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22.09.2021 15:49

Die Hormone machen den Unterschied

Anne-Stephanie Vetter Pressestelle
Technische Universität Dresden

    Dr. Suzan Al-Gburi wird am 23. Oktober 2021 vom Deutschen Ärztinnenbund für ihre Geschlechterforschung mit dem Wissenschaftspreis 2021 ausgezeichnet. Die junge Forscherin zeigte, das weibliche Ratten besser gegen Veränderungen des Herz- Kreislaufsystems geschützt sind als männliche. Entscheidend dafür ist offenbar das verstärkte Vorhandensein von blutdrucksenkenden Angiotensin-II-Typ-2-Rezeptoren und endothelialen β3-adrenergen Rezeptoren – das sind jene Zielstrukturen, die von natürlichen Botenstoffen im Körper aktiviert werden und den schädlichen Umbau von Herz- sowie Gefäßwand verlangsamen können.

    Die Klinik sieht Dr. Suzan Al-Gburi in diesen Wochen nur sehr selten. Sie hat sich beim Else-Kröner-Forschungskolleg beworben und darf sich nun für einige Monate mit der Frage beschäftigen, wie Autoimmunerkrankungen der Haut ausgelöst werden und welche Rolle dabei das Endothel spielt, also jene Zellschicht, die das Innere von Blut- und Lymphgefäßen auskleidet. Erstmalig befasste sich die junge Ärztin im Rahmen Ihrer Doktorarbeit mit Endothelzellen, deren Erkenntnisse sie nun in die Dermatologie einbringen möchte. Diese Zellen spielen auch bei Corona-Infektionen eine entscheidende Rolle, zumal COVID 19 viele Parallelen zu Autoimmunkrankheiten aufweist. „Insofern könnte die Pandemie, so schlimm sie für uns alle ist, helfen, Autoimmunerkrankungen besser zu verstehen“, sagt Dr. Suzan Al-Gburi.

    Autoimmunerkrankungen, insbesondere der Haut, sind das derzeitige Schwerpunktthema der promovierten Dermatologin, die gern über den Tellerrand ihres eigenen Fachgebietes hinausschaut und Dinge neu entdecken möchte. Bei Autoimmunerkrankungen greift das Immunsystem körpereigene Strukturen an und löst permanent eine Entzündung aus. Frauen sind dabei viel häufiger betroffen als Männer. Dass Erkrankungen bei Männern und Frauen anders ablaufen und im Zweifel auch anders therapiert werden müssen, ist für die junge Medizinerin selbstverständlich. Beispielsweise werden durch langjährig bestehenden Bluthochdruck (Hypertonie) Herz und Gefäße von Frauen und Männern in unterschiedlichem Ausmaß in Mitleidenschaft gezogen. Dieser geschlechterspezifische Blick stand auch im Mittelpunkt ihrer Doktorarbeit, in der sie sich neben der Rolle des Endothels auch mit den Angi- otensin II-Typ-2 und β3-adrenergen Rezeptoren beschäftigt hat. Sind sie zahlreich vorhanden, schützen sie nicht nur vor Entzündungsprozessen, sondern bieten damit auch einen Schutz vor Hypertonie und dem damit verbundenen, nachteiligen Umbau der Herzmuskulatur und Gefäßwand.

    Diese protektive Wirkung, die Suzan Al-Gburi am Rattenmodell zeigen konnte, könnte nicht nur neue Therapieoptionen für die Behandlung von Menschen eröffnen, sie ist auch geschlechterabhängig. Die Studie von Dr. Al-Gburi war deshalb perfekt, um sich für den Wissenschaftspreis des Deutschen Ärztinnenbundes zu bewerben. Er nimmt die Geschlechterforschung in den Fokus, ist mit 4000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre vergeben. Suzan Al-Gburi darf sich freuen. Sie ist die Preisträgerin 2021 und wird den Preis am 23. Oktober 2021 offiziell erhalten.

    „Wir freuen uns für Dr. Al-Gburi. Die Auszeichnung ist für sie persönlich ein großer Erfolg und zugleich ein Beleg dafür, wie sehr die WissenschaftlerInnen an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden bestrebt sind, neue Therapieansätze durch interdisziplinären Austausch zu finden und sie möglichst schnell aus den Laboren zu den Menschen zu bringen“, sagt Dekan Prof. Heinz Reichmann. Forschungsdekanin Prof. Esther Troost ergänzt: „Der Ansatz einer geschlechterspezifischen Medizin ist noch vergleichsweise jung. Er ist aber ein essentieller Baustein auf dem Weg zur individualisierten und damit an den Patienten optimal angepassten Medizin. Die Forschungsarbeit von Dr. Al-Gburi leistet dafür einen wichtigen Beitrag “.

    Auf ihrem Erfolg möchte sich die 28-Jährige keinesfalls ausruhen. „Ich hoffe, dass wir jedem Patienten bald ein individuelles Behandlungsangebot machen können, der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist dabei wichtig. Aber er spielte in der Vergangenheit kaum eine Rolle. Das sieht man schon bei der Zulassung von Medikamenten. Bei acht von zehn Mitteln, die wieder vom Markt genommen werden mussten, waren Frauen deutlich stärker von den Nebenwirkungen betroffen“, so die Forscherin. Und sie ergänzt lächelnd: „In den Leitlinien werden Frauen als Männer angesehen – nur mit ein bisschen anderen Hormonen“.

    Suzan Al-Gburi wurde im Irak geboren, wo sie einer türkischen Minderheit angehört. Dort hat sie die ersten zwei Jahre ihres Lebens verbracht, bevor sie mit ihrer Familie in die Türkei zog. Von dort kam sie schließlich als Zehnjährige in das sächsische Hoyerswerda. „Die Stadt hat nicht den besten Ruf. Aber ich habe dort nur Menschen erlebt, die es uns leichtgemacht haben, anzukommen“, sagt Suzan Al-Gburi. Die Direktorin ihrer Grundschule erkannte schnell die Begabungen und die unglaubliche Neugier und schrieb eine Empfehlung zum Besuch des Gymnasiums. Sie lernte schnell die deutsche Sprache und war Klassenbeste. Ihr Abitur bestand sie mit 1,0. Beste Voraussetzungen für das Medizinstudium. „Dass es am Ende Dresden geworden ist, war eine bewusste Entscheidung“, sagt sie. Hier sind Lehre, Wissenschaft und Krankenversorgung eng verzahnt. „Partner für die eigene Arbeit findet man im CRTD oder im Max-Planck-Institut quasi über die Straße. Das ermöglicht vieles“, schwärmt Dr. Al-Gburi.

    Dr. Al-Gburi ist in Dresden zuhause und in der Welt unterwegs. Ein Tertial ihres Praktischen Jahres hat sie in Istanbul verbracht, ein anderes am Kings College in London. Erfahrungen und neues Wissen saugt sie dort auf wie ein Schwamm, stets auf der Suche nach neuen wissenschaftlichen Herausforderungen. Die hat sie beim Else-Kröner-Forschungskolleg gefunden. Sie möchte einen Beitrag leisten herauszufinden, welche Funktion das Endothel bei Autoimmunkrankheiten, wie z.B. Lupus, erfüllt, warum Frauen insgesamt häufiger betroffen sind und welche Rolle dabei das Angiotensin-II-Converting-Enzyme-2 (ACE 2) spielt. Dieses Enzym ist auf dem X-Chromosom verortet, bietet Frauen einen natürlichen Schutz vor Herzinfarkten, ist aber zugleich die Eintrittspforte für das SARS-CoV2-Virus. „Das sind noch viele Fragen zu beantworten, um die gemeinsamen Erscheinungen zwischen COVID 19 und Autoimmunität zu verstehen, jedoch spielen auch hier Immunsystem und Herz-Kreislauf-System Hand in Hand.“, so Dr. Al-Gburi.

    Und wenn sie nicht forscht, dann greift sie zu Pinsel und Farben. Das Malen, ein Hobby aus ihrer Abiturzeit, hat sie gerade während der Pandemie wiederentdeckt. „Wenn der Pinsel über die Leinwand wandert, kann ich sehr gut meine Gedanken ordnen“, so die junge Forscherin. Manchmal schweifen die auch weit weg, nach Australien beispielsweise. Ein Land, das Suzan Al-Gburi gerne bereisen und kennenlernen möchte, sobald es Forschungsauftrag und Pandemie wieder zulassen.

    Informationen für Journalisten:
    Ines Mallek Klein
    Referentin Öffentlichkeitsarbeit Zentralbereich Kommunikation
    Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden
    Tel.: +49 351 458-5001
    E-Mail: ines.mallek-klein@uniklinikum-dresden.de


    Bilder

    Dr. Suzan Al-Gburi
    Dr. Suzan Al-Gburi

    Hochschulmedizin Dresden/Ines Mallek-Klein


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

    Dr. Suzan Al-Gburi


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