Bei der Behandlung von Hirnmetastasen ist die fächerübergreifende Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachgebiete eine interdisziplinäre Chance, erklären die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) und die Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) im Nachgang eines gemeinsamen Symposiums im Oktober in Frankfurt am Main. Leitliniengestützt und für jeden Krebspatienten individuell abgestimmt kann die Kombination von Operation und Bestrahlung die Erkrankung aufhalten und in manchen Fällen sogar heilen.
Einige Krebsarten wie Lungenkrebs, Brustkrebs und das maligne Melanom (schwarzer Hautkrebs) bilden häufig Tochtergeschwulste, die sich als Fernmetastasen auch im Gehirn ansiedeln können. Die Metastase ist damit der häufigste Tumor im Gehirn. Ihre Behandlung hängt von der ursprünglichen Krebsart, von der Anzahl der Metastasen und ihrer Lage und Größe ab. „Die Therapie von Hirnmetastasen wird individuell für jeden Patienten zugeschnitten. Das ist möglich geworden durch die enormen Fortschritte bei den chirurgischen und radiochirurgischen Techniken“, erklärt Professor Stephanie E. Combs, Direktorin der Klinik und Poliklinik für RadioOnkologie und Strahlentherapie am Universitätsklinikum der Technischen Universität München (TUM). „Die Diagnose ‚Hirnmetastase‘ ist lange Zeit gleichgesetzt worden mit einem Todesurteil. Die Therapien konnten die Erkrankung meist nur für eine gewisse Zeit aufhalten – das ist heute anders“, so Combs, Sprecherin der DEGRO. Chirurgen, Strahlentherapeuten und Onkologen arbeiten inzwischen eng zusammen und besprechen in einer Tumorkonferenz für jeden Patienten die bestmögliche Vorgehensweise. Professor Dr. med. Walter Stummer, Direktor der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Münster und Präsident der DGNC bestätigt: „Heutzutage sind Hirnmetastasen ein beherrschbarer Teil der Krebserkrankung, wenn sich die Metastasen gut operieren oder durch andere Therapieverfahren wie die Bestrahlung vollständig zerstören lassen.“ Daran haben Fortschritte der neurochirurgischen Operationstechnik einen großen Anteil, „Neuronavigation“ ist eine von ihnen.
Bei dieser Technik werden vor der Operation Daten mittels Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) gewonnen und erschaffen eine „virtuelle Welt“, die dann in die „physikalische intraoperative Welt“ übertragen werde, so der Neurochirurg. Damit könne der Chirurg auch tief gelegene oder multiple Raumforderungen zielgerichtet und präzise operieren. Auch kommen der intraoperative Ultraschall und Verfahren zur Überwachung neurologischer Funktionen regelhaft zur Anwendung.
Die Behandlung von Metastasen besteht aus Operation, stereotaktischer Radiotherapie oder Ganzhirnbestrahlung sowie Chemotherapie. Dabei geben die Leitlinien der European Association of Neuro-Oncology (EANO) für die von soliden Tumoren ausgehenden Hirnmetastasen klare Empfehlungen für die interdisziplinäre Behandlung: Bei einer begrenzten Anzahl von einer bis drei Metastasen, oder bei Läsionen, die eine Größe von ≥ 3 cm Durchmesser haben, ist die Indikation für eine Operation gegeben. „Im Anschluss an die operative Entfernung der Metastase ist dann häufig eine Bestrahlung sinnvoll. Je nach Anzahl der Läsionen, der Grunderkrankung sowie anderer Faktoren kann eine Bestrahlung des Ganzhirns, oder eine lokale Bestrahlung der Resektionshöhle sinnvoll sein, um ein Rezidiv zu vermeiden“, sagt Combs. Wenn die Metastase nicht so raumgreifend ist und eine Größe von ≤ 3-3,5 cm hat, empfehlen die europäischen Leitlinien eine stereotaktische Radiochirurgie, die auch als Alternative zur Operation durchgeführt werden kann. Bei dieser Technik handelt es sich um eine lokalisierte, hochdosierte Strahlentherapie mit einem Spezialgerät, das punktgenau bestrahlt. Bildgebende Verfahren wie die MRT ermöglichen es, diesen zu bestrahlenden Punkt präzise zu bestimmen.
„Die stereotaktische Bestrahlung wird auch dann empfohlen, wenn die Metastasen aufgrund ihrer Lage nicht herausoperiert werden können oder wenn eine Operation für den Patienten aufgrund seines Alters oder Begleiterkrankungen zu belastend wäre“, sagt die DEGRO-Sprecherin. Die punktgenaue Bestrahlung hat noch einen weiteren Vorteil: Sie schont die übrigen Regionen des Gehirns. „Kognitive Störungen werden weitgehend vermieden“, sagt die Expertin. Bei der Ganzhirnbestrahlung, die als unterstützende Behandlung nach einer operativen Entfernung von Metastasen ebenfalls zum Einsatz kommt, ist das anders. Studien hatten gezeigt, dass die stereotaktische Radiochirurgie verglichen mit der Ganzhirnbestrahlung – bei vergleichbarer Gesamtüberlebenszeit – deutlich weniger kognitive Einschränkungen hat.
„Die Therapie von Hirnmetastasen ist eine interdisziplinäre Chance, die wir ergreifen, um für den Patienten die beste und nebenwirkungsärmste Behandlung zu ermöglichen“, bilanziert DGNC-Präsident Stummer.
Literatur:
Soffietti R, Abacioglu U, Baumert B et al.: Diagnosis and treatment of brain metastases from solid tumors: guidelines from the European Association of Neuro-Oncology (EANO). Neuro Oncol. 2017 Feb 1;19(2):162-174. doi: 10.1093/neuonc/now241.
Zur Strahlentherapie:
Die Strahlentherapie ist eine lokale, nicht-invasive, hochpräzise Behandlungsmethode mit hohen Sicherheitsstandards und regelmäßigen Qualitätskontrollen. Bildgebende Verfahren wie die Computer- oder Magnetresonanztomografie ermöglichen eine exakte Ortung des Krankheitsherdes, sodass die Radioonkologen die Strahlen dann zielgenau auf das zu bestrahlende Gewebe lenken können. Umliegendes Gewebe bleibt weitestgehend verschont.
Pressekontakt für Rückfragen:
Dagmar Arnold
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V.
Pressestelle
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
Telefon: 0711 8931-380
Fax: 0711 8931-167
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
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