Berlin – Für die Diagnose von Diabetes ist ein erhöhter Blutzuckerspiegel ein zentraler Hinweis auf die Stoffwechselstörung. Die Ursachen dafür können auch in einer Überproduktion anderer lebensnotwendiger Hormone liegen. Gegenspieler des Insulins, das für die Senkung des Blutzuckerspiegels verantwortlich ist, können den Zuckerstoffwechsel stark beeinflussen. Welche Rolle das Stresshormon Cortisol und Wachstumshormone in diesem Zusammenhang spielen und welche gut behandelbaren Hormonerkrankungen wie der Morbus Cushing oder die Akromegalie dahinterstehen können, erläutern Experten auf einer Pressekonferenz am 28. Juni 2018 in Berlin.
Wenn der Blutzuckerspiegel erhöht ist, überzählige Pfunde sich vor allem an Bauch, Hüften und Gesäß sammeln, sich das Gesicht „vollmondartig“ rundet, die Muskeln schwach werden und auf der Haut am Bauch Dehnungsstreifen sichtbar werden, dann ist ganz offensichtlich der Stoffwechsel aus der Balance geraten. „Jenseits von Übergewicht, mangelnder Bewegung oder familiärer Veranlagung können die Ursachen dafür hormoneller Art sein“, sagt Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Häufig wird aufgrund der zu hohen Blutzuckerwerte erst einmal „nur“ ein Diabetes diagnostiziert. Eine Hormonuntersuchung kann und sollte dann jedoch Klarheit über mögliche Ursachen bringen: Wird dabei beispielsweise ein Überschuss des Steroidhormons Cortisol festgestellt, kann ein Cushing-Syndrom diagnostiziert werden. Von der seltenen Hormonerkrankung sind in Deutschland etwa 3000 Menschen betroffen. „Ursache für das Zuviel an Cortisol ist meist ein gutartiger hormonproduzierender Knoten in der Hirnanhangdrüse. Diesen kann man heutzutage oft sehr gut operativ entfernen oder medikamentös behandeln“, erklärt Weber. Diabetes und Gewichtsprobleme können also in diesem Fall durch eine Operation geheilt werden.
Cortisol, auch als Stresshormon bekannt, ist ein lebensnotwendiges Hormon. In akuten Belastungssituationen wird es sehr schnell in die Blutbahn ausgeschüttet, regt den Stoffwechsel an, wirkt entzündungshemmend und sorgt dafür, dass im Blut mehr Glukose – also Traubenzucker – als Energielieferant für die Zellen bereitgestellt wird. „Cortisol ist einer der wichtigsten hormonellen Gegenspieler von Insulin und schwächt dessen Wirkung in den Zellen ab. Mit dem Effekt, dass bei Cortisolüberschuss eine Insulinresistenz entstehen kann“, erklärt Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).
„Etwas anders sehen die Therapieoptionen aus, wenn der Cortisolüberschuss durch die langfristige Einnahme von Medikamenten entstanden ist“, merkt Weber an. Muss ein Patient beispielsweise wegen einer entzündlichen, autoimmunen oder rheumatischen Erkrankung Kortison in hohen Dosen einnehmen – als Salbe, Spray oder in Tablettenform – kann das ebenfalls Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel haben. „Zu den Nebenwirkungen von Kortison gehört eine deutliche Verschlechterung der Blutzucker-Stoffwechsellage. Das kann bis zum Auftreten eines Diabetes führen“, so Weber. Dann müssen Arzt und Patient gemeinsam Nutzen und Risiken abwägen. „Wenn Kortison als Medikament alternativlos ist, muss der Blutzuckeranstieg mit Diabetesmedikament oder Insulin reguliert werden“, so der Diabetologe Gallwitz, der als stellvertretender Direktor an der Medizinischen Klinik IV am Universitätsklinikum Tübingen tätig ist.
Bei den Tumoren in der Hirnanhangdrüse gibt es auch solche, die dazu führen, dass vermehrt Wachstumshormone ausgeschüttet werden. Bei Kindern kommt es zum sogenannten Riesenwuchs, der zu schnellem Wachstum, Gelenkschmerzen, Schwitzen und einer hohen Körpergröße führt. Bei Erwachsenen verändert sich nicht nur das Aussehen mit vergrößerter Nase, prägnanten Wangenknochen, überdimensionierten Händen und Füßen. Die Akromegalie genannte Hormonstörung schädigt auch innere Organe und kann zu Herzerkrankungen und Diabetes führen. Wenn der Tumor früh erkannt wird und noch kleiner als 1 cm Durchmesser hat, sind die Heilungschancen sehr gut; 80 Prozent der Akromegalie-Patienten können dann durch die operative Entfernung des Tumors von ihren Beschwerden geheilt werden.
„Insulin ist das einzige Hormon, das den Blutzuckerspiegel senkt. Für die Diagnose eines Diabetes und eine optimale Behandlung müssen wir immer auch die Gegenspieler im Blick haben, also die Hormone, die für mehr verfügbaren Blutzucker sorgen. Nur so können auch seltene Ursachen gefunden und eine optimale Behandlung des Patienten erreicht werden“, resümiert Weber. Auch wenn das Cushing-Syndrom oder die Akromegalie selten sind, sie sollten als Verursacher veränderter Blutzuckerspiegel in Betracht gezogen werden, sind sich die beiden Diabetesexperten einig.
Auf der gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Fachgesellschaften am 28. Juni 2018 in Berlin stehen neben seltenen Hormonerkrankungen und Diabetes auch die Themen Ökonomisierung in der Medizin, Studium und Ausbildung von Diabetologen sowie translationale Forschungsansätze auf der Agenda.
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Terminhinweis:
Gemeinsame Pressekonferenz
der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
Termin: Donnerstag, 28. Juni 2018, 11.00 bis 12.00 Uhr
Ort: Haus der Bundespressekonferenz, Berlin, Raum 4
Anschrift: Schiffbauerdamm 40/Ecke Reinhardtstr. 55, 10117 Berlin
„Sparzwang, Lehrstuhlschließungen und fehlende Experten:
Was tun Endokrinologen/Diabetologen dagegen?“
Vorläufiges Programm:
Eine herausfordernde Therapie: Wenn Diabetes auf andere Hormonerkrankungen wie Cushing oder Akromegalie trifft
Professor Dr. med. Matthias M. Weber
Leiter der Endokrinologie und Diabetologie der Universitätsmedizin Mainz und Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Medizin geht vor Ökonomie: Was kann der Klinikkodex für die stationäre Diabetologie bewirken?
Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland
Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum der RWTH Aachen und Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
Ernährung und soziale Entscheidungen: Welchen Einfluss hat das Essen auf unser Verhalten?
Professor Dr. med. Sebastian M. Schmid
Stellvertretender Klinikdirektor Medizinische Klinik 1, Leiter Endokrinologie, Diabetologie, Internistische Adipositasmedizin, Universität zu Lübeck
Diabetologen von morgen: Überlegungen zu Studium und Ausbildung auf der Basis einer Abfrage bei den Fakultäten
Professor Dr. med. Baptist Gallwitz
Stellvertretender Direktor, Medizinische Klinik IV, Universitätsklinikum Tübingen und Mediensprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
Engagiert und selbstorganisiert: Die DGE-Arbeitsgemeinschaft YARE (Young Active Research in Endocrinology) als Modell für medizinische Nachwuchsförderung
Professor Dr. rer. nat. Josef Köhrle
Institut für Experimentelle Endokrinologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
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Kontakt für Journalisten:
DGE- und DDG-Pressestelle
Dagmar Arnold
Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart
Telefon: 0711 8931-380, Telefax: 0711 8931-167
E-Mail: arnold@medizinkommunikation.org
http://www.endokrinologie.net
http://www.ddg.info
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Über die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE):
Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen, zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken, „endokrin“ ausgeschüttet, das heißt nach „innen“ in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben „exokrine“ Drüsen, wie Speichel- oder Schweißdrüsen, ihre Sekrete nach „außen“ ab.
Über die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG):
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) ist mit über 9.000 Mitgliedern eine der großen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Sie unterstützt Wissenschaft und Forschung, engagiert sich in Fort- und Weiterbildung, zertifiziert Behandlungseinrichtungen und entwickelt Leitlinien. Ziel ist eine wirksamere Prävention und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes, von der mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu diesem Zweck unternimmt sie auch umfangreiche gesundheitspolitische Aktivitäten.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Pressetermine
Deutsch
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