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04.05.2020 21:00

Blutströme könnten turbulenter sein als bisher erwartet

Patrick Müller Communications and Events
Institute of Science and Technology Austria

    Man geht davon aus, dass der Blutfluss im menschlichen Körper überwiegend gleichmäßig und nicht turbulent ist. Instabiler Fluss wird dagegen mit einer Vielzahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einschließlich Arteriosklerose in Verbindung gebracht - eine der führenden Todesursachen weltweit. Professor Björn Hof vom Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) hat nun gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam gezeigt, dass unser Blutkreislauf turbulenter ist als bisher angenommen. Die Studie wird in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS) veröffentlicht.

    Der Blutfluss im menschlichen Körper wird aufgrund seiner geringen Geschwindigkeit und hohen Viskosität im Allgemeinen als gleichmäßig angenommen. Unregelmäßiger Blutfluss wird mit verschiedenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht und fördert nachweislich Funktionsstörungen und Entzündungen in der inneren Schicht der Blutgefäße, dem Endothel. Dies wiederum kann zur Entwicklung von Arteriosklerose führen, einer weltweit führenden Todesursache, bei der sich die arteriellen Wege im Körper aufgrund von Plaqueablagerungen verengen. Die Ursache für diese Instabilität ist jedoch noch nicht gut verstanden. Nun hat der IST-Austria-Professor Björn Hof zusammen mit einem internationalen Forscherteam gezeigt, dass pulsierende Blutströme, wie die unseres Herzens, stark auf geometrische Unregelmäßigkeiten in den Gefäßen (wie Plaqueablagerungen) reagieren und viel höhere Geschwindigkeitsschwankungen verursachen als bisher angenommen. Die Forschung könnte Auswirkungen darauf haben, wie wir in Zukunft Krankheiten untersuchen, die mit dem Blutfluss zusammenhängen.
    "In diesem Projekt wollten wir untersuchen, ob die Erkenntnisse, die wir kürzlich über den Ursprung von Turbulenzen in Rohrströmungen gewonnen haben, Licht auf Instabilitäten in pulsierenden Strömungen und auf die kardiovaskuläre Strömung in Blutgefäßen werfen können", sagt Hof. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein bisher unbekannter Mechanismus Turbulenzen in pulsierenden Strömungen im menschlichen Körper bei niedrigeren Strömungsgeschwindigkeiten als bisher angenommen verursachen kann. ”
    Warum ist ein turbulenter Blutfluss gesundheitsgefährdend?
    Die Innenwand eines Blutgefäßes, das Endothel, reagiert sehr empfindlich auf eine als "Scherspannung" bezeichnete Kraft, die sich in diesem Fall auf die Reibung bezieht, die durch den Blutfluss an der Innenseite eines Blutgefäßes entsteht. Normalerweise sind die Zellen innerhalb des Endothels an relativ gleichmäßige Fließgeschwindigkeiten in einer Richtung angepasst. Wenn jedoch Turbulenzen im Gefäß entstehen (z.B. aufgrund einer geometrischen Unregelmäßigkeit), wird die Strömung multidirektional und führt zu wechselnden Scherkräften auf das Endothel. Solche Spannungsschwankungen können eine zelluläre Dysfunktion, eine Entzündung des Endothels und langfristig eine Arteriosklerose auslösen.
    Modellierung von Turbulenzen im Blutfluss
    Das Team hat sowohl experimentell als auch theoretisch bewiesen, dass Blutgefäße mit geometrischen Unregelmäßigkeiten wahrscheinlich mehr Turbulenzen verursachen als bisher angenommen. In ihren Experimenten, die am IST Austria durchgeführt wurden, konnte Teammitglied Dr. Atul Varshney nachweisen, dass bei einer Verlangsamung des pulsierenden Blutflusses (z.B. zwischen Herzschlägen) Turbulenzen entstehen, insbesondere in Bereichen mit geometrischen Unregelmäßigkeiten. Sobald der Fluss wieder beschleunigt wurde, wie z.B. beim Herzschlag, wurde er glatt und turbulenzfrei (auch bekannt als laminare Strömung). Das bedeutet, dass, wenn ein Blutgefäß nicht ideal geformt ist oder geometrische Unregelmäßigkeiten aufweist, bei jedem Pulszyklus oder Herzschlag wahrscheinlich eine turbulentere Strömung auftritt. Die Forschung könnte wichtige Auswirkungen darauf haben, wie die medizinische Gemeinschaft den Blutfluss modelliert, insbesondere in großen Blutgefäßen wie der Aorta.
    Björn Hof schließt daraus: "Es ist erstaunlich, dass diese Instabilität in früheren Studien übersehen wurde. Wir vermuten, auch wegen der komplexen Zusammensetzung des Blutes, dass es andere Mechanismen geben könnte, die bei noch niedrigeren Geschwindigkeiten Turbulenzen im kardiovaskulären Fluss verursachen können. Wie in der vorliegenden Studie wird auch unsere zukünftige Arbeit darauf abzielen, grundlegende Mechanismen zu identifizieren, die für andere Bereiche wie die Medizin relevant sind".

    Über die Hof-Gruppe bei IST Austria
    Die meisten Flüssigkeitsströmungen von praktischem Interesse sind turbulent, doch unser Verständnis dieses Phänomens ist sehr begrenzt. Die Hof-Gruppe versucht, einen Einblick in die Natur der Turbulenz und die Dynamik komplexer Fluide zu gewinnen. Die Gruppe kombiniert detaillierte Laborexperimente mit hochauflösenden Computersimulationen und wendet Methoden aus der nichtlinearen Dynamik und der statistischen Physik an, um Schlüsselaspekte des Übergangs von glatter zu turbulenter Strömung zu entschlüsseln.

    Diese Forschung wurde von Wissenschaftlern des Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) an der Universität Bremen, Deutschland, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Deutschland, und des Zentrums für angewandte Mathematik an der Tianjin Universität, China, durchgeführt.

    Informationen zur Finanzierung:
    Der IST-Austria-Teil dieses Projekts wurde durch Mittel des Horizon 2020-Programms der Europäischen Union (Marie Skłodowska-Curie Grant Nr. 754411) sowie durch Zuschüsse des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) unterstützt.


    Originalpublikation:

    10.1073/pnas.1913716117


    Bilder

    Dreidimensionale Rekonstruktion der helikalen Instabilität.
    Dreidimensionale Rekonstruktion der helikalen Instabilität.
    Michael Riedl © Gruppe Hof / IST Austria.
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin, Physik / Astronomie
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Dreidimensionale Rekonstruktion der helikalen Instabilität.


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