idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.09.2021 14:21

„Raumzeit“ im Gehirn

Friederike Süssig-Jeschor Pressestelle
Universitätsmedizin Magdeburg

    Neurowissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Magdeburg entdecken neuronale Netzwerkänderungen in Millisekunden-Geschwindigkeit im menschlichen Gehirn und deren Bedeutung für die visuelle Wahrnehmung und die Erholung von Sehnervschädigungen.

    Milliarden von Nervenzellen in unserem Gehirn kommunizieren ständig miteinander über ein hochkomplexes Netzwerk neuronaler Verbindungen. Diese Verbindungen können sich anpassen, ein Leben lang. Sie bilden die Grundlage für menschliches Denken und Verhalten. Die Doktorandin Zheng Wu und der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Bernhard Sabel, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, haben sich am Beispiel des Sehens der Frage gewidmet, wie schnell sich funktionelle Gehirnnetzwerke in ihrer Struktur verändern können und welche Auswirkungen diese Veränderungen auf das Sehen haben.

    Prof. Sabel erläutert: „Welchen genauen Weg neuronale Impulse im Netzwerk nehmen – man spricht hierbei von funktionellen Verbindungen – kann sehr unterschiedlich sein, je nach aktueller Anforderung. Die Herausforderung für das Gehirn besteht darin, wie unterschiedliche Hirnareale räumlich und zeitlich miteinander synchronisiert werden können.“ Somit sei es die präzise Synchronisation von dem dreidimensionalen „Raum“ und der „Zeit“ als vierte Dimension, die im Gehirn für Denken und Handeln entscheidend sei – dies könne man als „Raumzeit“ im Gehirn bezeichnen.

    Prof. Sabel und sein Team wollten herausfinden, wie schnell sich die Struktur funktioneller Netzwerke ändern können und ob der Nachweis erbracht werden kann, dass schnelle Änderungen für das Verhalten bedeutungsvoll sind. Sie untersuchten dazu die Hirnaktivitäten sowohl von Gesunden als auch von Patientinnen und Patienten mit Sehnervschädigungen, z.B. bei Glaukom. Die Forscherinnen und Forscher nutzten für ihre Untersuchungen die Elektroenzephalografie (EEG) zur Ableitung von elektrischen Hirnwellen am Kopf und verglichen gesunde Probanden und Sehbehinderte zum Zeitpunkt unmittelbar vor und nach der Präsentation eines kurzen Lichtblitzes. „Wir konnten herausfinden, dass sich während der visuellen Verarbeitung funktionelle Netzwerke im Gehirn extrem schnell bilden und wieder auflösen können, und zwar je nach funktionellem Bedarf in nur wenigen Millisekunden, um so die optimale zeitliche und räumliche Integration von Denken und Verhalten zu ermöglichen. Bei den Erkrankten war diese Netzwerkdynamik gestört, konnte aber durch eine Therapie mittels synchronisierender Mikrostrom-Impulse teilweise wieder normalisiert werden, was eine signifikante Verbesserung der Sehleistung zur Folge hatte“, erläutert Prof. Sabel die Ergebnisse, die in dem Forschungsjournal „Scientific Reports“ veröffentlicht wurden.

    Für den Wissenschaftler steht damit fest: „Im Gehirn sind neuronale Aktivitäten in Zeit und Raum miteinander eng verbunden und synchronisiert, und sie beeinflussen sich gegenseitig.“ Laut Prof. Sabel sei dies nicht nur für das Verständnis des menschlichen Geistes von grundlegender Bedeutung, sondern es sei auch klinisch relevant. Dieses „Raumzeit-Konzept“ im Gehirn helfe uns nicht nur zu verstehen, wie die visuelle Verarbeitung und die Erholung bzw. Reparatur der Sehleistung bei Menschen mit Teilerblindung funktioniere, sondern „Raumzeit“ im Gehirn könne als grundlegendes Prinzip der Architektur des menschlichen Geistes verstanden werden.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Bernhard Sabel, Direktor am Institut für Medizinische Psychologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Tel.: +49-391-672-1800, bernhard.sabel@med.ovgu.de


    Originalpublikation:

    www.nature.com/articles/s41598-021-96971-8
    Originalarbeit: Zheng Wu, Bernhard A. Sabel: “Spacetime in the brain: rapid brain network reorganization in visual processing and recovery”. Scientific Reports 11:17940, 2021.


    Bilder

    Prof. Dr. Bernhard Sabel, Direktor am Institut für Medizinische Psychologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
    Prof. Dr. Bernhard Sabel, Direktor am Institut für Medizinische Psychologie der Otto-von-Guericke-Un ...
    Sarah Kossmann
    Universitätsmedizin Magdeburg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Bernhard Sabel, Direktor am Institut für Medizinische Psychologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).