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30.12.2002 12:32

Knapp am Nobelpreis vorbei

Viola Naerdemann Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Als in diesem Jahr die Gewinner des Nobelpreises für Chemie bekannt gegeben wurden, sorgte die Entscheidung des Komitees für Verwunderung unter Wissenschaftlern. Ausgezeichnet wurde unter anderem der Japaner Koichi Tanaka für seine Verdienste um die Entwicklung einer massenspektrometrischen Methode für die Identifikation von biologischen Makromolekülen. Dass Tanaka der Erste war, der - mit allerdings nur wenigen Monaten Vorsprung - mit Hilfe von Laserdesorptions-Massenspektrometrie große Proteine nachweisen konnte, ist unbestritten. Sein Verfahren, das auf einer Vermischung von Analytmolekülen mit Glycerol und Laserlicht absorbierenden "Nanopartikeln" beruht, wird jedoch in der Praxis nicht genutzt. Ganz im Gegensatz zur MALDI-MS, einem Verfahren, das bereits vor gut 15 Jahren von Prof. Dr. Franz Hillenkamp vom Institut für Medizinische Physik und Biophysik der Universität Münster entwickelt wurde. MALDI-MS, die "Matrix-unterstützte Laserdesorptions/Ionisations-Massenspektrometrie", bei der mittels eines Lasers die zu untersuchende Probe schlagartig "verdampft" wird, ist gegenüber der Tanaka-Methode wesentlich empfindlicher und einfacher zu bedienen. Normalerweise werden biologische Makromoleküle - beispielsweise im Körper - in einer wässrigen Lösung stabilisiert. Zur Untersuchung in einem Massenspektrometer dagegen ist ein Vakuum notwendig. "Das Problem besteht darin, die Moleküle zu vereinzeln, mit Ladung zu befrachten und dann intakt in das Vakuum zu überführen", erklärt Hillenkamp. Dazu nutzten er und Mitentdecker Prof. Dr. Michael Karas, der inzwischen in Frankfurt lehrt, spezielle chemische Matrices. Zum Nachweis werden die zu untersuchenden Biomakromoleküle zunächst mit Wasser stark verdünnt und dann mit einer konzentrierten Matrixlösung gemischt. Danach wird die Mischung getrocknet. An Stelle des Wassers umhüllt nun die Matrix die isolierten Analytmoleküle. Als Matrices werden beispielsweise verschiedene Benzolabkömmlinge eingesetzt, je nachdem, ob Peptide, große Proteine, DNA oder Kohlenhydrate untersucht werden sollen. Würden nur die Makromoleküle an sich verdampft, würden sie in viele Bruchstücke zerfallen und könnten nicht mehr identifiziert werden.

    "Wichtig ist daher, dass sich die Matrix sehr schnell aufheizen und verdampfen lässt", erläutert Hillenkamp. Dies geschieht durch den nur eine Milliardstel Sekunde langen Laserblitz, der auch dafür sorgt, dass die Moleküle ionisiert, das heißt, elektrisch aufgeladen werden. Im Flugzeitmassenspektrometer werden sie dann durch ein etwa zwei Meter langes Flugrohr beschleunigt und dabei ihre Flugzeit gemessen. "Die Flugzeit kann direkt in die Molekülmasse umgerechnet werden. So können wir das Molekül anhand des Gewichts identifizieren", so Hillenkamp.

    Doch so simpel, wie sich die Methode anhört, ist sie nicht, denn alle Vorgänge spielen sich in unfassbar kleinen Dimensionen ab. Beispielsweise beträgt die Masse selbst der größten nachweisbaren Biomoleküle weniger als ein Milliardstel eines Milliardstel Gramms und die Flugzeiten im Massenspektrometer nur wenige Mikrosekunden. Ohne die Entwicklung schneller digitaler Elektronik und des Einsatzes von Computern wären solche Einheiten nicht zu messen. Zum anderen mussten Hillenkamp und Karas lange experimentieren, um zu ergründen, welche Substanzen die benötigten Matrixeigenschaften mitbringen und welche Lasereigenschaften für eine sanfte Desorption und Ionisation notwendig sind.

    Mit MALDI-MS lassen sich inzwischen Moleküle nachweisen, die bis zu einer Million Masseneinheiten groß sind. Erstmals konnten so auch Nukleinsäureketten mit mehr als 2000 Basenpaaren untersucht und damit die Analyse des Erbgutes weiter verbessert werden. Eines der Haupteinsatzgebiete ist zur Zeit aber die so genannte "Proteomik" zur schnellen Identifizierung unbekannter Proteine. Im Vergleich hierzu liegt die Obergrenze der Tanaka-Methode bei rund 30000 Masseneinheiten für Proteine, bei gleichzeitig viel höherem Bedarf an Probenmenge, und niedriger für andere Biomolekülklassen. MALDI-MS-Geräte werden inzwischen in zahllosen Laboratorien weltweit vielseitig eingesetzt.

    Hillenkamp neidet Tanaka den Nobelpreis nicht, auch wenn er von vielen Kollegen gefragt wurde, warum nicht er und Karas ausgezeichnet wurden: "Das Nobelpreis-Komitee sucht immer nach dem einen Genie, dem über Nacht die Erleuchtung kommt. Aber Wissenschaft funktioniert in aller Regel nur stufenweise. Es war ein langer Weg voller Experimente und Sackgassen, bis MALDI-MS wirklich funktioniert hat."


    Bilder

    Prof. Dr. Franz Hillenkamp (links) und Prof. Dr. Michael Karas vor dem ersten MALDI-MS
    Prof. Dr. Franz Hillenkamp (links) und Prof. Dr. Michael Karas vor dem ersten MALDI-MS

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie
    überregional
    Personalia, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Franz Hillenkamp (links) und Prof. Dr. Michael Karas vor dem ersten MALDI-MS


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