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05.07.2018 12:26

Forschungsteam rekonstruiert Antriebs-Proteine in Zilien: Unterwegs auf dem molekularen Highway

Dr. Ulrich Marsch Corporate Communications Center
Technische Universität München

    Kaum jemand kennt sie, und doch brauchen alle Lebewesen sie zum Überleben: Zilien, Ausstülpungen von Zellen. Dem Spermium erlauben sie die Fortbewegung, als Flimmerhärchen schützen sie die Lunge und im Embryo sind sie entscheidend an der Differenzierung der Organe beteiligt. Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) konnte jetzt einen Protein-Komplex nachbauen, der für den Transport innerhalb der Zilien verantwortlich ist und damit einen entscheidenden Einfluss auf das Funktionieren der Zilien hat.

    Geißeltierchen brauchen sie, um sich fortzubewegen, Fadenwürmer um Futter zu finden, Spermien, um eine Eizelle anzusteuern: Zilien. Die Ausstülpungen eukaryonter Zellen sind sogar dafür verantwortlich, dass der Mensch das Herz am rechten Fleck hat – während sich der Fötus entwickelt, steuern die Zilien die Anlage der Organe. „Die Multifunktionalität ist absolut faszinierend“, sagt Dr. Zeynep Ökten, Biophysikerin am Physik-Department der Technischen Universität München (TUM).

    Die Bedeutung der Zilien sowohl für die Signalübertragung als auch für die Bewegung von Zellen wurde erst in den letzten Jahren erkannt. „Bis heute wissen wir nur sehr wenig darüber, welche biochemischen Prozesse die verschiedenen Funktionen steuern. Umso wichtiger ist es, die grundlegenden Mechanismen zu verstehen“, betont die Wissenschaftlerin.

    Grüne Punkte im Visier

    Die Wissenschaftlerin hält ein Glasplättchen mit dünnen, flüssigkeitsgefüllten Kapillaren ans Licht. Zu sehen ist nichts – die Flüssigkeit ist transparent und klar. Erst unterm Fluoreszenz-Mikroskop erkennt man die Bewegung der mit grünem Farbstoff markierten Verbindungen: Rote Punkte streben in eine Richtung.

    Wie auf einer Straße wandern die Transport-Proteine auch durch die dünnen Kanäle der Zilien. Doch wie diese Motoren gestartet werden, war bisher nicht bekannt. Zusammen mit ihrem Team hat Zeynep Oekten daher den Protein-Komplex rekonstruiert.

    Bottom-up statt top-down

    Die Bausteine des Protein-Komplexes stammen aus dem Modellorganismus des Fadenwurms Caenorhabditis elegans. Der findet mit Hilfe seiner Zilien Futter und wittert Gefahren. Die Biologen haben bereits Dutzende von Proteinen identifiziert, welche die Funktion der Zilien des Fadenwurms beeinflussen.

    „Der klassische Top-down-Ansatz stößt hier an seine Grenzen, weil zu viele Bausteine beteiligt sind“, erklärt Ökten. „Um den Intra-Flagellaren Transport, kurz IFT, zu verstehen, sind wir daher den umgekehrten Weg gegangen und haben, Bottom-up, einzelne Proteine und ihre Wechselwirkungen untersucht.

    Nadel im Protein-Heuhaufen

    Die Arbeit glich der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Es gab eine Vielzahl von Molekülverbindungen, die in Frage kamen. Nach monatelangem Experimentieren stießen die Forscher auf eine Minimalkombination aus vier Proteinen. Sobald sich diese Proteine zu einem Komplex zusammenschließen, beginnen sie durch die Kapillaren des Probenträgers zu wandern.

    „Als wir die Aufnahmen des Fluoreszenz-Mikroskops sahen, wussten wir: Jetzt haben wir die Puzzlesteine gefunden, die den Motor starten“, erinnert sich Ökten. „Steht auch nur eine Komponente, beispielsweise aufgrund eines genetischen Defekts nicht zur Verfügung, so versagt die Maschinerie – was sich aufgrund der Wichtigkeit der Zilien in einer langen Liste schwerer Krankheiten wiederspiegelt.“

    Publikation:

    Mohamed A. A. Mohamed, Willi L. Stepp and Zeynep Ökten
    Reconstitution reveals motor activation for intraflagellar transport
    Nature, vol. 557, p 387–391 (2018) – DOI: 10.1038/s41586-018-0105-3
    https://www.nature.com/articles/s41586-018-0105-3

    Weitere Informationen:

    Die Arbeiten wurden unterstützt mit Mitteln des European Research Councils und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Exzellenzclusters Munich Center for Integrated Protein Science (CIPSM).

    Kontakt:

    Dr. Zeynep Ökten
    Physik-Department, E22
    Technische Universität München
    James-Franck-Str. 1, 85748 Garching
    Tel.: +49 89 289 12885
    E-Mail: zoekten@ph.tum.de
    Web: http://bio.ph.tum.de/home/dr-oekten/oekten-home.html


    Weitere Informationen:

    https://www.tum.de/nc/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/detail/article/34794/ Link zur Pressemitteilung
    https://mediatum.ub.tum.de/652209?show_id=1447277 Video Motorproteine


    Bilder

    Dr. Zeynep Ökten und Mitautor Willi L. Stepp am Fluoreszenzmikroskop.
    Dr. Zeynep Ökten und Mitautor Willi L. Stepp am Fluoreszenzmikroskop.
    Bild: A. Battenberg / TUM
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    Motorproteine (grün) bewegen sich entlang der Mikrotubuli (rot) wie auf Straßen
    Motorproteine (grün) bewegen sich entlang der Mikrotubuli (rot) wie auf Straßen
    Bild: G. Merck / TUM
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Chemie, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Dr. Zeynep Ökten und Mitautor Willi L. Stepp am Fluoreszenzmikroskop.


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