idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
21.06.2018 08:30

Einfach schön: Symmetrie führt zu neuer Formel

Dr. Christian Flatz Büro für Öffentlichkeitarbeit
Universität Innsbruck

    Der Traum eines Wissenschaftlers, die komplexe Wirklichkeit in einer möglichst einfachen Gesetzmäßigkeit auszudrücken, ist für den Doktoranden Christoph Dittel in Erfüllung gegangen. Er hat mit einem Team am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und Kollegen in Freiburg und Paris eine mathematische Formel gefunden, die alle Fälle von totaler destruktiver Interferenz mehrerer Quantenteilchen beschreibt.

    Vor über drei Jahrzehnten haben Chung-Ki Hong, Zhe-Yu Ou und Leonard Mandel mit einem einfachen Experiment die nie zuvor beobachtete quantenmechanische Interferenz zweier Lichtteilchen demonstriert. Der nach den Wissenschaftlern benannte Hong-Ou-Mandel-Effekt tritt auf, wenn zwei ununterscheidbare Photonen auf je einen Eingang eines Strahlteilers treffen. Die Photonen tauchen dabei immer an einem der beiden Ausgänge gemeinsam auf. Nie beobachtet wird hingegen, dass an beiden Ausgängen je ein Photon zu finden ist. Dieser auf den Welleneigenschaften von Quantenteilchen beruhende Auslöschungseffekt wird als totale destruktive Interferenz bezeichnet. In den vergangenen Jahren wurde dieses Phänomen in anderen physikalischen Systemen und auch für mehr als zwei Teilchen nachgewiesen. Es stellt heute ein Schlüsselkonzept für viele quantenphysikalische Experimente dar. So basiert etwa der Entwurf eines optischen Quantencomputers auf der Ausnutzung dieses Effekts. „Die totale destruktive Interferenz liefert uns einen wichtigen Baustein für viele theoretische Modelle und experimentelle Aufbauten“, sagt Christoph Dittel vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. Was bis heute fehlte, war eine allgemeine mathematische Beschreibung dieses Phänomens für eine beliebige Teilchenzahl in beliebig großen quantenphysikalischen Systemen.

    Ein Blick für Symmetrien

    Zahlreiche Beschreibungen von Einzelfällen und einige Versuche von Verallgemeinerungen hatte es bereits gegeben, als Christoph Dittel während seines Doktoratsstudiums in der Arbeitsgruppe des Photonikers Gregor Weihs begonnen hat, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Der gelernte Zimmerer aus der Nähe von Bad Tölz, der im zweiten Bildungsweg an der Universität Innsbruck Physik studierte, beschäftigte sich zunächst mit der Vielteilcheninterferenz in Hyperwürfeln. Diese vieldimensionalen Würfel lenkten seinen Blick auf die Bedeutung der Symmetrie bei der Betrachtung von Interferenzen. Dies erwies sich schließlich auch als Schlüssel zu einer allgemeingültigen Beschreibung der totalen destruktiven Interferenz von mehreren Quantenteilchen. Während Christoph Dittel sich am Telefon mit seiner Mutter über das Wetter unterhielt, fiel ihm schließlich die Lösung ein, mit der alle möglichen Fälle beschrieben werden können. Er beendete das Gespräch rasch und brachte den formalen Zusammenhang auf Papier. „Wir konnten zeigen, dass in der neuen Formel alle bisher gefundenen Speziallösungen enthalten sind“, erzählt der DOC-Stipendiat der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Das Gesetz beschreibt nicht nur die Interferenz von einfachen Teilchen, sondern ist auf beliebige reine Quantenzustände wie verschränkte, überlagerte oder kohärente Zustände anwendbar. Besonders interessant: „Aus den Symmetrien eines Systems lässt sich nun sehr einfach bestimmen, welche totalen destruktiven Interferenzen in dem jeweiligen System auftreten können.“ Dittel und sein Team konnten aus der Formel auch ableiten, dass entgegen dem Glauben vieler Physiker solche Auslöschungen auch in Systemen auftreten, die aus paarweise ununterscheidbaren Teilchen bestehen. „Es ist nur die Austauschsymmetrie der Teilchen, die hier gegeben sein muss“, sagt Christoph Dittel.

    In der Einfachheit liegt die Schönheit

    Mit der Formulierung dieses Gesetzes ist es dem Nachwuchswissenschaftler gelungen, einen komplexen Zusammenhang mathematisch sehr einfach darzustellen. „Das hatten einige Leute schon seit über zehn Jahren versucht und bisher nur kleinere Fortschritte für bestimmte Fälle erzielt“, zeigt sich Arbeitsgruppenleiter Gregor Weihs erfreut. Für Christoph Dittel liegt die Schönheit gerade in der Einfachheit: „Analytische Gleichungen, die einen komplexen Zusammenhang sehr einfach beschreiben, haben etwas sehr Schönes. Das ist eigentlich der Grund, warum ich diese Arbeit mache.“ Mit der neuen Formel erleichtert er nicht nur vielen Experimentalphysikern das Leben im Labor, sondern eröffnet auch den Weg zu einem besseren Verständnis von Vielteilcheninterferenz.

    Die neue mathematische Beschreibung wurde in zwei Arbeiten in den Fachzeitschriften Physical Review Letters und Physical Review A veröffentlicht. Finanziell unterstützt wurde das Forschungsteam unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Europäischen Union.

    Publikationen:
    Totally Destructive Many-Particle Interference. Christoph Dittel, Gabriel Dufour, Mattia Walschaers, Gregor Weihs, Andreas Buchleitner, and Robert Keil. Phys. Rev. Lett. 120, 240404 DOI: 10.1103/PhysRevLett.120.240404

    Totally destructive interference for permutation-symmetric many-particle states. Christoph Dittel, Gabriel Dufour, Mattia Walschaers, Gregor Weihs, Andreas Buchleitner, and Robert Keil. Phys. Rev. A 97, 062116 DOI: 10.1103/PhysRevA.97.062116

    Rückfragehinweis:
    Christoph Dittel
    Institut für Experimentalphysik
    Universität Innsbruck
    Telefon: +43 512 507 52566
    E-Mail: christoph.dittel@uibk.ac.at
    Web: https://www.uibk.ac.at/exphys/photonik/

    Christian Flatz
    Büro für Öffentlichkeitsarbeit
    Universität Innsbruck
    Telefon: +43 512 507 32022
    Mobil: +43 676 872532022
    E-Mail: christian.flatz@uibk.ac.at
    Web: https://www.uibk.ac.at/
    Twitter: @christianflatz


    Weitere Informationen:

    https://dx.doi.org/10.1103/PhysRevLett.120.240404 - Totally Destructive Many-Particle Interference. Christoph Dittel, et.al. Phys. Rev. Lett. 120, 240404
    https://dx.doi.org/10.1103/PhysRevA.97.062116 - Totally destructive interference for permutation-symmetric many-particle states. Christoph Dittel, et, al. Phys. Rev. A 97, 062116 DOI: 10.1103/PhysRevA.97.062116
    https://www.uibk.ac.at/exphys/photonik/ - Photonics Group, Institut für Experimentalphysik


    Bilder

    Nachwuchsphysiker Christoph Dittel
    Nachwuchsphysiker Christoph Dittel
    Uni Innsbruck
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Nachwuchsphysiker Christoph Dittel


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).