Bildungsforscher aus Konstanz und Kreuzlingen untersuchen die angebliche Angst von Schülerinnen in Mathematik
Mädchen sind in mathematikintensiven Berufsfeldern immer noch unterrepräsentiert. Dies könnte unter anderem mit dem Vorurteil zusammenhängen, dass Schülerinnen im Fach Mathematik ängstlicher und gehemmter seien als ihre Mitschüler. Die empirischen Bildungsforscher Prof. Dr. Thomas Götz und Madeleine Bieg von der Universität Konstanz sowie der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG) und Kollegen der LMU München, der HU Berlin und der McGill University in Montreal machten auf ein Problem bisher existierender Studien aufmerksam:
Dort wurden die Schülerinnen und Schüler außerhalb des eigentlichen Unterrichts nach der generellen Einschätzung ihrer Mathematikangst befragt, aber nicht während Mathetests und mitten im Unterricht – die Studien klammern somit das tatsächliche Befinden bei Prüfungen und im Mathematikunterricht aus. Anders als in bisherigen bildungswissenschaftlichen Studien blickten die Wissenschaftler mitten in den Mathematikunterricht hinein und erforschten das Befinden von rund 700 Schülerinnen und Schülern in der tatsächlichen Unterrichtssituation. Ihr Ergebnis: Schülerinnen schätzen sich zwar ängstlicher und weniger selbstsicher ein als Schüler, sind es in der konkreten Unterrichts- und Prüfungssituation faktisch gesehen aber nicht. Die detaillierten Ergebnisse der Studien werden am Mittwoch, 28. August 2013, in der Zeitschrift „Psychological Science“ veröffentlicht.
Im Rahmen zweier Studien befragten die Forscher rund 700 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 5 bis 11, wobei sich eine Studie auf Mathe-Prüfungsangst und die andere auf Mathe-Unterrichtsangst bezog. In Studie 1 wurden sie zum einen nach einer allgemeinen Einschätzung ihrer Angst vor Mathe-Prüfungen befragt, zum anderen unmittelbar vor und während einer Matheprüfung zu ihrer aktuellen Angst. In Studie 2 wurden sie nach einer allgemeinen Einschätzung ihrer Angst im Mathematikunterricht gefragt sowie mehrmals zu ihrer aktuellen Angst während des Mathematikunterrichts mittels eines kleinen Handcomputers.
Die Auswertung der Studien zeichnet ein deutliches Bild: Bei der generellen Befragung schätzen die Schülerinnen entsprechend der Geschlechterklischees ihre Mathematikangst höher ein als ihre Mitschüler – und das trotz gleicher Noten. Die Befragungen während des Mathetests und mitten in der Mathematikstunde zeigten jedoch, dass sich Schülerinnen in der tatsächlichen Prüfungs- bzw. Unterrichtssituation keineswegs ängstlicher fühlen als Schüler. Die durchgeführten Studien konnten auch zeigen, dass ein Grund für die Diskrepanz der Einschätzungen beim durchschnittlich niedrigeren mathematischen Selbstkonzept von Mädchen zu suchen ist. Schülerinnen werden somit vermutlich vielmehr durch Geschlechterklischees und Stereotype als aufgrund tatsächlicher Leistung dazu gebracht, ihre Fähigkeiten in Mathe schlechter einzuschätzen, was zur Folge hat, dass sie ihre Angst im Bereich der Mathematik überbewerten. Die Frage, ob Mädchen also tatsächlich mehr Angst vor Mathe haben, lässt sich entsprechend dieser Forschungsbefunde klar mit „nein“ beantworten – Mädchen denken vielmehr nur, sie hätten mehr Angst. Dies wiederum ist sehr wahrscheinlich ein wichtiger Grund dafür, dass Frauen weniger häufig als Männer in mathematikintensive Berufsfelder gehen.
Originalveröffentlichung:
Goetz, T., Bieg, M., Lüdtke, O., Pekrun, R., & Hall, N. C., (in press). Do girls really experi-ence more anxiety in mathematics? Psychological Science. (http://pss.sagepub.com, ab 28. August 2013)
Kontakt:
Universität Konstanz
Kommunikation und Marketing
Telefon: 07531 / 88-3603
E-Mail: kum@uni-konstanz.de
Prof. Dr. Thomas Götz
Universität Konstanz
Empirische Bildungsforschung
Universitätsstraße 10
78464 Konstanz
Telefon: 07531 / 88-4144
E-Mail: Thomas.Goetz@uni-konstanz.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Mathematik, Pädagogik / Bildung, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Schule und Wissenschaft
Deutsch
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