idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
09.11.2013 15:41

„Die religiöse Dimension ist fast verloren“

Viola van Melis Zentrum für Wissenschaftskommunikation
Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

    Führende Religionssoziologen empfehlen den christlichen Kirchen radikalen Wandel – Symposium zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Karl Gabriel

    Die christlichen Kirchen in Deutschland brauchen nach Einschätzung führender Religionssoziologen einen radikalen Wandel. Sie sollten ihre Religiosität und ihre Strukturen dringend erneuern, andernfalls gehe das Vertrauen der meisten Menschen endgültig verloren, sagten der Sozialethiker Prof. Dr. Karl Gabriel aus Münster und der Soziologe Prof. Dr. Michael Ebertz aus Freiburg am Freitagabend in Münster. Es gehe um eine überzeugendere Glaubensverkündigung und einen Weg „von der Kleriker- zur Laienkirche“. Ebertz sprach von einem „Transformationsprozess, der einer Revolution gleichkommt“. Der Bielefelder Soziologe Prof. Dr. Franz-Xaver Kaufmann fügte hinzu: „In den Kirchen dominieren das Geld und das Recht. Die religiöse Dimension ist fast verloren gegangen.“ Die Wissenschaftler äußerten sich auf einem Symposium zur Zukunft der Kirchen des Centrums für Religion und Moderne (CRM) und des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Uni Münster zum 70. Geburtstag von Prof. Gabriel.

    „Entscheidend wird sein, ob die katholische und die evangelische Kirche ihre religiöse Botschaft künftig so anbieten, dass die Menschen sie als überzeugende Lebensdeutung annehmen“, unterstrich Prof. Gabriel. Das könne im persönlichen Gespräch genauso gelingen wie in der Sonntagspredigt. Der Bochumer Religionswissenschaftler Prof. Dr. Volkhard Krech plädierte für eine Rückbesinnung der evangelischen Kirche „auf ihre Stärken wie rhetorisch überzeugende Predigten und eine theologische Sprache“. Die religiöse Kernaufgabe der Geistlichen solle wieder im Mittelpunkt stehen. „Wenn Pastoren nur Lebensberatung anbieten, ist das ein Ausverkauf.“ Im gesellschaftlichen „Wettbewerb um Lebenswahrheit“ müsse die Kirche ihre christliche Deutungskompetenz gegen „technokratische Irrsinnsfantasien“ verteidigen, so Prof. Krech.

    „Kirche braucht Gewaltenteilung“

    Die katholische Kirche wird sich nach Einschätzung von Prof. Ebertz aus Mangel an Priesternachwuchs „in einem Prozess des radikalen Wandels von einer Priesterkirche zur Laienkirche“ entwickeln. „Wir sind Zeitzeugen des Umbruchs. Was für Protestanten Programm war, ist für Katholiken zum Schicksal geworden: das Priestertum aller Gläubigen.“ Die Laien stehen dem Wissenschaftler zufolge künftig vor der doppelten Herausforderung, innerhalb der Kirche mehr Verantwortung zu übernehmen und außerhalb für ihre Botschaft einzustehen. Dazu seien neue Strukturen nötig: „Wer die Kirchen zukunftsfähig machen will, braucht Gewaltenteilung und synodale Strukturen der Mitverantwortung und Mitwirkung im System.“ Dabei kann die katholische Kirche nach Meinung von Prof. Gabriel von der evangelischen lernen: „Die katholische Priesterkirche ist jetzt mit vielem konfrontiert, etwa mit der zunehmenden Laisierung, womit die evangelische Kirche eine lange Lernerfahrung hat. Deshalb ist ein ökumenischer Dialog wichtig.“

    Von einem „Verfall des Christentums“ lässt sich nach den Worten von Prof. Gabriel trotz steigender Kirchenaustritte und einer sinkenden Gottesdienstteilnahme nicht sprechen. „Das religiös Christliche ist in der Gesellschaft diffus vorhanden. Es ist stärker, als wir zunächst wahrnehmen.“ Für das Verständnis der Gesellschaft werde man auf das Christentum nicht verzichten können. „So viele überzeugende Alternativen zum Angebot der Kirchen gibt es nicht.“ Auch Prof. Kaufmann sagte, „das kollektive Ethos in Deutschland ist deutlich stärker vom Christentum geprägt als in vielen anderen Ländern.“ Zur Tagung „Was wird aus den christlichen Kirchen Deutschlands?“ hatten der Exzellenzcluster und das CRM eingeladen. (ska/vvm)


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/2013/nov/PM_Zukunft_de...


    Bilder

    Prof. Dr. Franz-Xaver Kaufmann, Prof. Dr. Karl Gabriel, Prof. Dr. Michael Ebertz, Prof. Dr. Detlef Pollack, Prof. Dr. Gerhard Wegner (v.r.)
    Prof. Dr. Franz-Xaver Kaufmann, Prof. Dr. Karl Gabriel, Prof. Dr. Michael Ebertz, Prof. Dr. Detlef P ...
    Exzellenzcluster „Religion und Politik“, Brigitte Heeke
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Franz-Xaver Kaufmann, Prof. Dr. Karl Gabriel, Prof. Dr. Michael Ebertz, Prof. Dr. Detlef Pollack, Prof. Dr. Gerhard Wegner (v.r.)


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).