Ein Zungenschrittmacher, der durch elektrische Stimulierung des Zungennervs nachts die Atemwege freihält, verhilft Menschen mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom nicht nur zu einem erholsamen Schlaf. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Behandlung auch den Blutzucker bessert und langfristig vor einem Diabetes schützen könnte. Über die Studie und weitere aktuelle Ergebnisse im Zusammenhang mit der Atemwegsstimulation spricht der Studienautor auf der Pressekonferenz anlässlich der 90. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO-KHC) am 28. Mai 2019 in Berlin.
Schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter nächtlichen Atemaussetzern. Die Entspannung der Muskeln im Rachen führt bei ihnen zum Zurückfallen der Zunge, die zeitweise die Atemwege verlegt. Mediziner sprechen von einem obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom. Die Schlafapnoe stört nicht nur den Partner durch lautes Schnarchen. „Die häufigen Atemaussetzer gefährden auf Dauer die Gesundheit, weil sie eine gleichmäßige Versorgung des Körpers mit Sauerstoff verhindern“, erläutert Privatdozent Dr. Armin Steffen vom Campus Lübeck des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein im Vorfeld der Pressekonferenz. Die Folgen sind ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt, häufige Tagesmüdigkeit und Sekundenschlaf. Die ständige Störung der Nachtruhe lässt außerdem die Stresshormone im Blut ansteigen. Dies erhöht den Blutzucker. „Viele Menschen mit Schlafapnoe haben einen Typ-2-Diabetes“, berichtet Dr. Steffen.
Der HNO-Mediziner hat jetzt die Auswirkungen des Zungenschrittmachers – einer neueren Therapieform des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms – auf den Zuckerstoffwechsel untersucht. Den Patienten wird in einer etwa zweistündigen Operation im Brustbereich ein kleiner Schrittmacher unter die Haut implantiert. Die Chirurgen verbinden diesen über ein Kabel mit dem sogenannten Nervus hypoglossus, der die Bewegungen der Zunge kontrolliert. „Nach einer Eingewöhnungsphase ist die Behandlung für den Patienten einfach“, erklärt Dr. Steffen. „Die Patienten schalten den Zungenschrittmacher abends vor dem Schlafengehen ein und morgens wieder aus.“
Zungenschrittmacher werden in Deutschland bereits seit fünf Jahren an einigen Universitätskliniken implantiert. Sie kommen laut Dr. Steffen nur infrage, wenn eine Standardbehandlung mit einer Atemmaske erfolglos bleibt. Diese sogenannte CPAP-Beatmung erzeugt einen leichten Überdruck, der die Atemwege freihält. Bei den meisten Patienten verbessert sich der Schlaf, bei einigen kommt es weiterhin zu den nächtlichen Atemaussetzern. Ob diese Patienten für einen Zungenschrittmacher infrage kommen, prüfen HNO-Experten mit einer Schlafendoskopie. Dabei beobachten die Ärzte die Bewegungen von Zunge und Rachen beim Schnarchen.
Seit 2014 haben in Deutschland mehrere hundert Patienten einen Zungenschrittmacher erhalten. Am Campus Lübeck hat Dr. Steffen 125 Implantationen durchgeführt. Zwanzig dieser Patienten hat er gemeinsam mit Kollegen nach der Operation über ein Jahr lang begleitet. Dabei wurden nicht nur die Auswirkungen auf den Schlaf untersucht. Die Ärzte befragten die Patienten und führten nach zwölf Monaten einen Blutzuckerbelastungstest durch. Dabei wird der Anstieg des Blutzuckers nach dem Trinken einer Zuckerlösung bestimmt. Ein zu starker Anstieg weist auf einen bevorstehenden Typ-2-Diabetes hin, an dem viele Menschen mit Schlafapnoe leiden. Wie Dr. Steffen kürzlich im Journal of Sleep Research (2018; doi: 10.1111/jsr.12794) berichtete, hatten sich die Werte im Zuckerbelastungstest der Patienten nach der Implantation des Zungenschrittmachers gebessert. Die Laboruntersuchungen zeigten, dass die Patienten weniger Insulin benötigten, um den Blutzucker im Körper zu verteilen. Ein Rückgang der Hormonwirkung, Insulinresistenz genannt, ist die Ursache für den erhöhten Blutzucker. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Zungenschrittmacher die Patienten vor einem Typ-2-Diabetes schützen kann“, erläutert Dr. Steffen.
Die nächtliche Stimulierung der Zunge wirkte sich auch tagsüber auf das Essverhalten aus. Der sogenannte hedonistische Hunger, der viele Menschen mit Schlafapnoe auch dann essen lässt, wenn ihr Körper keine Kalorien benötigt, war vermindert. Dr. Steffen hofft, dass der Zungenschrittmacher den Patienten langfristig helfen könnte, ihre Gewichtsprobleme in den Griff zu bekommen. Die meisten Menschen mit Schlafapnoe sind übergewichtig oder fettleibig. Das Übergewicht gilt als eine wichtige Ursache für die Schlafstörung.
Auf der Pressekonferenz am 28. Mai 2019 in Berlin geht der Experte über die Studie hinaus auf Ergebnisse von deutschen HNO-Kliniken ein, die entscheidende Impulse zur Verfeinerung der Operationstechnik und Patientenauswahl geliefert haben. Daneben kommen auch Kostenstrukturanalysen zur Sprache, die mittlerweile auch für den deutschen Gesundheitsbereich vorliegen.
- Bei Veröffentlichung Beleg erbeten. -
Literatur:
Steffen A, Chamorro R, Buyny L, Windjäger A, Wilms B, Hasselbacher K, Wollenberg B, Lehnert H, Schmid SM. Upper airway stimulation in obstructive sleep apnea improves glucose metabolism and reduces hedonic drive for food. Journal of Sleep Research 2018; doi: 10.1111/jsr.12794
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Terminhinweis:
90. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO-KHC)
„Digitalisierung in der HNO-Heilkunde“
Termin: Mittwoch, den 29. Mai bis Samstag, den 1. Juni 2019
Ort: Estrel Congress Center, Sonnenallee 225, 12057 Berlin
Pressekonferenz anlässlich der 90. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO-KHC)
„Digitalisierung in der HNO-Heilkunde“
Termin: Dienstag, 28. Mai 2019, 11.00 bis 12.00 Uhr
Ort: Estrel Congress Center Berlin, Sonnenallee 225, 12057 Berlin, Raum Nizza
Themen und Referenten:
Kongressausblick, Kongresshighlights: Chancen der Digitalisierung in der HNO-Heilkunde
- Prof. Dr. med. Stefan Dazert
Kongresspräsident und Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik Bochum
Dr. Google – Die Rolle des Internets für Gesundheitsinformationen in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
- Prof. Dr. med. Friedrich Ihler
Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Ludwig-Maximilian-Universität München
Die Revolution in der Tumortherapie – Integration von immunonkologischen Ansätzen
- Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Dietz
Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig
Aktuelles zur Atemwegsstimulation bei obstruktiver Schlafapnoe
- Priv.-Doz. Dr. med. Armin Steffen
Klinik für Hals-Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
Hörverstehen: „Wir hören nicht mit den Ohren allein.“
- Priv.-Doz. Dr. med. Christiane Völter
Leiterin Hörrehabilitation an der Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik, St. Elisabeth-Hospital Bochum
Moderation: DGHNO-KHC Pressestelle, Stuttgart
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Kontakt für Journalisten:
Pressestelle Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,
Kopf- und Hals-Chirurgie e.V., Bonn (DGHNO-KHC)
Stephanie Priester, Heinke Schöffmann
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
Tel: 0711 89 31-605/-442
Fax: 0711 89 31 167
E-Mail: priester@medizinkommunikation.org, schoeffmann@medizinkommunikation.org
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