Düsseldorf – Insgesamt 10 000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan wie Herz, Leber oder Niere. Doch die Zahl der Spender bleibt seit 2013 bei weniger als 900. Nur 3083 Organe wurden im Jahr 2015 transplantiert (1) – damit liegt Deutschland europaweit im unteren Mittelfeld. Im Vorfeld des Tags der Organspende am 4. Juni betont die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) e.V. die Rolle fachlich fundierter, transparenter Information, um mehr Menschen von der Organspende zu überzeugen.
In einer Anhörung vor dem Ausschuss für Gesundheit forderte die AWMF gestern, dass die Nutzung der Daten eines geplanten bundesweiten Transplantationsregisters regelmäßig von unabhängigen wissenschaftlichen Experten evaluiert werden müsse.
Mehr als zwei Drittel der Deutschen wären bereit, ihre Organe nach ihrem Tod zu spenden. Doch nur knapp jeder Dritte dokumentiert dies durch einen Organspendeausweis (2). Ein Grund dafür ist die fehlende Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Thema, mahnt AWMF-Präsident Professor Dr. med. Rolf Kreienberg aus Landshut: „Um Spender zu erreichen und zu gewinnen, muss das Gesundheitssystem verständlich für Bürger, fachlich korrekt und umfassend über das Thema informieren.“ Diese Aufgabe liegt derzeit bei den Krankenkassen. Die Rolle der medizinischen Fachgesellschaften sei es, für eine wissenschaftlich fundierte Grundlage im Umgang mit Spenderorganen zu sorgen.
In Frankreich, Norwegen und Österreich wird jeder Verstorbene zum Spender, sofern er dem nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. Nicht so in Deutschland – hier gilt die Entscheidungslösung: „Wir müssen uns aktiv für eine Organspende entscheiden und dies schriftlich festhalten“, erläutert Professor Dr. rer. biol. hum. Hans-Konrad Selbmann, Schatzmeister der AWMF. „Der offen bekannte Wunsch zu spenden, hilft nicht nur den Menschen, die auf ein Organ warten“, so der Epidemiologe aus Tübingen, „er erleichtert auch den Angehörigen Sterbender die Entscheidung, sollten sie im Todesfall von den Ärzten dazu befragt werden.“ Umso wichtiger sei es, dass die Bevölkerung regelmäßig aufgeklärt werde und Interessierte sich über das Thema Organspende jederzeit niedrigschwellig informieren können.
Seit den Vorfällen um gefälschte Patientenakten für Spenderorgane hat sich im deutschen Transplantationssystem viel getan: Unangemeldete Kontrollen und schärfere Regeln sollen Manipulationen bei der Organvergabe verhindern. Drei Ärzte müssen zustimmen, ehe ein Patient Anspruch auf ein Spenderorgan hat. Vor der Organentnahme müssen zwei fachkundige Ärzte den klinischen Hirntod bestätigen. Zudem arbeitet das Gesundheitsministerium an einem Gesetzentwurf für ein bundesweites Transplantationsregister, das alle transplantationsmedizinischen Daten zentral erheben, speichern und prüfen soll. Dazu fand gestern eine Anhörung im Gesundheitsausschuss statt, bei der die AWMF empfahl, die Qualität des Registers von unabhängigen und unbeteiligten Experten evaluieren zu lassen (3). „Entscheidungen über die wissenschaftliche Nutzung der Registerdaten sollte wiederum der wissenschaftliche Fachbeirat treffen“, führt Professor Selbmann aus.
Dass der aktuelle Regierungsentwurf noch Lücken aufweist, bemängelte die AWMF bereits in einer früheren Stellungnahme (4). Daraufhin ergänzte der Gesetzgeber unter anderem, dass im Beirat des Registers verstärkt Vertreter der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften mitarbeiten werden. „Wir begrüßen es sehr, dass diese grundlegende Forderung der AWMF aufgenommen wurde“, sagt Professor Selbmann. Eine solide wissenschaftliche Basis der Transplantationsmedizin trage auch dazu bei, mehr Bundesbürger vom Sinn der Organspende zu überzeugen, die Spendebereitschaft zu erhöhen und die Zahl der Menschen auf den Wartelisten zu verringern. Zahlreiche Aktionen am Tag der Organspende am 4. Juni informieren darüber, die zentrale Veranstaltung findet in München statt.
Quellen:
(1): Deutsche Stiftung Organspende (DSO)
(2): Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)
(3): Brief der AWMF an den Gesundheitsausschuss: http://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/Medizinische_Versorgung...
(4): AWMF Stellungnahme Transplantationsregistergesetz: http://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/Medizinische_Versorgung...
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Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V. bündelt die Interessen der medizinischen Wissenschaft und trägt sie verstärkt nach außen. Sie handelt dabei im Auftrag ihrer 168 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Gegründet 1962 mit dem Ziel, gemeinsame Interessen stärker gegenüber dem Staat und der ärztlichen Selbstverwaltung zu positionieren, erarbeitet die AWMF seitdem Empfehlungen und Resolutionen und vertritt diese im wissenschaftlichen und politischen Raum. Die AWMF ist Ansprechpartner für gesundheitspolitische Entscheidungsträger, wie den Gemeinsamen Bundesausschuss, und koordiniert die Entwicklung und Aktualisierung medizinisch-wissenschaftlicher Leitlinien in Deutschland. Jede gemeinnützige Fachgesellschaft in Deutschland kann Mitglied werden, sofern sie sich wissenschaftlichen Fragen der Medizin widmet. Die AWMF finanziert sich vorwiegend durch die Beiträge ihrer Mitgliedsgesellschaften und Spenden.
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