Patient ist wohlauf und verlässt demnächst die Klinik / Herzunterstützungssysteme gewinnen angesichts fehlender Spenderorgane immer mehr an Bedeutung
In der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wurde das weltweit erste Kunstherz des Typs „Heartmate III“ erfolgreich implantiert. Dem Patienten, einem 56-jährigen Mann aus Hessen, geht es sehr gut. Er verlässt in einigen Tagen die Klinik. Ein Kunstherz ist kein Ersatz für das Herz, sondern ein mechanisches Gerät, das hilft, das Blut durch den Körper zu pumpen, wenn das eigene Herz zu schwach ist. Die MHH ist eines der größten Zentren Europas, die Herzunterstützungssysteme einsetzen. Seit 2004 hat die MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie rund 500 Patienten mit einem Kunstherz versorgt. Das neue Kunstherzsystem „Heartmate III“ ist kleiner und technisch versierter als das Vorgängermodell.
Zur Kurz- und Dauertherapie geeignet
Die Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten Erkrankungen in der westlichen Welt. Ist die Krankheit fortgeschritten, stellt in vielen Fällen eine Herztransplantation die einzige Überlebensmöglichkeit dar. Ein Kunstherz kann diesen Patienten helfen, die Wartezeit auf ein Spenderherz zu überbrücken. „Das Gerät, ein Linksherzunterstützungssystem (LVAD, Left Ventricular Assist Device), wird direkt in das Herz des Patienten implantiert und übernimmt die Pumpleistung der geschwächten linken Herzkammer. Es sorgt so dafür, dass das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge durch den Körper gepumpt wird“, erklärt Privatdozent (PD) Dr. Jan Schmitto, Oberarzt und Bereichsleiter Herzunterstützungssysteme und Herztransplantation an der MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie (Direktor: Prof. Dr. Dr. Axel Haverich). Ein Kabel verbindet das Kunstherz mit der Steuerelektronik und den Batterien, die der Patient außerhalb des Körpers trägt. Ein solches Kunstherz eignet sich aber nicht nur für Patienten, die auf eine Transplantation warten. „Wir setzen es auch zur Dauertherapie von Patienten ein, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustands nicht transplantiert werden können“, sagt Dr. Schmitto. Es gibt bereits Menschen, die viele Jahre mit einem Kunstherzen leben. Den „Europa-Rekord“ hält ebenfalls ein MHH-Patient aus der Region Hannover, er lebt seit fast neun Jahren mit einem herzunterstützenden System, dem Vorgängermodell „Heartmate II“.
„Es kann nur besser werden“
Kurt-Josef M. leidet seit 2001 an einer schweren Herzinsuffizienz. Die Pumpleistung seines Herzens betrug zeitweise nur noch 13 Prozent. Ihm wurde ein Defibrillator implantiert. Durch die Therapie mit Medikamenten wurde seine Herzleistung auf etwa 15 bis 20 Prozent gehalten. Zu wenig, um ein normales Leben zu führen. Der 56-jährige Mann aus Hessen litt an schwerer Luftnot und Erstickungsanfällen und konnte kaum noch laufen. In den vergangenen drei Jahren wurden seine Beschwerden immer schlimmer. „Es war eine Lebenssituation, die auch psychisch schwer zu ertragen war und die ganze Familie sehr belastete“, erinnert sich Kurt-Josef M. Im Frühjahr dieses Jahres gab es für ihn nur noch die Möglichkeit einer Herztransplantation oder – um die Zeit bis zur Transplantation zu überbrücken – der Implantation eines Kunstherzens. Am 25. Juni war es dann soweit. Dr. Schmitto und sein Team setzten Kurt-Josef M. das weltweit erste Linksherzunterstützungssystem „Heartmate III“ ein. Seit einer Woche ist der Patient wieder auf den Beinen. „Ich fühle mich operationsbedingt zwar noch etwas schwach, aber ich verspüre jetzt schon eine deutliche Verbesserung, besonders beim Atmen“, sagt Kurt-Josef M., der in den nächsten Tagen die Klinik verlässt und dann eine Reha beginnt. „Ich kann jedem Betroffenen, der vor der Entscheidung steht, nur zu dem Schritt nach vorn raten. Es kann nur besser werden.“
Das kann Jörg Böckelmann nur bestätigen. Der 54-Jährige aus Bockenem trägt seit fast zweieinhalb Jahren ein Kunstherz. „Es geht mir den Umständen entsprechend sehr gut. Ich habe vor der OP nicht damit gerechnet, jemals wieder so viel Lebensqualität zu haben“, sagt Böckelmann. Er arbeitet mittlerweile wieder halbtags in der Pflegedienstleitung eines Krankenhauses und engagiert sich bei „Pulslos Leben e.V.“, einem Verein zur Unterstützung von Kunstherz-Patienten.
Technische Verbesserungen bringen Vorteile für Patienten
Es gibt unterschiedliche Herzunterstützungssysteme verschiedener Hersteller. In Deutschland werden jährlich rund 1000 Menschen mit einem Kunstherzen versorgt, etwa 100 davon an der MHH. Die beiden am häufigsten implantierten Geräte sind das HVAD der Firma Heartware sowie das weltweit am weitesten verbreitete Modell „Heartmate II“ der Firma Thoratec. In Deutschland wurde dieses Gerät mehr als 1.400 Patienten implantiert, weltweit sind es etwa 17.000. Das Nachfolgemodell „Heartmate III“, das im Rahmen einer klinischen Studie auch Kurt-Josef M. eingesetzt wurde, ist kleiner und technisch versierter. „Es ist einfacher zu implantieren und hat einige Eigenschaften, die das Risiko für Komplikationen bei den Patienten verringern“, sagt Dr. Schmitto. Das betrifft vor allem die Verträglichkeit mit dem Blut im menschlichen Körper. So verfügt das neue Gerät beispielsweise über speziell bearbeitete Oberflächen, die weniger Gerinnselbildung zulassen. Außerdem wird die Position des Pumpenrotors, der in einem Magnetfeld quasi schwebt, ständig von außen magnetisch korrigiert. „Das hat den Vorteil, dass es bei dieser neuartigen Herzunterstützungspumpe keinerlei Verschleißerscheinungen gibt und zudem die Komplikationsraten deutlich reduziert werden können“, erklärt Professor Dr. Axel Haverich, Direktor der MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie. Einen weiteren Pluspunkt sieht der Herzchirurg darin, dass mit „Heartmate III“ ein künstlicher Puls erzeugt werden kann. Durch diese Funktion kann das Thrombose-Risiko vermindert werden. Das „Heartmate III“ erbringt eine Pumpleistung von bis zu zehn Litern Blut pro Minute, was der vollen Leistung eines gesunden Herzens entspricht.
Mehr Kunstherzen als Herztransplantationen
„Kunstherzsysteme geben den schwer kranken Patienten eine neue Lebensqualität“, sagt Professor Haverich. Angesichts fehlender Spenderorgane gewinnen die Unterstützungssysteme immer mehr an Bedeutung. In Deutschland wurde im vergangenen Jahr lediglich 301 Menschen ein Herz transplantiert. „Der tatsächliche Bedarf an Spenderorganen kann aber bei Weitem nicht gedeckt werden“, betont Professor Haverich. Allein an der MHH standen 2013 mehr als 60 Patienten auf der Warteliste. Für nur 15 von ihnen stand ein adäquates Spenderherz zur Verfügung. „Mit dem Einsatz von Kunstherzen können wir in vielen Fällen verhindern, dass Patienten auf der Warteliste sterben.“ Die Zahl der implantierten Kunstherzen ist mittlerweile viel höher als die der transplantierten Herzen: In der MHH wurden 2013 knapp 100 Kunstherzen eingesetzt.
Weitere Informationen erhalten Sie bei PD Dr. Jan Schmitto, MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie, Telefon (0511) 532-3373, Schmitto.Jan@mh-hannover.de.
Jörg Böckelmann, Professor Dr. Axel Haverich, Patient Kurt-Josef M., den ersten Patienten mit dem H ...
Tom Figiel / MHH
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