Seit langem wird diskutiert, ob in der Schwangerschaft bei Frauen mit Thyreoperoxidase-Antikörpern, aber ansonsten normaler Schilddrüsenfunktion eine Behandlung mit Levothyroxin sinnvoll ist, um das Risiko für Fehl- und Frühgeburten zu senken. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass die Hormongabe bei dieser Patientinnengruppe den Schwangerschaftserfolg nicht erhöht. Entsprechend betonen Experten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), dass Schilddrüsenfunktion und Jodversorgung bei Schwangeren grundsätzlich sehr wichtig sind, die Behandlung mit Levothyroxin bei Frauen mit normaler Schilddrüsenfunktion und mit TPO-Antikörpern jedoch nicht evidenzgesichert ist.
Während der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Schilddrüsenhormonen um bis zu 50 Prozent an. Für die gesunde Entwicklung des Kindes ist eine normale Schilddrüsenfunktion der Mutter sehr wichtig. „Es ist essenziell, dass das Thema `Schilddrüse´ in der Schwangerenbetreuung und der Zeit danach präsent ist. Die zusätzliche Jodzufuhr während der Schwangerschaft und Stillzeit ist eine zentrale Maßnahme, sowie – wenn eine Indikation vorliegt – auch die Gabe von Levothyroxin, das identisch mit dem körpereigenen Schilddrüsenhormon T4 ist“, sagt Professor Dr. Dr. med. Dagmar Führer, Sprecherin der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Es sei jedoch unverzichtbar genau zu prüfen, ob ein solcher Anlass für die Behandlung mit diesem Schilddrüsenhormon überhaupt gegeben ist.
Werden bei einer Frau mit einer normalen Schilddrüsenfunktion, die schwanger werden will oder es bereits ist, Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-Antikörper) gefunden, ist das weitere Vorgehen uneinheitlich. Der Grund: TPO-Antikörper sind mit einem höheren Risiko für Fehl- oder Frühgeburten assoziiert. „Es wird seit langem diskutiert, ob in dieser Situation – insbesondere bei vorausgegangenen Fehlgeburten oder unerfülltem Kinderwunsch – eine Levothyroxingabe günstig sein kann“, erklärt Führer, Direktorin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel/Zentrallabor – Forschung und Lehre am Universitätsklinikum Essen.
Dieser Sachverhalt wurde nun erstmals in einer doppelblinden und plazebokontrollierten Studie aus Großbritannien, an der 952 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch oder vorausgegangener Fehlgeburt teilnahmen, untersucht. Forscher unter der Leitung von Dr. Rima Dhillon-Smithob gingen der Frage nach, ob die Gabe von Levothyroxin bei Frauen mit euthyreoter Stoffwechsellage (TSH < 4 mU/l) und TPO-Antikörpern die Lebendgeburtenrate erhöht. Die eine Hälfte der Frauen erhielt während der gesamten Schwangerschaft täglich Levothyroxin 50 μg, die andere Hälfte nahm ein Plazebo ein. Die Ergebnisse in beiden Gruppen waren vergleichbar. 266 der 470 Frauen (56,6 Prozent), die Levothyroxin erhielten, und 274 von 470 Frauen (58,3 Prozent), die ein Plazebo erhielten, wurden schwanger; 76 Teilnehmerinnen der Levothyroxingruppe (37,4 Prozent) und 178 der Plazebogruppe (37,9 Prozent) brachten ein lebendes Kind zur Welt. Professor Führer fasst zusammen: „Die Qualität der Studie ist hoch und die Ergebnisse deshalb relevant: Levothyroxin erhöht nicht den Schwangerschaftserfolg für Frauen mit normaler Schilddrüsenfunktion und TPO-Antikörper.“ Die ergänzende Gabe von Levothyroxin sei hier deshalb nicht evidenzgesichert.
Auf zwei weitere wichtige Aspekte weist Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE und Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, hin: „Bei den schwangeren Patientinnen könnten durch eine medizinisch nicht notwendige Verordnung von Schilddrüsenhormonen eventuell Ängste entstehen. Zudem wird das Gesundheitssystem unnötig belastet.“ Für die DGE-Experten sind die Ergebnisse der NEJM-Studie so überzeugend, dass sie hoffen, dass sie in nationale und internationale Leitlinien Eingang finden und in der Praxis diese neuen Erkenntnisse auch konsequent umgesetzt werden.
Literatur:
Dhillon‑Smith, Rima K. et al. Levothyroxine in Women with Thyroid Peroxidase Antibodies before Conception
N Engl J Med 2019;380:1316-25. DOI: 10.1056/NEJMoa1812537
Abstract: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1812537
Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen – zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken – „endokrin“ ausgeschüttet, das heißt nach „innen“ in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben „exokrine“ Drüsen wie Speichel- oder Schweißdrüsen ihre Sekrete nach „außen“ ab.
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Kontakt für Journalisten
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Prof. Dr. med. Matthias M. Weber (Mediensprecher)
Dagmar Arnold
Postfach 30 11 20, D-70451 Stuttgart
Tel.: 0711 8931-380, Fax: 0711 8931-167
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