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11.05.2022 12:00

LDL-Cholesterin-Senkung zur Sekundärprävention von Schlaganfällen

Dr. Bettina Albers Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

    Fast jeder Fünfte, der einen Schlaganfall erleidet, muss innerhalb der nächsten fünf Jahre mit einem Folgeschlaganfall rechnen [1]. Die Sekundärprophylaxe ist also von immenser Bedeutung für die Schlaganfalltherapie und -nachsorge. Eine neue Metaanalyse mit insgesamt über 20.000 Patientinnen und Patienten [2] bestätigte, dass eine intensive Senkung des LDL-Cholesterins vor Rezidiv-Schlaganfällen schützt, insbesondere, wenn die Betroffenen Gefäßverkalkungen aufweisen. Doch ist die intensivierte Statingabe der richtige Weg, um das Ziel zu erreichen? Die Studie zeigte auch: Es kam unter dieser Therapie zu etwas mehr Hirnblutungen.

    Schlaganfälle gehören in Deutschland mit jährlich 270.000 Fällen zu den häufigsten Erkrankungen und sind mit einer hohen Sterblichkeit und Rate an Folgebehinderungen verbunden. Sie können unterschiedliche Ursachen haben, bei vier von fünf Schlaganfällen handelt es sich um sogenannte ischämische Schlaganfälle, bei denen ein Hirnareal nicht mehr (oder nicht mehr ausreichend) durchblutet wird. Grund dafür ist oft die hochgradige Verengung oder der Verschluss einer Hirnarterie in Folge von Gefäßverkalkung (Arteriosklerose) oder eines Blutgerinnsels. Zu den Risikofaktoren, die im Laufe des Lebens zur Arteriosklerose, d. h. zur Bildung von Plaques (Ablagerungen in den Gefäßen) führen, gehören Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes mellitus, Übergewicht und die Erhöhung des LDL-Cholesterins. Die beste Prävention arteriosklerotischer Veränderungen ist somit die Behandlung oder Vermeidung dieser Risikofaktoren. Gerade die LDL-Cholesterinsenkung spielt dabei eine wichtige Rolle: Eine Statinstudie zeigte, dass eine LDL-Cholesterinabsenkung von 1 mmol/l (39 mg/dl) die kardiovaskuläre Ereignisrate (Schlaganfall, Herzinfarkt) um ca. 20% senken kann [3].

    Offen ist aber, ob für die Verhinderung eines Folgeschlaganfalls (Rezidiv) eine intensivere Statin-basierte LDL-Senkung ein besseres Risiko-Nutzen-Verhältnis aufweist als eine weniger intensive Therapie. Dieser Frage ging eine neue Metaanalyse nach [1], in der elf randomisierte klinische Studien der letzten 50 Jahre evaluiert wurden, um die intensive gegenüber einer weniger intensiven Statin-basierten LDL-C-Senkung zu vergleichen. Das primäre Outcome waren Schlaganfallrezidive, sekundäre Outcome-Parameter beinhalteten schwere sonstige kardiovaskuläre Ereignisse und Hirnblutungen (hämorrhagische Schlaganfälle). Die finale Analyse schloss insgesamt 20.163 Teilnehmende ein (67% Männer, mittleres Alter 64,9±3,7 Jahre), die mittlere Follow-up-Dauer lag bei vier Jahren. Die mittleren LDL-C-Zielspiegel betrugen 79 mg/dl in der Gruppe der intensiveren LDL-Senkung und 119 mg/dl bei den Patientinnen und Patienten, bei denen eine weniger intensive LDL-Senkung erfolgte.

    Die gepoolten Ergebnisse zeigten, dass eine intensivere LDL-C-Senkung mit einem um 12% verringerten Risiko (RR 0,88) für Schlaganfallrezidive assoziiert war (absolutes Risiko 8,1 % versus 9,3 %). Die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse betrug 17%, die der kardiovaskulären Sterblichkeit 8%. Vor allem Menschen mit Nachweis einer Arteriosklerose profitierten signifikant (Reduktion des Rezidivrisikos um 21%; RR 0,79) von der intensiveren Therapie, bei Betroffenen ohne Arteriosklerose war der Effekt hingegen nicht signifikant (RR 0,95; p=0,04). Im Gegenzug ging die intensivere LDL-C-Senkung mit einer Risikozunahme für Hirnblutungen um 46% einher und mit einem um 26% höheren Risiko für einen Diabetes mellitus (RR 1,26; Daten aus 3/11 Studien). Der Nutzen der Statine war aber deutlich höher als das Blutungsrisiko. So wurden durch eine intensive Statintherapie 131 ischämische Insulte verhindert – zu Lasten von 40 intrazerebralen Blutungen. Das leicht erhöhte Blutungsrisiko scheint aber nicht Resultat einer erfolgreichen LDL-C-Senkung zu sein, sondern ist eher mit den leicht gerinnungshemmenden Eigenschaften der Statine assoziiert [4]. In einer Studie [5], die in die Metaanalyse eingegangen war, wurden durch Hinzunahme eines PSCK-Hemmer niedrige Lipidwerte erreicht, ohne dass das Risiko für Hirnblutungen angestiegen war.

    „Diese Metaanalyse unterstützt einen niedrigen Zielwert für das LDL-Cholesterin für die Rezidivprophylaxe nach einem ersten Schlaganfall, wenn eine Arteriosklerose nachweisbar ist“, erklärt Prof. Hans Christoph Diener, Pressesprecher der DGN. „Gleichzeitig scheint die intensivierte Statintherapie aber mit einem gering höheren Risiko für Hirnblutungen einherzugehen. Vermutlich ist es sinnvoll, die Statindosis nicht gänzlich auszureizen, sondern stattdessen zur Lipidsenkung eine Kombination aus Statin und Ezetimib einzusetzen, um die gewünschte LDL-Cholesterinsenkung ohne erhöhtes Blutungsrisiko zu erreichen.“

    Generell empfehlen die europäischen Leitlinien zum Lipidmanagement [6] eine Stufentherapie, wobei zunächst alle modifizierbaren Faktoren des Lebensstils optimiert werden sollten. Im zweiten Schritt wird die medikamentöse Behandlung mit Statinen empfohlen. Wenn die maximal mögliche Statindosis nicht ausreicht, um das LDL-C in den Zielbereich zu senken, sollte zusätzlich Ezetimib gegeben werden, um die Cholesterinaufnahme im Darm zu hemmen. Kann auch damit das LDL-Cholesterin nicht in den Zielbereich abgesenkt werden, kommen sogenannte PCSK9-Hemmer zum Einsatz. „Zur Rezidivprophylaxe nach Schlaganfall sollte man angesichts der aktuellen Daten die Hinzunahme anderer Substanzen zu den Statinen bereits früher erwägen“, so das Fazit des Experten.

    [1] Stahmeyer JT, Stubenrauch S, Geyer S et al. Häufigkeit und Zeitpunkt von Rezidiven nach inzidentem Schlaganfall. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 42 | 18. Oktober 2019. https://cdn.aerzteblatt.de/pdf/116/42/m711.pdf?ts=09%2E10%2E2019+18%3A29%3A59

    [2] Meng Lee, Chun-Yu Cheng, Yi-Ling Wu et al. Association Between Intensity of Low-Density Lipoprotein Cholesterol Reduction With Statin-Based Therapies and Secondary Stroke Prevention: A Meta-analysis of Randomized Clinical Trials. JAMA Neurol 2022 Apr 1; 79 (4): 349-358
    doi: 10.1001/jamaneurol.2021.5578.

    [3] Baigent C, Keech A, Kearney PM et al. Efficacy and safety of cholesterol-lowering treatment: prospective meta-analysis of data from 90,056 participants in 14 randomised trials of statins. Lancet 2005, 366 (9493): 1267-78 doi: 10.1016/S0140-6736(05)67394-1

    [4] Violi F, Calvieri C, Ferro D, Pignatelli P. Statins as antithrombotic drugs. Circulation. 2013 Jan 15;127(2):251-7. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.112.145334. PMID: 23319813.

    [5] Giugliano RP, Pedersen TR, Saver JL, Sever PS, Keech AC, Bohula EA, Murphy SA, Wasserman SM, Honarpour N, Wang H, Lira Pineda A, Sabatine MS; FOURIER Investigators. Stroke Prevention With the PCSK9 (Proprotein Convertase Subtilisin-Kexin Type 9) Inhibitor Evolocumab Added to Statin in High-Risk Patients With Stable Atherosclerosis. Stroke. 2020 May;51(5):1546-1554. doi: 10.1161/STROKEAHA.119.027759.

    [6] Mach F, Baigent C, Catapano AL et al. 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. Eur Heart J 2020; 41 (1): 111-188 doi: 10.1093/eurheartj/ehz455.

    Pressekontakt
    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    c/o Dr. Bettina Albers, albersconcept, Jakobstraße 38, 99423 Weimar
    Tel.: +49 (0)36 43 77 64 23
    Pressesprecher: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
    E-Mail: presse@dgn.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren fast 11.000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

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    Geschäftsstelle: Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org


    Originalpublikation:

    doi: 10.1001/jamaneurol.2021.5578


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
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    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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