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25.11.2016 10:00

Zu viel ist zu viel - Stammzellfaktor Nanog bremst sich selbst

Sonja Opitz, Abteilung Kommunikation
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt

    Der Transkriptionsfaktor Nanog spielt eine entscheidende Rolle bei der Selbsterneuerung von Stammzellen. Unklar war bisher, wie seine Menge in den Zellen geregelt wird. Forscher des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München berichten nun gemeinsam mit Kollegen der ETH Zürich in ‚Cell Systems‘: je mehr Nanog vorhanden ist, desto weniger wird nachproduziert.

    Das Protein Nanog* ist jedem Stammzellforscher ein Begriff, denn es sorgt dafür, dass sich diese Alleskönner immer wieder erneuern. Kontrovers diskutiert wurde bis jetzt, wie die Menge an Nanog in der Zelle kontrolliert wird. „Bisher galt oft das Dogma, dass Nanog sich selbst aktiviert, um die Pluripotenz in embryonalen Stammzellen aufrecht zu erhalten“, erklärt Dr. Carsten Marr. Er leitet die Arbeitsgruppe Quantitative Single Cell Dynamics am Institute of Computational Biology (ICB) des Helmholtz Zentrums München. Zusammen mit Kollegen der ETH Zürich haben er und sein Team einen Algorithmus namens STILT (Stochastic Inference on Lineage Trees) entwickelt, der diese Annahme nun widerlegt.

    Mit STILT werteten die Wissenschaftler (bereits 2015 erhobene) zeitaufgelöste Proteinexpressionsdaten von einzelnen Zellen aus, in denen sich Nanog durch Fusion mit einem Fluoreszenzprotein nachweisen ließ. „Die so gemessene Dynamik von Nanog haben wir mit drei verschiedenen Modellen verglichen. Die Herausforderung war dabei zum einen der quantitative Vergleich der Modelle, zum anderen die Berücksichtigung von Zellteilungen der Stammzellen im Algorithmus “, so Erstautor Justin Feigelman, der als Postdoc vom Helmholtz Zentrum München an die ETH Zürich gewechselt war. „Die Ergebnisse zeigen für Nanog einen sogenannten negativen Feedback-Loop: Das bedeutet je mehr Nanog in den Zellen vorhanden ist, desto weniger wird nachproduziert.“

    Aus dem Rechner in die Petrischale übertragbar

    Um diese Ergebnisse zu überprüfen, berechneten die Wissenschaftler, was passieren würde, wenn sie die Produktion von Nanog in der Petrischale künstlich erhöhen würden. „Tatsächlich konnten wir die von STILT erhobene Hypothese anschließend in einem Zellkultur-Experiment mit erhöhtem Nanog bestätigen“, erklärt Studienleiter Marr.

    Durch ihre Forschung versprechen sich die Wissenschaftler ein besseres Verständnis für die Erneuerung von Stammzellen und hoffen diese dadurch in Zukunft gezielter für medizinische Anwendungen nutzbar machen zu können. „Zudem werden wir STILT in Zukunft auch auf andere zeitaufgelöste Einzelzell-Daten anwenden und dadurch Einsichten in die zugrundeliegenden molekularen Genregulations-Mechanismen erhalten“, erklärt Marr.

    Die Software STILT ist für andere Wissenschaftler frei verfügbar im Netz: www.imsb.ethz.ch/research/claassen/Software/stilt---stochastic-inference-on-lineage-trees.html

    Weitere Informationen

    * Der Name ist abgeleitet von Tír na nÓg, laut einer irischen Sage das „Land der ewigen Jugend“. Nanog ist unter anderem verantwortlich für die Pluripotenz: also die Fähigkeit von Stammzellen, sich in nahezu alle Zelltypen weiterzuentwickeln.

    Hintergrund:
    Die Daten wurden im Rahmen einer bereits veröffentlichten Studie aus dem Jahr 2015 anhand tausender Einzelzellen erhoben (Filipczyk et al., 2015, Nature Cell Biology). Schon damals konnten die Wissenschaftler vom ICB unerwartete Rückschlüsse auf das Regulationsnetzwerk rund um Nanog ziehen. http://www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/2015/pressemitteilung/article/27689/index.html

    Original-Publikation:
    Feigelman, J. et al. (2016): Exact Bayesian lineage tree-based inference identifies Nanog negative autoregulation in mouse embryonic stem cells. Cell Systems, doi: 10.1016/j.cels.2016.11.001
    http://dx.doi.org/10.1016/j.cels.2016.11.001

    Verwandte Artikel:
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    http://www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/2016/pressemitteilung/article/35400/index.html

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    Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören. http://www.helmholtz-muenchen.de

    Das Institut für Computational Biology (ICB) führt datenbasierte Analysen biologischer Systeme durch. Durch die Entwicklung und Anwendung bioinformatischer Methoden werden Modelle zur Beschreibung molekularer Prozesse in biologischen Systemen erarbeitet. Ziel ist es, innovative Konzepte bereitzustellen, um das Verständnis und die Behandlung von Volkskrankheiten zu verbessern. http://www.helmholtz-muenchen.de/icb

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    Ansprechpartner für die Medien:
    Abteilung Kommunikation, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH), Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg - Tel. +49 89 3187 2238 - Fax: +49 89 3187 3324 - E-Mail: presse@helmholtz-muenchen.de

    Fachlicher Ansprechpartner:
    Dr. Carsten Marr, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH), Institute of Computational Biology, Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg - Tel.: +49 89 3187 2158 - E-Mail: carsten.marr@helmholtz-muenchen.de


    Weitere Informationen:

    http://www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/index.html - weitere Meldungen des Helmholtz Zentrums München


    Bilder

    STILT generiert simulierte Proteinexpression sich teilender Zellen basierend auf gemessenen Daten und einem dynamischen Modell.
    STILT generiert simulierte Proteinexpression sich teilender Zellen basierend auf gemessenen Daten un ...
    Quelle: Helmholtz Zentrum München
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    Die Autoren Dr. Justin Feigelman und Dr. Carsten Marr
    Die Autoren Dr. Justin Feigelman und Dr. Carsten Marr
    Quelle: Helmholtz Zentrum München
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    STILT generiert simulierte Proteinexpression sich teilender Zellen basierend auf gemessenen Daten und einem dynamischen Modell.


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