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26.10.2015 16:00

Fähigkeit, Körperteile zu regenerieren, könnte der Urzustand aller vierfüßigen Wirbeltiere sein

Dr. Andreas Kunkel Pressestelle
Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung

    Ein Team um Paläontologinnen und Paläontologen des Museums für Naturkunde Berlin, zeigt in einer neuen Studie an fossilen Amphibien des Erdaltertums, dass das herausragende Regenerationsvermögen heutiger Salamander vermutlich ursprünglich für alle Landwirbeltiere ist und erst im Laufe der Evolutionsgeschichte verloren ging.

    Unter den heute lebenden Landwirbeltieren, welche auch Säugetiere und somit uns Menschen einschließen, sind Salamander etwas ganz Besonderes. Denn nur Salamander haben ein ungewöhnlich hohes Regenerationsvermögen und können wiederholt und während ihres ganzen Lebens durch Amputationen oder Verletzungen verlorene Beine, Schwänze und Teile der inneren Organe vollständig regenerieren. Die Mechanismen, die diesem beachtlichen Regenerationsvermögen zugrunde liegen, sind Gegenstand eines großen Forschungsfeldes, angetrieben durch die Hoffnung, die Erkenntnisse zukünftig auch in der Humanmedizin anwenden zu können.

    Salamander unterscheiden sich allerdings nicht nur in dem Regenerationsvermögen ihrer Beine von anderen Landwirbeltieren, sondern auch darin, wie sich ihre Beine initial während der Embryonalentwicklung bilden. Eigentlich folgt die Entwicklung der Beine aller vierfüßigen Wirbeltiere – vom Frosch bis hin zum Menschen – einem sehr konservativen Muster und das trotz der Fülle von Formen und Funktionen die Beine in Wirbeltieren erfüllen.

    „Salamander hingegen bilden ihre Finger in der umgekehrten Reihenfolge wie alle anderen vierfüßigen Wirbeltiere, ein Phänomen was BiologInnen schon seit über hundert Jahren Rätsel aufgibt“ sagt Dr. Nadia Fröbisch, Erstautorin der Studie. „Die Frage die sich uns stellte war, ob und wie dieser andersartige Weg der Beinentwicklung und das hohe Regenerationsvermögen evolutiv miteinander zusammenhängen“.

    Auch das Regenerationsvermögen der Schwänze in Salamandern ist bemerkenswert. „Anders als bei Eidechsen, die ihren Schwanz oft nur ein oder zweimal regenerieren können und ihre Wirbelsäule im Regenerat lediglich durch einen knorpeligen Stab ersetzen, regenerieren Salamander die Wirbelkörper, das Rückenmark und die Muskulatur des Schwanzes“ sagt Dr. Constanze Bickelmann, Co-Autorin der Studie.

    Klassischerweise wurde angenommen, dass das hohe Regenerationsvermögen von Salamandern etwas Besonderes und Salamander-typisches ist. Nun aber werfen neue Daten aus dem Fossilbericht ein neues Licht auf die Evolution des außergewöhnlichen Regenerationsvermögens heutiger Salamander. In ihrer Studie zeigen die AutorInnen anhand von Fossilmaterial verschiedener Amphibiengruppen aus den Erdzeitaltern des oberen Karbon und unteren Perm (ca. 300 Millionen Jahre), dass verschiedene Gruppen vierfüßiger Wirbeltiere in der Lage waren, ihre Beine und Schwänze auf eine Art zu regenerieren, wie sie unter heutigen Wirbeltieren nur von Salamandern bekannt ist.

    „Dabei konnten wir salamanderartiges Regenerationsvermögen sowohl bei fossilen Gruppen nachweisen, die ihre Beine wie die Mehrheit der heute lebenden vierfüßigen Wirbeltiere entwickeln, als auch bei solchen, die ein umgekehrtes Muster der Beinentwicklung wie bei heutigen Salamandern aufweisen.“ sagt Dr. Jennifer Olori von der State University of New York at Oswego, Co-Autorin der Studie.

    Die Fossilien, die der Studie zugrunde liegen, stammen aus Sammlungen verschiedener Naturkundemuseen, darunter auch das Museum für Naturkunde Berlin. „Die Amphibien fossilisierten unter herausragenden Erhaltungsbedingungen und sind durch eine große Anzahl von Individuen aus verschiedenen Entwicklungsstadien belegt“ erklärt Dr. Florian Witzmann, Co-Autor der Studie. „Dieser außerordentliche Fossilbericht hat die detaillierten Studien der Beinentwicklung und Regeneration möglich gemacht“.

    „Der Fossilbericht zeigt, dass die Form der Beinentwicklung moderner Salamander und das hohe Regenerationsvermögen nicht etwa etwas ganz Besonderes für Salamander ist, sondern vielmehr vermutlich der Urzustand für alle Landwirbeltiere darstellt.“ sagt Dr. Nadia Fröbisch. „Die hohe Regenerationsfähigkeit ging dann im Laufe der Evolution der verschiedenen vierfüßigen Landwirbeltiere mindestens einmal, möglicherweise aber auch mehrfach unabhängig voneinander verloren, darunter auch in der Linie zu den Säugetieren.“

    Die neuen Erkenntnisse sind nicht nur überraschend, sondern auch relevant für biomedizinische Studien, in denen es darum geht die molekularen Mechanismen zu entschlüsseln, die die Regeneration in Salamandern koordinieren und könnten eine Hinweis dafür liefern, dass nicht allein Salamander-spezifische Faktoren in der Regeneration eine Rolle spielen, sondern möglicherweise Mechanismen, die alle Landwirbeltiere aufgrund ihrer gemeinsamen Evolutionsgeschichte in sich tragen.

    Veröffentlichung: Der Artikel wird am 26.10.2015 in der Zeitschrift Nature publiziert.

    Kontakt:
    Dr. Nadia Fröbisch, Tel. +49(0)30 2093 70377 Fax. +49(0)30 2093 8914, e-mail nadia.froebisch@mfn-berlin.de; www.naturkundemuseum-berlin.de


    Bilder

    Lebendrekonstruktion des fossilen Amphibs Micromelerpeton. Die Regeneration der Vorderextremität ist in der Sequenz angedeutet und resultiert in einer Hand mit Fehlbildung
    Lebendrekonstruktion des fossilen Amphibs Micromelerpeton. Die Regeneration der Vorderextremität ist ...
    Kalliopi Monoyios – Science Illustration & Communication
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    Exemplar des fossilen Amphibs Sclerocephalus aus der Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin
    Exemplar des fossilen Amphibs Sclerocephalus aus der Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin
    MfN Berlin, Hwa-Ja Götz
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Lebendrekonstruktion des fossilen Amphibs Micromelerpeton. Die Regeneration der Vorderextremität ist in der Sequenz angedeutet und resultiert in einer Hand mit Fehlbildung


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    Exemplar des fossilen Amphibs Sclerocephalus aus der Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin


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