenn es darum geht sich über politische Ereignisse zu informieren. Umso überraschter waren Studierende und Dozenten am Marketing-Lehrstuhl darüber, dass Social Medial-Auftritte der Parteien auf Facebook oder Twitter unter den Befragten bisher noch kaum bekannt sind.

    Auf einer Skala zwischen 1 („kenne ich überhaupt nicht“) bis 7 („kenne ich sehr gut“) wurden die Auftritte aller Parteien mit Durchschnittswerten zwischen 1,4 (Die Linke) und 2,33 (CDU) bewertet. Die Piratenpartei ist hier keine Ausnahme. Zwar glauben die meisten Probanden, dass die Piratenpartei die größte Affinität zu sozialen Medien aufweist, tatsächlich bekannt ist deren Web 2.0-Angebot mit einem Durchschnittswert von 1,52 jedoch nur einer Minderheit.

    Bittet man die Probanden sich die Facebook- und Twitter-Angebote der Parteien anzusehen, fällt das anschließende Urteil hingegen gar nicht so schlecht aus. Die höchste Kompetenz für Soziale Medien wird nach dem Betrachten aller Angebote der Piratenpartei bescheinigt. Auf einer Skala von 1 („trifft überhaupt nicht zu“) und 7 („trifft voll zu“) erzielt sie den Wert 5,2, gefolgt von den Grünen (4,51) sowie CDU, FDP und SPD mit einem Wert von jeweils 4,3. Die Linke erreicht in der Zielgruppe einen Wert von 3,7. Generell wurde besonders die Aktualität der Facebook- und Twitter-Angebote aller größeren Parteien von den Probanden als positiv empfunden.

    „Es ist den Parteien noch nicht gelungen die Chancen dieser Medien analog zum amerikanischen Wahlkampf zu nutzen“, wertet Prof. Dr. Voeth das Ergebnis. „Hier verschenkten alle Parteien viel Potenzial mögliche Wähler mit aktuellen Informationen zu erreichen.“

    Allgemein-Kompetenz: SPD in strategisch ungünstiger Lage

    Je größer das Angebot und je geringer der Anteil der Stammkundschaft, desto wichtiger sind neben der Qualität auch Wiedererkennungswert und Unverwechselbarkeit eines bestimmten Angebots. Diese goldene Marketing-Regel gilt auch für die Parteien im Bundestagswahlkampf. Wie es um das besondere Profil der Parteien in der Wahrnehmung von jungen Wählern in Baden-Württemberg steht, haben Studierende des Seminars „Politik-Marketing“ ebenfalls untersucht. Hierfür wurden komplexe multivariate Marktforschungsmethoden wie Multidimensionale Skalierung und Clusteranalyse eingesetzt.

    Die Auswertung zeige, dass sich insbesondere die SPD in einer strategisch ungünstigen Lage befinde, so das Team um Prof. Dr. Voeth. Zwar werde die Partei von den Probanden in fast allen relevanten politischen Feldern (Euro- und Finanzkrise, Familien- und Bildungspolitik, etc.) als kompetent eingeschätzt – allerdings nicht als führend. Genau dieser Umstand könnte den Genossen zum Verhängnis werden.

    „Das Problem der SPD besteht darin, dass sie kein Thema alleine oder am stärksten besetzt – in vielen Bereichen also nicht den ersten Platz, sondern nur den zweiten Platz belegt und sich damit schwer tut einen klar umrissenen komparativen Konkurrenzvorteil gegenüber anderen Parteien aufzubauen“, erklärt Prof. Dr. Voeth. So zeige die Analyse, dass die CDU von den Befragten besonders mit den Themen Europa und Finanzkrise in Verbindung gebracht werde, die Grünen stehen für Migrationspolitik, Energiewende und Bildungspolitik, die Linken werden mit Mindestlohn und die FDP mit Steuerentlastung für den Mittelstand in Verbindung gebracht. Die SPD werde hingegen mit allen politischen Themen ein wenig assoziiert und wirke daher ohne scharfes Profil. Marketing-Strategen sprechen hier vom Phänomen des „stuck in the middle“.

    Der Partei-Claim der SPD kann diesem Dilemma nicht wirklich entgegenwirken, so das Ergebnis der Befragung. Der SPD-Slogan „Das WIR gewinnt“ wirkte im Vergleich aller Partei-Claims zwar am sympathischsten auf die Umfrageteilnehmer. Fragt man dagegen, wie gut der Claim zur SPD passt, schneidet er lediglich mittelmäßig ab. Auf einer Skala von 1 („eher unpassend“) bis 5 („eher passend“) erhält er den Wert 3,45. Den besten Fit erzielten die Grünen mit dem Claim „Deutschland ist erneuerbar“ (4,37), gefolgt von den Piraten mit „Klarmachen zum Ändern“ (4,17) und der Partei AfD (Alternative für Deutschland) mit dem Claim „Wählen Sie die Alternative“ (3,99).

    „Auffällig ist, dass sehr allgemeine Statements oder Worthülsen generell als weniger passend bewertet werden als Claims, die direkt mit den Parteiinhalten in Zusammenhang stehen“, so der Marketing-Experte.

    Der ideale Spitzenkandidat

    Was den idealen Spitzenkandidaten betrifft zeigen sich die High Potentials in Baden-Württemberg offen. Dem Großteil der Probanden kommt es tendenziell weniger auf Kriterien wie Familienstand, Kinderanzahl oder Religionszugehörigkeit bei Spitzenpolitikern an. Der ideale Spitzenkandidat sollte aus Sicht der Befragten jedoch mindestens zwei Sprachen sprechen, einen Universitätsabschluss besitzen und zwischen 41 und 50 Jahre alt sein.

    Charaktereigenschaften, die von den Teilnehmern als besonders erstrebenswert erachtet werden sind darüber hinaus z.B. Führungsstärke, fachliche Kompetenz, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit oder Professionalität. Hingegen spielen Eigenschaften wie z.B. Modebewusstsein, Coolness, Attraktivität oder Sportlichkeit nur eine untergeordnete Rolle.

    Im Hinblick auf subjektive Charaktereigenschaften kommt Angela Merkel dem Idealbild aus Sicht der Probanden am nächsten. Die CDU-Politikerin schneidet in fast allen Punkten besser ab als die übrigen Spitzenpolitiker. Dies gilt insbesondere in Bereichen wie Professionalität, Durchsetzungsfähigkeit und Führungsstärke sowie Sympathie.

    Spitzenkandidaten der anderen Parteien punkten dagegen nur vereinzelt, mit weniger Vorsprung oder bei Eigenschaften, die generell als weniger wichtig angesehen werden. So gilt Jürgen Trittin bei den Jungwählern in Baden-Württemberg als besonders naturverbunden, Gregor Gysi als besonders wortgewandt, Horst Seehofer als besonders traditionell und Peer Steinbrück als etwas entscheidungsfreudiger als seine Mitbewerber. Der FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle sticht im Vergleich bei keiner der abgefragten Charaktereigenschaften heraus.

    Hintergrund „High Potentials“

    Die Zielgruppe der „High Potentials“ in Baden-Württemberg interessiert sich generell mittelmäßig für Politik. Auf einer Skala von 1 („gar nicht interessiert“) bis 7 („sehr stark interessiert“) lag der Wert bei 4,55.

    32,4 % gaben an Stammwähler einer Partei zu sein. 56,5 % Prozent bezeichnen sich selbst als Wechselwähler. Die Sonntagsfrage „Wen würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre?“ beantworten die Teilnehmer wie folgt:

    CDU/CSU: 37,5 %
    Bündnis 90/Die Grünen: 19,7 %
    SPD: 17,8 %
    Piratenpartei: 2,9 %
    FDP: 2,7 %
    Die Linke: 2,2 %
    AfD: 2 %
    Andere: 1,4 %
    (Keine Angabe: 9,2 %)

    Die online-gestützte Befragung fand im Zeitraum vom 27.05. bis 16.06.2013 im Rahmen eines Master-Seminars zum Thema „Politik-Marketing“ statt. Befragt wurden 814 Personen zwischen 17-30 Jahren mit Abitur oder Hochschulabschluss in Baden-Württemberg. Die Stichprobe ist dabei hinsichtlich des Kriteriums Alter repräsentativ gezogen worden.

    Kontakt für Medien:
    Prof. Dr. Markus Voeth, Universität Hohenheim, Fachgebiet BWL insb. Marketing I
    Tel.: 0711/459 22925, E-Mail: voeth@uni-hohenheim.de

    Text: Leonhardmair


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Psychologie
    regional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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