Leipzig – Tagesmüdigkeit ist ein belastendes Symptom bei psychischen Störungen. Neurophysiologen haben eine Methode entwickelt, die dazu beitragen soll, zu erkennen, ob die Erschöpfung bei einem Patienten mit einem zu niedrigen oder zu hohen Erregungsniveau des zentralen Nervensystems einhergeht. Vom Vigilanz Algorithmus Leipzig (VIGALL 2.1) erhoffen sich Experten der DGKN, den Zusammenhang zwischen gestörter Wachheitsregulation am Tag und psychischen Erkrankungen besser zu verstehen und die Behandlung von Betroffenen zu verbessern.Über erste Erfahrungen mit der Software berichten Experten auf einer Pressekonferenz der DGKN anlässlich ihrer 61. Jahrestagung in Leipzig.
Depressive Patienten leiden häufig unter schwerer Erschöpfung, aber trotzdem gleichzeitig unter Schlaflosigkeit mit Einschlafproblemen, nächtlichen Wachphasen und frühmorgendlichem Aufwachen. „Untersuchungen mit dem VIGALL an Patienten mit typischer Depression weisen darauf hin, dass eine konstant hohe Aktivität des zentralen Nervensystems vorliegt, die auch in Ruhephasen mit geschlossenen Augen kaum zurückgeht“, sagt Professor Dr. med. Ulrich Hegerl, Präsident der DGKN. „Trotz großer Erschöpfung fühlen sich die Betroffenen dann ruhelos und angespannt, wie vor einer Prüfung“.
Vom aktiven Wachzustand, über entspannte Ruhe und Dösigkeit, bis zum Schlaf zeigt das zentrale Nervensystem unterschiedliche Aktivitätszustände. Wissenschaftler sprechen von unterschiedlichen „Arousalniveaus“. Die Regulation dieses Arousals ist überlebenswichtig. „Im Straßenverkehr oder bei Gefahr muss das Gehirn schneller reagieren und das Arousal hoch gehalten werden, anders in der Hängematte“, erklärt Hegerl. Durch bestimmtes Verhalten kann der Organismus das Arousal auch selbst regulieren. Ein gutes Beispiel dafür sind übermüdete Kinder. Hier ist der Organismus eigentlich schläfrig, das Arousal neigt also zum Abfallen. Dieser Einschlaftendenz wird aber durch aufgedrehtes, hyperaktives Verhalten entgegengesteuert.
Obwohl die Regulation des Arousals von fundamentaler Bedeutung für menschliches Verhalten ist, gab es bisher kein ausreichend validiertes und breit einsetzbares Verfahren, um die Arousalregulation im Wachzustand zu bestimmen. Mit dem VIGALL 2.1 legt nun die Leipziger Arbeitsgruppe eine überarbeitete Version des Vigilanz Algorithmus Leipzig vor, der Abschnitten aus einem Elektro-Enzephalogramm (EEG) jeweils eines von sieben Arousalstadien zuordnet. Im Rahmen eines 15-minütigen Ruhe-EEGs mit geschlossenen Augen in halb liegender Position können nun der Verlauf und die Regulation des Arousals bestimmt werden.
„VIGALL 2.1 könnte bei der Diagnostik psychischer Erkrankungen und der Wahl der richtigen Therapie helfen“, so Hegerl. An Patienten mit unipolarer oder bipolarer (manischer) Depression und ADHS wurde das Verfahren bereits getestet. So ist das Arousal bei Menschen mit unipolarer Depression hochreguliert– das Nervensystem bleibt trotz der ruhigen Umgebung hochaktiv. Patienten mit Manie und ADHS haben dagegen Schwierigkeiten, ihr Arousal aufrechtzuerhalten (siehe schematische Darstellung in Abbildung). Die Software VIGALL 2.1 stellen die Leipziger Wissenschaftler kostenlos zur Verfügung.
Quelle:
Ulrich Hegerl, Tilman Hensch. The vigilance regulation model of affective disorders and ADHD. Neuroscience an Biobehavioral Reviews 44 (2014) 45-57
Links:
VIGALL 2.1 zum Download, Handbuch und Studien
http://research.uni-leipzig.de/vigall/
http://www.dgkn.de/die-dgkn/pressestelle/pressematerial/
***Bei Veröffentlichung Beleg erbeten.***
Kongress-Pressekonferenz
im Rahmen der 61. wissenschaftlichen Jahrestagung der DGKN
Termin: Donnerstag, 27.April 2017, 13.30 bis 14.30 Uhr
Ort: Kongresshalle am Zoo Leipzig, Bach-Saal
Anschrift: Pfaffendorfer Straße 31, 04105 Leipzig
Themen und Referenten:
Depression: Wenn das Gehirn zu hochtourig fährt
Neue EEG-Software VIGALL 2.1 hilft bei der Diagnose
Professor Dr. med. Ulrich Hegerl
Kongresspräsident der 61. Jahrestagung der DGKN, Präsident der DGKN, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig A. ö. R.
Auch im hohen Alter fit im Kopf:
Wege zum Hirn-Doping im alternden Gehirn
Professor Dr. med. Stephan Zierz
Kongresspräsident der 61. Jahrestagung der DGKN, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Halle (Saale)
Nach der Ice Bucket Challenge:
Krankheitsgene und Behandlungsansätze bei der ALS
Professor Dr. med. Albert C. Ludolph, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Ulm
Heilsamer Strom:
Hirnstimulation verschafft Linderung bei Depression und Schizophrenie
Professor Dr. med. Andreas Jochen Fallgatter
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen
Moderation: DGKN-Pressestelle, Stuttgart
Kontakt für Journalisten:
Pressestelle DGKN
Lisa Ströhlein
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
Tel.: 0711 8931-459
Fax: 0711 8931-167
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
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