idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
15.11.2016 16:24

Direkter Draht zum Experten: Wie Telemedizin die Behandlung des Bluthochdrucks verbessern kann

Stephanie Priester Geschäftsstelle
Deutsche Hochdruckliga

    Berlin/Heidelberg – Viele Menschen mit hohem Blutdruck besitzen ein Messgerät sowie eine Health-App auf ihrem Smartphone und führen so ihr Blutdrucktagebuch. Eine qualifizierte Rückmeldung durch einen Arzt erhalten sie bislang jedoch nicht. Diesen Weg der Behandlungs-Optimierung verspricht das europäische Projekt EUSTAR, das derzeit unter der Schirmherrschaft der European Society of Hypertension (ESH) durchgeführt wird. Dr. Egbert Schulz stellt das Projekt im Rahmen des 40. Wissenschaftlichen Kongresses der Deutschen Hochdruckliga in Berlin vor.

    „Gesundheits-Apps wie beispielsweise „Health Book“ von Apple oder „Watson-Health“ von IBM sind im Prinzip eine gute Sache, weil sie die Bevölkerung für Gesundheitsprobleme sensibilisieren“, sagt Dr. Egbert Schulz, Mitglied der Kommission Telemedizin und E-Health der Deutschen Hochdruckliga und Vorstand des Blutdruckinstituts Göttingen e.V. Bei den Apps bleibe es aber bei der Selbstauskunft, eine individuelle Rückmeldung durch den behandelnden Arzt finde nicht statt. Diese Rückmeldung benötigen allerdings viele Patienten, die wegen eines erhöhten Blutdrucks in ärztlicher Behandlung sind. „Manche Patienten nehmen zum Beispiel mehrere Medikamente ein, ein Selbst-Management durch den Patienten ist im Fall Bluthochdruck nicht empfehlenswert“, sagt Dr. Schulz. Dazu stelle die Therapie zu hohe medizinische Anforderungen an die Kenntnis von Wirkungsweisen und Wechselwirkungen der Medikamente. Bei einer seltenen, aber möglichen Therapieresistenz seien beispielsweise komplexe Medikamentenänderungen notwendig, deren Erfolg oder Misserfolg bei einer Standard-Behandlung sich aber wiederum erst nach dem nächsten Arztkontakt zeige. Man verliert also wichtige Zeit. „Andere Menschen mit sogenannter Weißkittelhypertonie haben sogar nur in der Arztpraxis einen erhöhten Blutdruck“, sagt Dr. Schulz. „Sie benötigen dann meistens keine Medikamente.“

    Neben der ambulanten 24-h-Blutdruckmessung, bei der das Gerät automatisch regelmäßig Tag und Nacht den Blutdruck misst, hat sich die Heim-Selbstmessung als gutes Instrument erwiesen. „Allerdings entsprechen nicht einmal die Hälfte der von den Patienten dokumentierten Werte der Realität. Zudem liegt bei vielen Visiten das Blutdrucktagebuch gar nicht vor.“ Diese Lücke wird nach Schulz durch das Blutdruck-Telemonitoring geschlossen. „Die zahlreichen internationalen Studien zur Blutdruck-Telemetrie belegen den Nutzen als Instrument zur Behandlungsoptimierung und Vermeidung nicht zwingend notwendiger stationärer Aufenthalte.“

    Neben den Patienten, für die eine ärztliche Rückmeldung auf ihre Blutdruckmessung wichtig wäre, wäre es also auch für die Mediziner hilfreich, die Patientenwerte kontinuierlich zu kennen: Schwierig sei die Blutdruckeinstellung beispielsweise bei Jugendlichen mit erhöhtem Blutdruck, Schwangeren, älteren Menschen mit Herzschwäche, in der Dialyse oder nach einem Schlaganfall. „Hier sind wir auf verlässliche Messwerte angewiesen, um kurzfristig reagieren zu können“, sagt Dr. Schulz. Nachdem in einer Pilotstudie der Datenfilter, d.h. ein Benachrichtigungsalgorithmus herausgearbeitet und die Machbarkeit der Methode im Praxisalltag in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt bestätigt werden konnte, gälte es nun, das Blutdruck-Telemonitoring in der Breite in möglichst vielen Indikationen anzuwenden.

    Das EUSTAR-Projekt soll daher jetzt klären, ob das Blutdruck-Telemonitoring die Behandlungsergebnisse verbessern und stationäre Behandlungen verhindern oder reduzieren kann. Die zunächst 50 teilnehmenden ESH-Hypertonie-Exzellenzzentren versorgen ihre Patienten mit einem zertifizierten Blutdruckmessgerät, das die Daten über ein integriertes Modem anonymisiert und, nur einer Gerätenummer zugeordnet, an einen zentralen Server übertragen kann. Dort werden die Blutdruckwerte dann mit den Grenzwerten verglichen, die der behandelnde Arzt gemäß der wissenschaftlich belegten Regeln vorher festgelegt hat. Professor Dr. med. Martin Middeke, Principal Investigator von EUSTAR und Sprecher der Kommission Telemedizin und E-Health der Hochdruckliga erläutert: „Werden die Grenzwerte überschritten, wird eine Benachrichtigung an den behandelnden Arzt ausgelöst.“ Dieser prüfe dann, ob er Kontakt zu seinem Patienten aufnehmen sollte. In der Regel erfolge dies durch einen Anruf aus der Arztpraxis. Eine Benachrichtigung ist laut Professor Middeke auch vorgesehen, wenn der Patient über drei Tage keine Messergebnisse übertragen hat. „Dadurch sollen Systemfehler erkannt und der Patient zur Mitarbeit motiviert werden“, sagt der Experte.

    Alle Daten der Patienten werden an ein EUSTAR-Zentralregister weitergereicht. „Die Auswertung wird später zeigen, ob die Telemetrie tatsächlich die Versorgung der Patienten in der Breite verbessert“, erwartet Dr. Schulz. Um die Privatsphäre gegen Missbrauch zu schützen, werden die Patientendaten vor der Weitergabe anonymisiert. „Die eingesetzten Systeme erfüllen alle Anforderungen des Datenschutzes“ versichert der Experte. Dazu gehört auch, dass die Datenübermittlung an den Arzt verschlüsselt über eine abgesicherte Leitung erfolgt. „Außerhalb der Praxissoftware kursieren keine personifizierten Daten. Erst innerhalb der jeweiligen Praxissoftware werden die anonymisierten Blutdruckwerte wieder mit den persönlichen Patientendaten zusammengeführt. Der Arzt kann also innerhalb des von ihm eingesetzten Praxisverwaltungssystems mit den Telemonitoringdaten arbeiten. Das macht die Methode so praktikabel und innovativ.“ Die EUSTAR-Plattform ist zudem in der Lage, anonymisiert Patientendaten aus dem Praxissystem für spätere Analysen automatisch zu extrahieren, wenn der Arzt beziehungsweise das Zentrum und der Patient an der Studie teilnehmen wollen und dem zustimmen.

    Die Studie ist zunächst auf wenige besonders qualifizierte Behandlungszentren beschränkt. Später soll die Teilnahme allmählich ausgeweitet werden. Die Technik ist soweit ausgereift, dass sie im Prinzip auch für andere Krankheiten genutzt werden könnte. Dr. Schulz betont: „Die Telemedizin soll den Hausarzt nicht ersetzen sondern ihm ein Instrument in die Hand geben, seine Hochdruckpatienten noch besser zu behandeln. Sie könnte eine kostengünstige und effektive Erweiterung der Versorgung darstellen und in den normalen Praxisalltag integriert werden. Die Belastung der Praxis-Ressourcen durch Telemedizin sollte in größeren Studien untersucht werden. Erste kleinere Analysen hatten erfreuliche Ergebnisse gebracht “ Auf dem Kongress der Deutschen Hochdruckliga in Berlin berichten die Experten der Kommission Telemedizin und eHealth der Deutschen Hochdruckliga, in Symposien, was Telemedizin leisten. Zudem gibt es einen Workshop „Hand-on“ zum Thema Blutdruck-Telemonitoring, in dem es um die Anwendung in der Praxis geht.

    Terminhinweis:
    40. Wissenschaftlicher Kongress der Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL® - Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention
    „Hypertonie in Bewegung“
    Termin: 1. bis 3. Dezember 2016 Berlin
    Ort: Maritim Hotel Berlin, Stauffenbergstraße 26, 10785 Berlin

    1.12.2016, 15.00 bis 16:30 Uhr, Raum: Salon London
    Symposium: Antihypertensive Telemedizin
    Vorsitzende: Egbert Schulz (Göttingen), Martin Middeke (München)
    e-Cardiology und antihypertensive Telemedizin
    Martin Middeke (München)
    Interventionelles Telemonitoring – ein effektives Instrument in der Allgemeinmedizin und Nephrologie
    Egbert Schulz (Göttingen)

    2.12.2016, 8.30 bis 10.00 Uhr, Raum Salon Moskau
    Workshop: Blutdruck-Telemonitoring
    Kommission Telemedizin & E-Health
    Vorsitzende: Egbert Schulz (Göttingen), Martin Middeke (München)
    Telemonitoring in der Praxis
    Integration telemedizinischer Daten in Praxisverwaltungssysteme

    2.12.2016, 14:15 bis 15:45 Uhr, Raum Salon Riga
    Symposium: Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in der Hochdruckdiagnostik
    Sektion Hochdruckdiagnostik gemeinsam mit der DGG
    Vorsitzende: Bernd Sanner (Wuppertal), Siegfried Eckert (Bad Oeynhausen)
    Blutdruckmessung bei Kindern
    Martin Hulpke-Wette (Göttingen)
    Geben wir die Blutdruckmessung aus der Hand – wie sinnvoll ist die Telemedizin? Egbert Schulz (Göttingen)
    Neue technische Entwicklungen der Blutdruckmessung
    Martin Middeke (München)
    Herausforderung des Hypertonie-Managements im Alter
    Rupert Püllen (Frankfurt)

    *********************************************
    Pressekontakt für Rückfragen:
    Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL®
    Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention
    Pressestelle
    Stephanie Priester
    priester@medizinkommunikation.org
    Postfach 30 11 20
    70451 Stuttgart
    Tel.: 0711 8931-605
    Fax: 0711 8931-167


    Weitere Informationen:

    http://www.hochdruckliga.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).