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15.06.2018 10:57

Warum es sich weiter lohnt, Literatur zu lesen

Peter Kuntz Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Trier

    „Warum soll ich das lesen?“ Diese Frage stellt sich automatisch beim Blick auf einen Text. Handelt es sich bei dem Lesestoff um Literatur, reagieren immer mehr Menschen ablehnend: „Literatur lesen? Zu schwierig, das bringt mir nichts.“ Niklas Bender ist ganz anderer Meinung. Lesen ist für ihn eine Lebenskunst und Literatur ein wichtiger Ratgeber und Handlungsleitfaden für das eigene Leben. Diese Meinung hat der Literaturwissenschaftler der Universität Trier in seinem gerade erschienenen Buch „Verpasste und erfasste Möglichkeiten“ ausführlich und lesenswert begründet.

    Warum also, Herr Bender, sollen Menschen im 21. Jahrhundert sperrige Literatur in die Hand nehmen, wenn sie mit dem Lesen von Social Media-Posts kaum hinterherkommen? „So, wie wir das Internet meistens benutzen, verspricht es viel und hält wenig“, entgegnet Bender und rät zu einer kritischen Bilanz: „Wer viel Zeit in Social Media oder im Internet verbracht hat, sollte sich hinterher fragen: Was hat es mir gebracht? Was habe ich gelernt? Hat es mich geformt?“ Eine ehrliche Bilanz falle meist dürftig aus.

    Bender: „Literatur hilft uns, die persönliche Freiheit zu bewahren“

    „Social Media sind Snacks. Literatur ist eine vollwertige Mahlzeit“, verbildlicht Niklas Bender die Unterschiede. Seiner Ansicht nach bilden Social Media nur kurze Ausschnitte des Lebens ab. „Man zappt sich durch viele alternative Möglichkeiten, wer, wo oder was man gerade sein könnte. Aber die meisten dieser Optionen sind irreal und zwar eben deshalb, weil man von so vielen überflutet wird. Wenn es immer bessere, jederzeit verfügbare Möglichkeiten gibt, dann ergreifen wir keine einzige richtig. Auf Dauer ist das unbefriedigend“, glaubt Bender. Literatur zeige Möglichkeiten und Lebensentwürfe bis zum Ende auf und unterstütze den Leser darin zu erkennen, was für ihn reale und irreale Optionen für das eigene Leben sind. In seinem Buch veranschaulicht Bender diese Wirkungsmechanismen des Lesens durch ausgewählte Literaturbeispiele - von Luigi Pirandello bis Michel Houellebecq, von Charles Baudelaire bis Nico Bleutge.

    So wie Literatur ein Fluchtweg aus der Schnipsel-Flut der digitalen Medien sein kann, so kann sie auch den Umgang mit einem weiteren aktuellen Phänomen lehren: dem Storytelling. „Das reale Leben besteht nicht nur aus der einen, sondern aus vielen Geschichten. Und die sind weitaus komplexer als es Werbung und Journalismus mit Storytelling vorgaukeln“, sagt Bender. Literatur könne erklären, wie Storytelling funktioniere und davor bewahren, dem Trend auf den Leim zu gehen.

    Die Mühe wird belohnt

    Niklas Bender räumt ein, dass Literatur nicht immer als leichte Kost serviert wird. Er ist aber überzeugt, dass sich die Mühe für die Leser lohnt. Das gilt ebenso für die Gattung Lyrik, die große Gefühle, konzentrierte Einsichten und intensive Erlebnisse auszulösen vermag. Ihn selbst habe die Literatur „verändert und in allen Bereichen geprägt“. Dem Literaturwissenschaftler ist bewusst, dass sein Enthusiasmus von immer weniger Menschen geteilt wird. Er ist nicht allzu optimistisch, dass die Leselust und der öffentliche Austausch über Literatur noch einmal deutlich steigen werden. „Es wäre aber schade, es nicht wenigstens zu versuchen“, erläutert er seine Motivation für das vorgelegte Buch.

    So sehr die digitalen Medien der Literatur das Wasser abgraben, in zwei Punkten könnten sie dabei helfen, dem Negativtrend im Literaturkonsum entgegenzuwirken. Internetforen könnten sich zu einer Ergänzung der klassischen Literaturkritik entwickeln und die gesellschaftliche Diskussion über Literatur antreiben. Zum zweiten kann das Internet Unerfahrene bei der Suche nach guter Literatur unterstützen. Sein Tipp: das Online-Kulturmagazin http://www.perlentaucher.de.



    Zur Person
    Niklas Bender hat an der FU Berlin und an der Universität Paris 8 studiert und promoviert. An der Universität Tübingen wurde er habilitiert. Derzeit lehrt er an der Universität Trier französische und italienische Literaturwissenschaft und arbeitet als Literaturkritiker für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

    Zum Buch
    Niklas Bender: Verpasste und erfasste Möglichkeiten: Lesen als Lebenskunst. Schwabe Verlag. Mai 2018

    Kontakt
    PD Dr. Niklas Bender
    Universität Trier/Französische und italienische Literaturwissenschaft
    Tel. 0651/201-2221
    E-Mail: bendern@uni-trier.de


    Bilder

    Niklas Bender
    Niklas Bender
    Foto: Sheila Dolman / Universität Trier
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    jedermann
    Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Sprache / Literatur
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Niklas Bender


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