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21.07.2014 16:45

Blei in Jagdgeschossen ist verzichtbar − Studie belegt Eignung von Alternativen

Karl-Heinz Karisch Pressestelle des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Forschungsverbund Berlin e.V.

    Eine neue Studie zur Zielballistik bleihaltiger und bleifreier Geschosse zeigt, dass beide Geschossmaterialien gleichermaßen für eine tierschutzgerechte Jagd geeignet sind. Bleifreie Geschosse hinterlassen sogar kleinere Splitterwolken als bleihaltige.

    In einer zielballistischen Untersuchung haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH), des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung Berlin (IZW) und der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) das Verhalten von Projektilen beim Auftreffen, Eindringen oder Durchdringen eines Ziels analysiert. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt im wissenschaftlichen Online-Fachblatt PLOS ONE publiziert. Die Studie erweitert die vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) und vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz in Mecklenburg-Vorpommern geförderten Untersuchungen zur Wirkung insbesondere bleifreier Jagdgeschosse.

    Ein detaillierter Vergleich zeigte, dass sich bleifreie Geschosse in ihrem zielbalistischen Verhalten unterschieden. Eine der bleifreien Geschosskonstruktionen (Deformationsge¬schoss) wies ein zielballistisches Verhalten auf, das dem des bleihaltigen Referenzgeschosses entsprach. Ferner beobachteten die Wissenschaftler, dass beim Beschuss mit bleihaltiger Munition sich hunderte kleinster Bleisplitter ausbreiten, während bei bleifreien Geschossen nur wenige Splitter entstehen.

    Für ihren Versuch verglichen die Wissenschaftler zielballistische Daten von vier handelsüblichen Jagdgeschossen – eines davon mit Bleikern und drei aus homogenen Kupferlegierungen. Die Geschosse wurden mit für den Jagdeinsatz repräsentativen Geschwindigkeiten in je einen Block ballistischer Seife geschossen. Jeder Seifenblock (25 cm x 25 cm x 40 cm; ca. 27 kg Masse) wurde einmal beschossen und mit zwei verschiedenen Messverfahren untersucht. Nach dem Beschuss wurde jeder Seifenblock im Computertomographen (CT) vermessen und mit einer an der RWTH entwickelten Software ausgewertet. Das bildgebende CT-Verfahren erfasst den entstandenen Hohlraum (Schusskanal) und Parameter wie beispielsweise Volumen, Schadenstiefe und Geschossabweichungswinkel. Darüber hinaus können Geschossabsplitterungen gezählt und dreidimensional dargestellt werden. Anschließend wurde jeder Block nach einem üblichen Standardverfahren der Länge nach aufgeschnitten fotografiert und vermessen.
    Die Ergebnisse beider Verfahren wiesen eine hohe Übereinstimmung auf. Das computertomographische Verfahren vermeidet jedoch das aufwendige Zerschneiden des Seifenblockes und liefert zusätzliche Informationen, so dass neue bleifreie Geschosskonstruktionen besser auf ihre jagdliche Verwendbarkeit überprüft werden können.

    Seit der Antike ist die Giftigkeit von Blei bekannt, heute gehört es zu den bekanntesten Umweltschadstoffen. Bleihaltige Munition wirkt sich stark auf Mensch, Tier und Umwelt aus. Zurzeit ist der Eintrag von Blei durch Bleimunition (geschätzt mehrere Tonnen im Jahr) in die Umwelt gewaltig. Es genügen bereits geringe Spuren von Bleiabrieb oder kleine Bleisplitter, um als Gift in Organismen zu wirken. Besonders für Tiere, die am Ende der Nahrungskette stehen, wie beispielsweise Greifvögel und Aasfresser, insbesondere beim Seeadler, gehören Bleivergiftungen zu den häufigsten Todesursachen. Beim Menschen wirken geringe Bleimengen toxisch und können das zentrale Nervensystem schädigen. Insbesondere bei Kindern führt die Aufnahme von Blei zu Entwicklungsstörungen.

    „Die Ergebnisse unserer Studie sind ein weiterer Erkenntnisschritt auf dem Weg zum Verzicht auf Blei in Jagdgeschossen. Dieser Prozess läuft bereits seit über zehn Jahren und wird gemeinsam von Politik, Jägerschaft und Forschungseinrichtungen getragen“, berichtet Carl Gremse; wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde; Fachgebiet Wildbiologie, Wildtiermanagement und Jagdbetriebskunde.

    Die bereitgestellten Forschungsergebnisse bieten eine solide Wissensbasis für politische und für private Entscheidungen hinsichtlich der Verwendung von bleifreier Jagdmunition.

    Publikation:
    Gremse F, Krone O, Thamm M, Kiessling F, Tolba RH, Rieger S, Gremse C (2014): Performance of lead-free versus lead-based hunting ammunition in ballistic soap. PLOS ONE DOI: 10.1371/journal.pone.0102015.
    http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0102015

    Ansprechpartner:
    Carl Gremse
    Prof. Dr. Siegfried Rieger
    Fachgebiet Wildbiologie, Wildtiermanagement & Jagdbetriebskunde (FWWJ)
    Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH)
    Alfred-Möller-Straße 1
    16225 Eberswalde
    Wissenschaftler
    carl.gremse@hnee.de
    Tel. 03334 657196
    Fachgebietsleiter
    siegfried.rieger@hnee.de
    Tel. 03334/657188

    Felix Gremse
    Universitätsklinikums der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH)
    Pauwelsstraße 30
    52074 Aachen
    Wissenschaftler
    fgremse@ukaachen.de
    Tel. 0241/80-80254

    Dr. Oliver Krone
    Steven Seet
    Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)
    Alfred-Kowalke-Str. 17
    10315 Berlin
    Wissenschaftler
    krone@izw-berlin.de
    Tel. 030 51 68 405
    Pressesprecher
    seet@izw-berlin.de
    Tel. 030/51 68 125; Mobil: 0177/857 26 73

    Weitere Experten:
    Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel (Präsident)
    Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
    Alt-Marienfelde 17-21
    12277 Berlin
    Tel. 030/18412-3001

    Malte Eberwein
    Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
    Bundesforst
    Abteilung Produktion, Absatz
    Grellstraße 18 - 24
    10409 Berlin
    Tel. 030/481-636

    Gerhard Adams
    (Regierungsdirektor, Referatsleiter N I 3 "Artenschutz")
    Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
    Stresemannstraße 128-130
    10117 Berlin
    gerhard.adams@bmub.bund.de
    Tel. 030/183050

    Peter Lohner
    Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
    MinR, Referat 533 Nationale Waldpolitik, Jagd
    Rochusstraße 1
    53123 Bonn
    Tel. 0228/99 529-4342

    Tim Scherer (Direktor)
    Schleswig-Holsteinische Landesforsten
    Memellandstr. 15
    24537 Neumünster
    Tel. 04321/55920

    Deutsche Versuchs- und Prüf-Anstalt für Jagd- und Sportwaffen e.V. (DEVA)
    Dune 3
    33184 Altenbeken
    Tel. 05255 - 734
    info@deva-institut.de


    Weitere Informationen:

    http://www.izw-berlin.de


    Bilder

    Deformierendes kupferhaltiges Geschoss (TSX). (A–D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Kleine Fragmente werden durch gelbe Pfeile angezeigt. Keine Splitterwolke vorhanden.
    Deformierendes kupferhaltiges Geschoss (TSX). (A–D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Kle ...
    Foto: Felix Gremse
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    Deformierendes bleihaltiges Geschoss (NVU). (A-D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Splitterwolke deutlich sichtbar.
    Deformierendes bleihaltiges Geschoss (NVU). (A-D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Split ...
    Foto: Felix Gremse
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Medizin, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Deformierendes kupferhaltiges Geschoss (TSX). (A–D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Kleine Fragmente werden durch gelbe Pfeile angezeigt. Keine Splitterwolke vorhanden.


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    Deformierendes bleihaltiges Geschoss (NVU). (A-D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Splitterwolke deutlich sichtbar.


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