Psychologie: Publikation in Fachzeitschrift „Sex Roles“
05.11.2018 – Vorurteile gegen weibliche Führungskräfte sind weit verbreitet, aber offenbar antworten viele Teilnehmer an Umfragen zu diesem Thema unehrlich, wenn die Vertraulichkeit ihrer Antworten nicht garantiert ist. Dieses Ergebnis einer neuen Studie von Dr. Adrian Hoffmann und Prof. Dr. Jochen Musch von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) wird in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Sex Roles“ veröffentlicht.
Dr. Hoffmann und Prof. Musch vom Institut für Experimentelle Psychologie der HHU nutzten eine indirekte Fragetechnik zur Erfassung der tatsächlichen Einstellung von Befragten zu weiblichen Führungskräften. Dabei zeigte sich, dass Menschen nicht immer ehrlich sind, wenn sie ihre Meinung zu sensiblen Fragen äußern. Manche Befragte entscheiden sich dafür, unehrliche Antworten zu geben, die geeignet sind, sich selbst in günstigerem Licht erscheinen zu lassen oder die von anderen vermeintlich eher akzeptiert werden.
Geschlechterstereotype und geschlechtsspezifische Vorurteile können ernstzunehmende Hindernisse für die berufliche Karriere von Frauen sein und zur Benachteiligung am Arbeitsplatz beitragen. Manchen Theorien zufolge entstehen Vorurteile gegen weibliche Führungskräfte aus einer Diskrepanz zwischen der stereotypen weiblichen Geschlechterrolle und der oft mit eher männlichen Attributen assoziierten sozialen Rolle einer Führungskraft. Um die Verbreitung von Vorbehalten gegenüber weiblichen Führungskräften zu messen, werden in Umfragen oft einfache Selbstberichte erhoben. Die Forschung mit solchen Umfragen hat dazu beigetragen, viele Aspekte von Vorurteilen gegenüber Frauen in Führungspositionen besser zu verstehen. Die Ergebnisse solcher Studien sind jedoch anfällig für Verzerrungen durch die mangelnde Bereitschaft mancher Befragter, ehrlich zu antworten, insbesondere wenn ehrliche Antworten gegen soziale Normen verstoßen.
Um solchen Verzerrungen entgegenzuwirken, sammelten die Düsseldorfer Psychologen die Antworten von 1.529 deutschen Studierenden. Sie stellten diesen entweder eine konventionelle direkte Frage oder eine indirekte Frage im sogenannten „Crosswise“-Format. Diese fortgeschrittene Befragungstechnik beruht auf einer Zufallsverschlüsselung und garantiert den Befragten die Vertraulichkeit ihrer Antworten auf Fragen zu sensiblen Themen. So konnten die Befragten ehrlich antworten, ohne ihre tatsächliche Einstellung öffentlich machen zu müssen. Tendenzen zur positiven Selbstdarstellung wurde auf diese Weise entgegengewirkt. Die Schätzungen für die Verbreitung von Vorbehalten gegenüber weiblichen Führungskräften, die in den beiden Frageformaten ermittelt wurden, wurden verglichen.
Die Ergebnisse im „Crosswise“-Befragungsformat zeigen, dass deutlich mehr Menschen Vorbehalte gegen weibliche Führungskräfte haben als direkte Fragen dies nahelegen (37 Prozent gegenüber 23 Prozent). Dies kann daran liegen, dass mehr Teilnehmer bereit sind, Vorbehalte gegen weibliche Führungskräfte einzuräumen, wenn ihnen die Vertraulichkeit ihrer Antworten garantiert wird.
Bei voller Vertraulichkeit gaben 28 Prozent der Frauen und 45 Prozent der Männer an, Frauen im Vergleich zu Männern weniger Führungsqualitäten zuzuschreiben. Zweifel gegenüber weiblichen Führungskräften waren in beiden Befragungsformaten bei Männern stärker verbreitet. Bei Frauen stieg der Anteil der Antworten, in denen ein Vorbehalt berichtet wurde, beim Wechsel von einer direkten Frage zu einer Frage im „Crosswise“-Format allerdings deutlich stärker an (10 Prozent gegenüber 28 Prozent) als bei Männern (36 Prozent gegenüber 45 Prozent). Die Diskrepanz zwischen den berichteten und den tatsächlichen Einstellungen war bei Frauen also sogar stärker als bei Männern.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Frauen mehr Schwierigkeiten als Männer damit haben, Vorbehalte gegenüber weiblichen Führungskräften offen zu äußern. Möglicherweise fühlen Frauen sich dazu verpflichtet, sich mit anderen Frauen zu solidarisieren“, erklärt Dr. Hoffmann. Prof. Musch ergänzt: „Offenbar haben nicht nur viele Männer, sondern auch viele Frauen Vorbehalte gegen weibliche Führungskräfte. Solange dies so ist, werden Frauen auf Führungspositionen möglicherweise auch künftig seltener sein, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht.“
Hoffmann, A. & Musch, J., Prejudice against women leaders: Insights from an indirect questioning approach, Sex Roles (2018).
DOI 10.1007/s11199-018-0969-6
https://link.springer.com/article/10.1007/s11199-018-0969-6
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Pädagogik / Bildung, Politik, Psychologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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