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10.06.2022 17:56

Neue Erkenntnisse zum Asteroiden Ryugu – Universität Bayreuth an der Erforschung von Weltraumgestein beteiligt

Christian Wißler Pressestelle
Universität Bayreuth

    Ein internationales Forscherteam mit Prof. Dr. Audrey Bouvier, Kosmochemikerin am Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth, berichtet in "Science" über mineralogische und chemische Analysen von Gesteinsproben des Asteroiden Ryugu.

    Die Raumsonde Hayabusa2 der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA hat 2019 Proben von dem Asteroiden, der einen Durchmesser von 0,9 Kilometern hat, gesammelt und in einer Kapsel zur Erde zurückgeschickt. Die Forschungsergebnisse werden zu neuen Erkenntnissen über die Entstehung des Sonnensystems und die chemische Zusammensetzung der terrestrischen Planeten beitragen. Unter Bouviers Leitung wird die Erforschung von Weltraumgestein am BGI weiter intensiviert. Neben Asteroiden werden hier in den kommenden Jahren auch Gesteinsproben von Mars und Mond untersucht.

    Prof. Dr. Audrey Bouvier ist Mitglied des internationalen Forschungsteams, das an den ersten, in Japan durchgeführten chemischen Analysen der Ryugu-Gesteinsproben beteiligt war. Im Gegensatz zu den zahlreichen Meteoriten, die auf der Erdoberfläche eingeschlagen sind, haben die vom Asteroiden entnommenen Proben einen entscheidenden Vorteil: Sie sind garantiert nicht durch den Eintritt in die Erdatmosphäre oder den Aufenthalt auf der Erde chemisch verändert worden. Sie sind so entstanden, wie sie sind: im Weltraum. Die von Hayabusa2 zur Erde gesandten Gesteinsproben hatten ein Gesamtgewicht von etwas mehr als 5,4 Gramm. "Als die Probenbehälter schließlich in Japan geöffnet wurden, war die Überraschung groß, denn es handelte sich um weitaus mehr Material, als wir ursprünglich erwartet hatten", sagt Bouvier. "Die Proben in den Behältern sahen aus wie dunkle Kieselsteine. Die meisten waren nur wenige Millimeter groß, einige wenige waren größer – bis zu einem Zentimeter, was nahe an der maximalen Größe liegt, die man bei der Probeentnahme an der Asteroid-Oberfläche erhalten kann.”

    Ryugu zeigt Spuren der Geschichte des Sonnensystems

    Bei ihrer Untersuchung von Ryugu entdeckten die Forscher, dass die Mineralien in Kontakt mit einer wässrigen Flüssigkeit bei einer Temperatur von etwa 37 Grad Celsius verändert wurden, aber nie Temperaturen von über 100 Grad Celsius ausgesetzt waren. Chronologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass diese Veränderungen etwa fünf Millionen Jahre nach der Entstehung der ersten Mineralien im Sonnensystem stattgefunden haben. Diese Veränderungen fanden in einem der unzähligen Kleinstplaneten (Planetesimale) statt, aus denen sich später die Planeten des Sonnensystems durch Akkretion entwickelten. Auf dem Planetesimal, aus dem Ryugu herausgesprengt wurde, könnte es reichlich Wasser gegeben haben, was eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Leben gewesen wäre.

    Ein weiteres auffälliges Merkmal ist die Häufigkeit der in den Gesteinsproben enthaltenen chemischen Elemente: Ryugu ähnelt den kohlenstoffhaltigen CI-Chondriten des Meteoriten Ivuna, aber besonders stark ist die Ähnlichkeit mit der Zusammensetzung der Photosphäre der Sonne. Die Photosphäre ist die äußere Hülle eines Sterns, von der Licht in den Weltraum abgestrahlt wird, so dass man daraus seine chemische Zusammensetzung ableiten kann.

    Die Analysen der Ryugu-Proben deuten außerdem darauf hin, dass der Asteroid von einem Planetesimal abstammt, das sich am äußersten Rand des Sonnensystems gebildet hat. Später wanderte Ryugu in das Innere des Sonnensystems und gelangte auf seine heutige erdnahe Umlaufbahn um die Sonne. In der aktuellen Forschung wird vermutet, dass Materialien, die am äußersten Rand des Sonnensystems entstanden sind, zur Entstehung der Erde beigetragen haben könnten. Kohlenstoffhaltige Materialien könnten eine wichtige Quelle für die so genannten flüchtigen Elemente auf der Erde gewesen sein. Flüchtige Elemente wie Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff sind wesentliche Bestandteile der Erdatmosphäre und der Ozeane und haben daher einen entscheidenden Anteil an der Entstehung des Lebens.

    Auf der Suche nach Leben im Weltraum: in Zukunft auch an der Universität Bayreuth

    Wenige Tage vor der Veröffentlichung des neuen "Science"-Artikels gab ein anderes internationales Forscherteam bekannt, dass in Gesteinsproben von Ryugu 20 verschiedene Aminosäuren nachgewiesen wurden. Aminosäuren sind die Bausteine des Lebens auf der Erde. "Es ist das erste Mal, dass Aminosäuren entdeckt wurden, die eindeutig nicht auf der Erde entstanden sind oder verändert wurden. Auch vor diesem Hintergrund ist der Asteroid Ryugu ein spannendes Forschungsobjekt, das aufschlussreiche Erkenntnisse über den Ursprung des Lebens verspricht. Deshalb wollen wir uns an der Universität Bayreuth in Zukunft verstärkt in die Analyse von extraterrestrischen Gesteinsproben einbringen", sagt Prof. Dr. Audrey Bouvier. Gemeinsam mit Dr. Nobuyoshi Miyajima, Mineraloge am Bayerischen Geoinstitut, wird sie bei der japanischen Raumfahrtbehörde beantragen, dass Ryugu-Proben für weitere mineralogische und chemische Analysen an das BGI ausgeliehen werden. Im September 2022 werden am BGI neue Labore für Isotopengeochemie und Kosmochemie eröffnet. Hier sollen hochpräzise Isotopenstudien von Spurenmetallen in Ryugu- und anderen Planetenproben durchgeführt werden.

    Voraussichtlich werden auch Proben von Marsgestein an der Universität Bayreuth untersucht werden, sei es in Form von Meteoriten oder von Proben, die von laufenden und zukünftigen Missionen zurückgebracht werden. Die National Aeronautics and Space Administration (NASA) und die European Space Agency (ESA) haben Prof. Dr. Audrey Bouvier kürzlich als Mitglied der Mars Sample Return Campaign Science Group ausgewählt. Dieses internationale Gremium plant derzeit die Rückführung von Gesteinsproben vom Mars. Es definiert die wissenschaftlichen Ziele der laufenden Probensammlung durch den Perseverance-Rover und entscheidet über die Konservierung und Verteilung der Proben für wissenschaftliche Analysen.

    Zur Hayabusa2-Mission

    Die Raumsonde Hayabusa2 startete am 3. Dezember 2014 und erforschte den Asteroiden Ryugu 17 Monate lang (Juni 2018 bis November 2019). Die Mission umfasste zwei Landeoperationen, um Proben des Asteroiden zu sammeln. Bei der zweiten Landung wurde durch den Abschuss eines 5-Gramm-Tantal-Projektils ein Krater erzeugt, so dass nicht nur Oberflächenmaterial, sondern auch Gesteinsproben aus tieferen Schichten gesammelt werden konnten. Die Probenkapsel wurde am 6. Dezember 2020 in Australien geborgen und unter strengen Quarantänebedingungen während der COVID-19-Pandemie nach Japan gebracht. Das internationale Team, das die Ryugu-Proben bisher analysiert hat, besteht aus insgesamt sechs Forschergruppen, die von Wissenschaftler*innen in Japan geleitet werden. Prof. Dr. Audrey Bouvier ist Mitglied der Arbeitsgruppe, die die in den Proben enthaltenen chemischen Elemente und ihre Isotope untersucht. Die Raumsonde Hayabusa2 ist unterdessen auf dem Weg zu einem anderen Asteroiden.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Audrey Bouvier
    Experimentelle Planetologie
    Bayerisches Geoinstitut (BGI)
    Universität Bayreuth
    Telefon: +49 (0) 921 55-3792
    E-Mail: audrey.bouvier@uni-bayreuth.de


    Originalpublikation:

    Tetsuya Yokoyama et al: Samples returned from the asteroid Ryugu are similar to Ivuna-type carbonaceous meteorites. Science 2022, DOI: https://dx.doi.org/10.1126/science.abn7850


    Bilder

    Prof. Dr. Audrey Bouvier, Universität Bayreuth.
    Prof. Dr. Audrey Bouvier, Universität Bayreuth.
    Foto: UBT / Chr. Wißler.

    Das Bayerische Geoinstitut (BGI) auf dem Campus der Universität Bayreuth.
    Das Bayerische Geoinstitut (BGI) auf dem Campus der Universität Bayreuth.
    Foto: UBT.


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Geowissenschaften, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Audrey Bouvier, Universität Bayreuth.


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    Das Bayerische Geoinstitut (BGI) auf dem Campus der Universität Bayreuth.


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