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13.03.2017 11:13

Mit Bierhefe wertvolle Fettsäuren brauen

Dr. Anne Hardy Public Relations und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main

    Forschern der Goethe-Universität Frankfurt ist es gelungen, kurzkettige Fettsäuren mithilfe von Hefen einfach und in großen Mengen aus Zucker oder zuckerhaltigen Abfällen herzustellen. Sie nutzen dazu einen dem Bierbrauen ähnlichen Prozess. Kurzkettige Fettsäuren sind wichtig für die kosmetische und pharmazeutische Industrie, könnten aber auch als neuartige Biokraftstoffe eingesetzt werden.

    FRANKFURT. Kurzkettige Fettsäuren sind wertvolle Bestandteile von Kosmetika, pharmazeutischen Wirkstoffen, antimikrobiellen Substanzen, Aromastoffen oder Seifen. Bisher sind sie nur durch aufwändige Extraktion aus bestimmten Pflanzen wie der Kokosnuss oder chemisch aus Erdöl zu gewinnen. Den Arbeitsgruppen von Prof. Martin Grininger und Prof. Eckhard Boles von der Goethe-Universität Frankfurt ist es gelungen, solche Fettsäuren mithilfe von Hefen einfach und in großen Mengen aus Zucker oder zuckerhaltigen Abfällen in einem dem Bierbrauen ähnlichen Prozess herzustellen.

    Wie die Wissenschaftler in den aktuellen Ausgaben der renommierten Zeitschriften „Nature Chemical Biology“ und „Nature Communications“ mitteilen, sind die kurzkettigen Fettsäuren auch als Vorstufe von Treibstoffen begehrt. „Die neue Technologie kann ein Schlüsselschritt sein, um über Hefen einen alternativen Zugang zu neuartigen Biokraftstoffen zu finden, deren Eigenschaften denen fossiler Kraftstoffe nahezu entsprechen“, erklärt Eckhard Boles vom Institut für Molekulare Biowissenschaften.

    Die von Pflanzen und Tieren produzierten Fettsäuren bestehen zu einem großen Anteil aus Ketten von 18 Kohlenstoffatomen. Sie sind also länger als die gewünschten kurzkettigen Verbindungen. In lebenden Zellen stellen große Proteinkomplexe, die Fettsäuresynthasen, Fettsäuren her. Dabei fügen sie 9 Bausteine aus jeweils 2 Kohlenstoffatomen in einem Prozess aus 8 Zyklen zusammen. Martin Grininger, Lichtenberg-Professor der VolkswagenStiftung an der Goethe-Universität und Forschungsgruppenleiter am Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften (BMLS), war mitbeteiligt an der Aufklärung der dreidimensionalen Struktur der Fettsäuresynthasen. Mit seinem detaillierten Wissen über deren Wirkmechanismus konnte er gezielt in diesen eingreifen.

    „Wir haben zunächst untersucht, wie die Fettsäuresynthase Zyklen zählt, um zu entscheiden, wann die Kette fertig ist. Gefunden haben wir eine Art Lineal, das die Länge der Fettsäure misst“, erklärt Martin Grininger. „Dieses Lineal haben wir so verändert, dass die Fettsäuresynthase sich vermisst und kürzere Ketten frei setzt. Das alles geschah zunächst am Computer und im Reagenzglas“.

    Mit Eckhard Boles, der im benachbarten Biozentrum am Stoffwechsel von Hefen forscht, entstand dann die Idee, Griningers veränderte Fettsäuresynthasen in Hefen einzusetzen. „Diese Hefen schieden auf einmal die kurzkettigen Fettsäuren in beachtlichen Mengen aus“, berichtet Boles. „Damit können wir nun wie beim Bierbrauen anstelle von Alkohol die wertvollen kurzkettigen Fettsäuren produzieren.“ Grininger und Boles ergänzen: „Diese Entwicklung ist erst der Anfang. Wir wollen jetzt durch ähnliche Veränderungen an anderen großen Enzymkomplexen, den Polyketidsynthasen, weitere neuartige Moleküle für die chemische und pharmazeutische Industrie synthetisieren, die sonst nur schwer zugänglich sind.“

    Die Universität Frankfurt hat die Entwicklungen durch zwei europäische und internationale Patentanmeldungen schützen lassen und sucht nun nach Lizenznehmern für kommerzielle Anwendungen. Grininger und Boles entwickeln ihre Technologie zusammen in verschiedene Richtungen weiter. In dem von der Europäischen Union geförderten Projekt „Chassy“ soll die Technologie zur Industriereife gebracht werden. Zudem sollen in dem vom Land Hessen finanzierten LOEWE-Projekt „MegaSyn“ über die Veränderung von Polyketidsynthasen weitere chemische Verbindungen hergestellt werden. Und in dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Projekt „Alk2Bio“ werden die Hefen so weiterentwickelt, dass sie aus den kurzkettigen Fettsäuren die Biokraftstoffe Oktanol und Heptan produzieren.

    Publikationen:
    Gajewski, J., Buelens, F., Serdjukow, S., Janßen,M., Cortina, N., Grubmüller, H. and Grininger, M. (2017) Engineering fatty acid synthases for directed polyketide production. Nat. Chem. Biol. doi:10.1038/nchembio.2314.
    Gajewski, J., Pavlovic, R., Fischer, M., Boles, E. and Grininger, M. (2017) Engineering fungal de novo fatty acid synthesis for short chain fatty acid production. Nat. Commun. doi:10.1038/NCOMMS14650. http://rdcu.be/pX6c

    Ein Bild zum Download finden Sie unter: www.uni-frankfurt.de/65728223
    Bildtext: Mit einer modifizierten Fettsäuresynthase (schematisch dargestellt durch ihre synthetischen Eigenschaften innerhalb der blauen Box) kann man eine Hefezelle dazu bringen, kurzkettige Fettsäuren zu produzieren. Die Synthese ist mit einem mehrstufigen Industrieprozess vergleichbar. Durch gezielte Veränderungen der natürlichen Synthese werden Teilprozesse beschleunigt oder verlangsamt (grüne und rote Pfeile), sodass vorzeitig kurzkettige Fettsäuren abgespalten werden.
    Copyright: Eckhard Boles und Martin Grininger

    Informationen: Prof. Martin Grininger, Lichtenberg-Professor der VolkswagenStiftung, Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie und Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften (BMLS), Campus Riedberg, Tel.: 069 798 42705; grininger@chemie.uni-frankfurt.de
    Prof. Eckhard Boles, Institut für Molekulare Biowissenschaften, Campus Riedberg, Tel.: 069 798 29513, e.boles@bio.uni-frankfurt.de

    Aktuelle Nachrichten aus Wissenschaft, Lehre und Gesellschaft in GOETHE-UNI online (www.aktuelles.uni-frankfurt.de)

    Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 mit privaten Mitteln überwiegend jüdischer Stifter gegründet, hat sie seitdem Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geistes- und Sozialwissenschaften. Zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz ist sie Partner der länderübergreifenden strategischen Universitätsallianz Rhein-Main. Internet: www.uni-frankfurt.de

    Herausgeberin: Die Präsidentin der Goethe-Universität Redaktion: Dr. Anne Hardy, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Theodor-W.-Adorno-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main, Tel: (069) 798-13035, Fax: (069) 798-763 12531, kaltenborn@pvw.uni-frankfurt.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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