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02.05.2018 14:06

Genetische Veranlagung für Lepra bei Europäerinnen und Europäern identifiziert

Gabriele Meseg-Rutzen Presse und Kommunikation
Universität zu Köln

    Erste Fall-Kontroll-Studie an mittelalterlichem Erbgut bietet neue Erkenntnisse über historische Epidemien und deren mögliche Auswirkungen auf heutige Entzündungskrankheiten.

    Genetische Veranlagung für Lepra bei Europäerinnen und Europäern identifiziert
    Erste Fall-Kontroll-Studie an mittelalterlichem Erbgut bietet neue Erkenntnisse über historische Epidemien und deren mögliche Auswirkungen auf heutige Entzündungskrankheiten.
    Im 16. Jahrhundert verschwand die ansteckende Infektionskrankheit Lepra fast vollständig aus Europa, noch bevor Antibiotika für die medizinische Behandlung erfunden waren. Wissenschaftler vermuten stattdessen, dass sich das Genom von Europäerinnen und Europäern angepasst hat. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Professor Ben Krause-Kyora vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und unter Beteiligung der Universität zu Köln. Ihre Erkenntnisse veröffentlichte die Forschungsgruppe in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications.
    Die Knochen von 85 besonders schwerwiegenden Lepra-Fällen aus dem 12. und 13. Jahrhundert in Odense, Dänemark, dienten dem Forschungsteam als Ausgangsmaterial für die weltweit erste auf alter DNA (aDNA) basierende Fall-Kontroll-Studie. Ihre Proben verglichen sie mit Proben von 223 mittelalterlichen dänischen und norddeutschen Skeletten, die keine Spuren von Lepra aufwiesen. „Es ist ein sich neu etablierender Ansatz, aber vor allem auch ein aufregender Gedanke, statistisch die genetische Veranlagung von Personen zu vergleichen, die vor mehr als einem halben Jahrtausend gelebt haben“, so Professor Michael Nothnagel von der Universität zu Köln, der an der Studie beteiligt war. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten herausfinden, wie die Krankheit aus Europa verschwand und wie sich diese Entwicklung genetisch auf uns heute auswirkte.
    Anders als in der modernen Genetik gibt es für die Untersuchung von aDNA keine automatisierten Methoden. Um das Archivmaterial aus Ausgrabungen zu untersuchen, war also „Handarbeit“ gefragt, wie Krause-Kyora berichtet. Die Forschenden befreiten die Proben zunächst von jeglichen Verunreinigungen. Etwa 50 bis 100 Milligramm Material von Zähnen und Schädelknochen wurden anschließend im Labor für Alte DNA analysiert. In den Zähnen fanden die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bis zu fünf Prozent menschlicher DNA, die pathogene Lepra-DNA lag sogar nur im Promillebereich vor. „Dies ist tatsächlich eine ordentliche Ausbeute. Wir hatten eine hohe Erfolgsquote, weil das Material sehr gut erhalten ist“, freut sich Krause-Kyora.
    Die Analysen zeigen, dass eine bestimmte Variante des Immun-Gens HLA- DRB1 die Menschen anfälliger für Lepra machte. Dadurch, dass die Menschen im Mittelalter isoliert wurden und aufgrund der Erkrankung keine Nachkommen bekommen konnten, gaben sie diesen Risikofaktor nicht weiter. „Die Anpassung des Menschen an dieses Bakterium über Jahrhunderte könnte dazu geführt haben, dass die Krankheit langsam verschwand“, erklärt Krause-Kyora.
    „Neben der Genetik spielen auch Umweltfaktoren eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Erkrankungen“, sagt Krause-Kyora. „Dennoch ist die Erforschung von historischen Krankheitsursachen entscheidend, um die Wechselwirkungen zwischen Krankheitserregern und Mensch, und die daraus resultierenden Veränderungen in unserem Genom über die Zeit, zu verstehen.“ Hierbei stellt die Studie einen enormen Fortschritt dar. In Zukunft möchte das Team weitere Erkrankungen des Mittelalters in verschiedenen Bevölkerungsgruppen erforschen und dadurch verfolgen, wie sich das Erbgut von Europäerinnen und Europäern verändert hat.

    Inhaltlicher Kontakt:
    Prof. Dr. Michael Nothnagel
    Universität zu Köln
    Cologne Center for Genomics (CCG)
    +49 221 478-96847
    michael.nothnagel@uni-koeln.de

    Prof. Dr. Ben Krause-Kyora
    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
    Institut für Klinische Molekularbiologie
    +49 431 500 15135
    b.krause-kyora@ikmb.uni-kiel.de

    Presse und Kommunikation:
    Jan Voelkel
    +49 221 470-2356
    j.voelkel@verw.uni-koeln.de

    Originalpublikation:
    Ancient DNA study reveals HLA susceptibility locus for leprosy in medieval Europeans. Ben Krause-Kyora, Marcel Nutsua, Lisa Boehme, Federica Pierini, Dorthe Dangvard Pedersen, Sabin-Christin Kornell, Dmitriy Drichel, Marion Bonazzi, Lena Möbus, Peter Tarp, Julian Susat, Esther Bosse, Beatrix Willburger, Alexander H. Schmidt, Jürgen Sauter, Andre Franke, Michael Wittig, Amke Caliebe, Michael Nothnagel, Stefan Schreiber, Jesper L. Boldsen, Tobias L. Lenz & Almut Nebel, Nature Communications (2018) http://dx.doi.org/10.1038/s41467-018-03857-x


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Kulturwissenschaften, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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