Zum 50. Todestag des Antikriegsschriftstellers Wilhelm Lamszus hat der Greifswalder Bildungshistoriker Andreas Pehnke jetzt ein Buch mit Schätzen aus dem Nachlass Lamszus’ herausgegeben. Das Buch mit dem Titel Wilhelm Lamszus: „Begrabt die lächerliche Zwietracht unter euch!“ Erinnerungen eines Schulreformers und Antikriegsschriftstellers (1881 – 1965) erschien jetzt im Sax-Verlag. Das Buch enthält neben Lamszus’ Autobiografie, die als zeitgeschichtliche Quelle und als Dokument eines Lebens für die Friedens- und Reformpädagogik von hohem dokumentarischen Interesse ist, auch dessen letzten Antikriegstext, das bislang unveröffentlichte Drama „Der Präsident wollte auf den Atomknopf drücken“.
Wilhelm Lamszus starb am 18. Januar 1965 im Alter von 83 Jahren in Hamburg. Als Volksschullehrer schrieb er über ein halbes Jahrhundert gegen die Hölle „moderner“ Kriege an und engagierte sich für Frieden, Völkerverständigung sowie pädagogischen Fortschritt und ist dennoch weitgehend in Vergessenheit geraten.
Lamszus hat seine Biografie mit einer Sperrfrist von fünf Dekaden nach seinem Tod versehen, der „mitunter sehr privaten Informationen über seine Weggefährten wegen“, die er darin verzeichnete. Das nun vorliegende Drama „Der Präsident wollte auf den Atomknopf drücken“ hat Lamszus in seinen letzten Lebensmonaten Mitte 1964 aus der bedrohlichen Situation der Kubakrise heraus verfasst. Darin thematisiert er unter anderem den Vietnamkrieg der USA, der erst einen Monat nach Lamszus' Tod traurige Wirklichkeit werden sollte. „Für mich als Wissenschaftler sind es vor allem die prophetischen Qualitäten und die Sprachkraft der Antikriegstexte von Lamszus, mich mit ihnen als leider noch immer brennend aktueller Literatur zu befassen“, so der Greifswalder Lamszus-Biograf Andreas Pehnke, der das Buch eingeleitet und erläutert hat.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts engagierte sich der 1881 in Altona geborene Wilhelm Lamszus für die Reform des Deutschunterrichts und profilierte sich seit 1920 zum kreativen Versuchsschullehrer im Hamburger Arbeiterviertel Barmbek. Noch viel größere Aufmerksamkeit erlangte Lamszus als Autor massenwirksamer Antikriegsliteratur, als noch kein großer Dichter seiner Zeit gegen die Gefahr des drohenden Ersten Weltkrieges schrieb. Sein Roman, seine Prophezeiung „Das Menschenschlachthaus – Bilder vom kommenden Krieg“, die im Sommer 1912 im Alfred Janssen Verlag (Hamburg & Berlin) herauskam, avancierte in der deutschen Literaturgeschichte zum einzigen Versuch, einen zukünftigen Krieg auf der Basis der technolo-gischen Veränderungen seit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zu imaginieren. Erschreckend plastisch schildert Lamszus die Anonymität einer gewaltigen Tötungsmaschinerie mit ihren enormen Zerstörungskapazitäten und entwirft klarsichtig das Bild eines Grabenkrieges mit starren Fronten und Minenfeldern. Über allem aber steht in diesem Roman aber noch die Hoffnung, die große Katastrophe lasse sich abwenden, den Krieg verhindern.
„Das Menschenschlachthaus“ erzählt das Schicksal eines jungen Familienvaters, der begeistert gegen den sogenannten Erbfeind Frankreich ins Feld zieht. An der Front sieht sich der namenlose Protagonist erstmals mit dem Tod, der Vernichtung konfrontiert. Der Protagonist erlebt den Einsatz neuer Waffen: Maschinengewehre und Landminen. Am Ende begeht der Protagonist als einziger Überlebender in seinem Frontabschnitt in einer als Versöhnungsvision endenden apokalyptischen Szene des Sterbens Selbstmord und wird im Massengrab verscharrt.
Lamszus' literarisches Opus magnum erreicht noch im Vorfeld des Ersten Weltkrieges 70 Auflagen, nach drei Monaten sind 100.000 Exemplare verkauft und es erscheint in neun Übersetzungen. Nach diesem Erfolg schreibt Lamszus über ein halbes Jahrhundert gegen die Hölle des Krieges an. Seine Fremdenlegionserzählung „Der verlorene Sohn“ (1914), der zweite Teil des „Menschenschlachthauses“, der 1914 zensurbedingt nicht mehr erscheinen konnte und 1919 als „Das Irrenhaus“ veröffentlicht wurde, sein Gedichtband „Der Leichenhügel“ (1921), seine Mitarbeit an der Schrift „Fluch den Waffen“ (1923), sein Theaterstück „Giftgas“ (1925), seine Antikriegsschrift „Giftgas über uns“ (1932) zur Giftgas- und Bombenkriegsproblematik und seine geistige Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, die der von den Nazis sogleich aus dem Schuldienst entfernte sowie mit Berufs- sowie Schreibverbot belegte Lamszus erst 1946 als „Der große Totentanz“ publizieren konnte, verraten bereits im Titel sein konsequentes Engagement für eine Entromantisierung von Krieg und Gewaltherrschaft.
Die Zuspitzung des Kalten Krieges im Zuge der Wiederbewaffnung nach dem Zweiten Weltkrieg ließ für Persönlichkeiten wie Lamszus, die an einer konsequenten Friedenspolitik und -erziehung festhielten, wenig Chancen auf Öffentlichkeit bzw. eine hinlänglich angemessene Rezeption ihres Werkes. – Wilhelm Lamszus’ literarisches Werk bleibt als Warnung Mahnung!
Weitere Informationen
Andreas Pehnke (Hg.), Wilhelm Lamszus: „Begrabt die lächerliche Zwietracht unter euch!“ Erinnerungen eines Schulrefor-mers und Antikriegsschriftstellers (1881 – 1965).
Markkleeberg: Sax-Verlag, 2014. – ISBN 978-3-86729-139-2. – 262 S., 19 Abb.; 24,80 Euro
Buchtitel und Porträt von Wilhelm Lamszus
Beide Fotos können für redaktionelle Zwecke im
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Sax-Verlag Markkleeberg angefordert werden.
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Andreas Pehnke
Institut für Erziehungswissenschaft
Franz-Mehring-Straße 47, 17489 Greifswald
Telefon 03834 86-3709
pehnke@uni-greifswald.de
Buchtitel von Wilhelm Lamszus. Foto kann für redaktionelle Zwecke im Zusammenhang mit dieser Pres ...
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Pädagogik / Bildung
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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