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30.03.2021 14:30

Vitamin A für Nervenzellen

Nicolas Scherger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

    Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind sich darüber einig, dass sich das Gehirn eines Menschen fortlaufend verändert, sich neu vernetzt und Umweltreizen anpasst. So lernt der Mensch Neues und schafft Erinnerungen. Diese Adaption und Formbarkeit wird als Plastizität bezeichnet. „Medizinerinnen und Mediziner haben schon länger vermutet, dass auch beim Menschen Umbauprozesse an den Kontaktstellen zwischen Nervenzellen, also direkt an den Synapsen, stattfinden.

    Bislang konnte solch eine koordinierte Anpassung von Struktur und Funktion aber nur in Tierversuchen nachgewiesen werden“, sagt Prof. Dr. Andreas Vlachos vom Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Freiburg. Doch jetzt hat Vlachos gemeinsam mit Prof. Dr. Jürgen Beck, Leiter der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Freiburg, den experimentellen Beweis für synaptische Plastizität beim Menschen erbracht. Das Forschungsteam besteht neben Vlachos und Beck aus Dr. Maximilian Lenz, Pia Kruse und Amelie Eichler von der Universität Freiburg, Dr. Jakob Strähle vom Universitätsklinikum Freiburg und Kollegen der Goethe-Universität Frankfurt. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal eLife vorgestellt.

    Bei den Experimenten untersuchte das Team, ob sich die so genannten dendritischen Dornen durch den Kontakt mit einem Vitamin A-Derivat, einer abgeleiteten Vitamin A-Säure, verändern. Dendritische Dornen sind die Teile der Synapse, die Signale bei der Kommunikation zwischen den Nervenzellen empfangen, verarbeiten und weiterleiten. Sie sind damit entscheidend an der Plastizität des Gehirns beteiligt und passen sich ständig dem alltäglichen Erleben an. Beispielsweise kann Lernen die Anzahl und Form dendritischer Dornen verändern. Eine Wandlung der Anzahl oder der Form der Dornen findet sich aber auch bei Erkrankungen wie Depressionen oder Demenz.

    Die Untersuchungen zeigen, dass ein Vitamin A-Derivat die dendritischen Dornen nicht nur vergrößert, sondern auch ihre Fähigkeit stärkt, Signale zwischen Nervenzellen zu übertragen. „Wir schließen aus unseren Ergebnissen, dass Vitamin A-Derivate wichtige Botenstoffe für die synaptische Plastizität im menschlichen Gehirn sind. Damit trägt dieser Befund zur Identifizierung von Schlüsselmechanismen synaptischer Plastizität im menschlichen Gehirn bei und könnte die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien für Hirnerkrankungen, wie beispielsweise Depressionen, unterstützen“, sagt Vlachos.

    Um experimentell nachzuweisen, dass es die synaptische Plastizität auch beim Menschen gibt, nutzen die Forschenden winzige Proben der menschlichen Hirnrinde, die während neurochirurgischer Eingriffe aus therapeutischen Gründen zwingend entfernt werden müssen. Das entnommene Hirngewebe wurde anschließend mit dem Vitamin A-Derivat behandelt, bevor funktionelle und strukturelle Eigenschaften von Nervenzellen mittels elektrophysiologischer und mikroskopischer Techniken analysiert wurden.

    Eine populärwissenschaftliche Zusammenfassung der Ergebnisse ist auch auf der Webseite des eLife-Journals veröffentlicht.


    Populärwissenschaftliche Zusammenfassung:
    https://elifesciences.org/digests/63026/vitamins-for-your-neurons


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Andreas Vlachos
    Institut für Anatomie und Zellbiologie
    Medizinische Fakultät
    Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
    Tel.: 0761/203-5056
    E-Mail: andreas.vlachos@anat.uni-freiburg.de


    Originalpublikation:

    Lenz, Maximilian; Kruse, Pia; Eichler, Amelie; Straehle, Jakob; Beck, Jürgen; Deller, Thomas; Vlachos, Andreas (2021): All-Trans Retinoic Acid induces synaptic plasticity in human cortical neurons. eLife 2021;10:e63026. DOI: https://doi.org/10.7554/eLife.63026


    Weitere Informationen:

    https://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2021/vitamin-a-fuer-nervenzellen


    Bilder

    Mit Hilfe von elektronenmikroskopischen Bildern machen die Forschenden die dendritischen Dornen (gelb) mit ihrem Dornenapparat (rot) sowie die Synapsen-Endknöpfchen (blau) sichtbar.
    Mit Hilfe von elektronenmikroskopischen Bildern machen die Forschenden die dendritischen Dornen (ge ...
    Foto: Andreas Vlachos


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Mit Hilfe von elektronenmikroskopischen Bildern machen die Forschenden die dendritischen Dornen (gelb) mit ihrem Dornenapparat (rot) sowie die Synapsen-Endknöpfchen (blau) sichtbar.


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