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23.11.2017 20:00

Dinner in the Dark – ein delikates Wechselspiel der Mikroorganismen

Stephan Brodicky Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Mikroorganismen, die in der Tiefsee gelösten anorganischen Kohlenstoff fixieren, haben einen wesentlichen Einfluss auf den globalen Kohlenstoffkreislauf. Die Vielfalt der Mikroorganismen und deren Energiequellen sind selbst nach Jahrzehnten der Tiefseeforschung ein wissenschaftliches Rätsel. MeeresforscherInnen um Gerhard J. Herndl von der Universität Wien und vom amerikanischen Bigelow Laboratory for Ocean Sciences haben nun den Beweis erbracht, dass Nitrit-oxidierende Bakterien der Tiefsee Hauptakteure bei der Umwandlung von Kohlendioxid in Biomasse sind. Die Ergebnisse der Studie erscheinen aktuell im renommierten Fachjournal "Science".

    Mikroorganismen in der Tiefsee sind für biogeochemische Kreisläufe in den Ozeanen von entscheidender Bedeutung. Mehr als zwei Drittel dieser Mikroben finden sich unterhalb von 200 Metern Tiefe in Bereichen, wo kein Sonnenlicht mehr eindringt. Um dies zu kompensieren nutzen Tiefsee-Mikroben eine Vielfalt an Energiequellen und Stoffwechselwegen. Das Team um Gerhard J. Herndl vom Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie der Universität Wien hat auf zahlreichen Forschungsreisen im Atlantik die Aktivität dieser Mikroorganismen gemessen und dabei Material für Genomanalysen gesammelt, welche die Stoffwechselwege verschiedener Mikroben aufklären sollen.

    Dinner in the Dark
    Alle Organismen unterhalb der sonnendurchfluteten Oberflächenschichten des Meeres leben von pflanzlichem Plankton, das Sonnenergie, Kohlendioxid sowie anorganische Nährstoffe wie Nitrat, Ammonium und Phosphat verwendet, um Biomasse aufzubauen. Der überwiegende Teil dieser pflanzlichen Stoffe wird von heterotrophen Organismen gefressen, wodurch ein Großteil des organischen Kohlenstoffs wieder in Kohlendioxid umgewandelt wird. Nur circa zehn bis 30 Prozent des durch Photosynthese umgewandelten Materials wird in die Tiefen unterhalb von 150 Metern als Partikelregen exportiert und dient damit als Nahrungsquelle in der Wassersäule der Tiefsee.

    In den finsteren Regionen der Ozeane wird dieser Partikelregen konsumiert, wobei Mikroben eine wesentliche Rolle spielen. Sie wandeln einen Großteil dieses organischen Partikelregens in seine anorganischen Bestandteile um, remineralisieren dabei Proteine, wandeln letztlich Ammonium in Nitrit und dieses in weiterer Folge in Nitrat um. Bei diesem rein mikrobiellen Prozess wirken Bakterien und Thaumarchaeota zusammen.

    In der aktuellen Studie, welche unter Beteiligung der Universität Wien sowie von Forschungsinstituten aus den USA, Kanada, Japan und Frankreich durchgeführt wurde, konnten Nitrit-oxidierende Bakterien der Tiefsee als wichtige Umwandler von Kohlendioxid in Biomasse identifiziert werden. Der genetische Blueprint mariner Nitrit-oxidierender Bakterien lässt die AutorInnen vermuten, dass eine Wechselwirkung zwischen Thaumarchaeota und Nitrit-oxidierenden Bakterien in der Energienutzung in der Tiefsee besteht. "Dieses 'Dinner in the Dark'-Szenario stellt eine bisher übersehene Komponente des marinen Stickstoffkreislaufs dar und wird die Forschung auch in Zukunft beschäftigen", erklärt Gerhard J. Herndl, Meeresbiologe an der Universität Wien.

    Die Gästeliste
    Im Vergleich zu den wohl bekanntesten chemoautotrophen Mikroorganismen, den marinen Thaumarchaeota, sind marine Nitrit-oxidierende Bakterien relativ unerforscht. Bisher konnten nur wenige Vertreter kultiviert werden und auch das Rekrutieren neuer Sequenzen hat sich als schwierig erwiesen. "Wir waren besonders überrascht, dass wir eine große Anzahl an Einzelzellgenomen, die aus bis zu vier Kilometern Tiefe stammen, als Nitrit-oxidierende Bakterien identifizieren konnten", so Herndl. Nitrospina stellt damit eine der wichtigsten Mikroben der Tiefsee dar, die CO2 fixieren.

    Die Arbeit an der Studie über die marinen Nitrit-oxidierenden Bakterien wurde unter anderem vom Wissenschaftsfonds (FWF) sowie vom European Research Council (ERC) gefördert.

    Publikation in "Science"
    "Major role of nitrite-oxidizing bacteria in the dark ocean carbon fixation": Maria G. Pachiadaki, Eva Sintes, Kristin Bergauer, Julia M. Brown, Nicholas R. Record, Brandon K. Swan, Mary Elizabeth Mathyer, Steven Hallam, Purificacion Lopez-Garcia, Yoshihiro Takaki, Takuro Nunoura, Tanja Woyke, Gerhard J. Herndl, Ramunas Stepanauskas
    DOI: 10.1126/science.aan8260

    Wissenschaftlicher Kontakt
    Gerhard J. Herndl
    Dept. of Limnology & Bio-Oceanography
    Division Bio-Oceanography
    Universität Wien
    1090 Wien, Althanstraße 14
    T +43-1-4277-76431
    M +43-664-60277-76431
    gerhard.herndl@univie.ac.at

    Rückfragehinweis
    Stephan Brodicky
    Pressebüro der Universität Wien
    Forschung und Lehre
    1010 Wien, Universitätsring 1
    T +43-1-4277-175 41
    stephan.brodicky@univie.ac.at

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    Bilder

    Probennahme auf dem spanischen Forschungsschiff Sarmiento de Gamboa aus Sammelflaschen, in denen Wasser aus verschiedenen Tiefen eingeschlossen ist.
    Probennahme auf dem spanischen Forschungsschiff Sarmiento de Gamboa aus Sammelflaschen, in denen Was ...
    Copyright: Alexander Bochdansky
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    Die Sammelrosette mit den 20 Liter Sammelgefäßen wird zu Wasser gelassen, um Wasserproben aus bis zu 5000 m Tiefe zu sammeln.
    Die Sammelrosette mit den 20 Liter Sammelgefäßen wird zu Wasser gelassen, um Wasserproben aus bis zu ...
    Copyright: Alexander Bochdansky
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Probennahme auf dem spanischen Forschungsschiff Sarmiento de Gamboa aus Sammelflaschen, in denen Wasser aus verschiedenen Tiefen eingeschlossen ist.


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    Die Sammelrosette mit den 20 Liter Sammelgefäßen wird zu Wasser gelassen, um Wasserproben aus bis zu 5000 m Tiefe zu sammeln.


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