Berlin – Lungenkrebs gehört in Deutschland zu den häufigsten bösartigen Erkrankungen, und bei Männern ist er die häufigste tödliche Krebsform. Beim kleinzelligen Bronchialkarzinom, einer Lungenkrebsvariante mit besonders schnellem Wachstum, kann die Kombination aus einer Strahlen- und Chemotherapie den Tumor am besten zurückdrängen. Neue Studienergebnisse zeigen, dass die Kombination auch bei Patienten jenseits des 70. Lebensjahres häufig vorteilhaft ist. Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) rät wegen der mit der Behandlung verbundenen Risiken allerdings zu einer genauen Auswahl der Patienten.
Das kleinzellige Bronchialkarzinom, auf das etwa 15 Prozent aller Lungenkrebserkrankungen entfallen, wächst so rasch, dass eine Heilung durch eine Operation nur selten möglich ist. „Bei vielen Patienten wird der Tumor jedoch in einem Stadium entdeckt, in dem der Krebs die Lungengrenze noch nicht sichtbar überschritten hat“, sagt Professor Dr. med. Frederik Wenz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Mannheim. In diesem sogenannten „limitierten“ Stadium sei die gleichzeitige Chemo- und Strahlentherapie die derzeit wirkungsvollste Therapie, fügt der DEGRO-Pressesprecher hinzu.
Die Therapie wird älteren Patienten derzeit selten angeboten. Und dies, obwohl sie häufiger am kleinzelligen Bronchialkarzinom leiden als junge Patienten. „Es besteht die Sorge, dass die Patienten ab einem gewissen Alter die Belastungen durch Zytostatika und Strahlen nicht verkraften und vielleicht sogar an den Folgen der Therapie sterben“, sagt Professor Wenz.
Diese Bedenken scheinen in vielen Fällen unbegründet zu sein, wie die Auswertung eines amerikanischen Patientenregisters zeigt. Es umfasst mehr als 8600 Patienten mit kleinzelligem Bronchialkarzinom im limitierten Stadium, die auch nach dem 70. Lebensjahr noch eine kombinierte Radiochemotherapie erhalten hatten. Das erstaunliche Ergebnis: Während die Überlebenszeit von Patienten, die sich nur einer Chemotherapie unterzogen, auf neun Monate begrenzt war, überlebten Patienten, die eine Radiochemotherapie erhalten hatten, im Durchschnitt 15,6 Monate. Wenn Chemo- und thorakale Strahlentherapie gleichzeitig durchgeführt wurden, stieg die Überlebenszeit sogar auf 17 Monate. Nach einer kombinierten Radiochemotherapie waren 22 Prozent der Patienten noch nach drei Jahren am Leben, bei Verzicht auf eine Strahlentherapie waren es nur 6,3 Prozent.
„Die Studie zeigt, dass eine intensivierte Therapie mit simultaner Radiochemotherapie auch für ältere Patienten mit kleinzelligem Lungenkrebs vorteilhaft ist“, meint Professor Dr. med. Martin Stuschke, Direktor der Klinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Essen. Die Angst, dass Patienten im fortgeschrittenen Alter die kombinierte Behandlung nicht mehr verkraften, sei häufig unbegründet, fügt der DEGRO-Experte hinzu. Er verweist auf Fortschritte in der Behandlung. „Nebenwirkungen der Zytostatika können heute besser behandelt werden, und die Dosisverteilungen können mit modernen Bestrahlungstechniken gezielter auf die thorakalen Tumore appliziert werden“, sagt der Experte aus Essen: „Auf Komplikationen können wir heute schneller und effektiver reagieren.“
Die kombinierte Radiochemotherapie könnte für die Mehrzahl der über 70-jährigen Patienten infrage kommen. In der US-Studie waren es 56 Prozent aller Patienten. „Die Behandlung ist jedoch nicht für alle Patienten geeignet“, schränkt Professor Wenz ein: „Bei mehreren Begleiterkrankungen, einem fortgeschrittenen Stadium und vor allem bei einem schlechten Allgemeinzustand raten wir von einer intensivierten Behandlung ab.“ In der letzten Lebensphase, in der sich die Patienten befinden, zähle nicht allein die Zahl der zusätzlichen Lebensmonate. Professor Wenz: „Unser Ziel ist die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten.“
Literatur:
Corso CD, Rutter CE, Park HS, Lester-Coll NH, Kim AW, Wilson LD, Husain ZA, Lilenbaum RC, Yu JB, Decker RH. Role of Chemoradiotherapy in Elderly Patients With Limited-Stage Small-Cell Lung Cancer. J Clin Oncol. 2015 Dec 20;33(36):4240-6. doi: 10.1200/JCO.2015.62.4270. Epub 2015 Oct 19.
PDF zur Studie: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4678178/pdf/zlj4240.pdf
Zur Strahlentherapie:
Die Strahlentherapie ist eine lokale, nicht-invasive, hochpräzise Behandlungsmethode mit hohen Sicherheitsstandards und regelmäßigen Qualitätskontrollen. Bildgebende Verfahren wie die Computer- oder Magnetresonanztomografie ermöglichen eine exakte Ortung des Krankheitsherdes, sodass die Radioonkologen die Strahlen dann zielgenau auf das zu bestrahlende Gewebe lenken können. Umliegendes Gewebe bleibt weitestgehend verschont.
Bei Veröffentlichung Beleg erbeten.
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Dagmar Arnold
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