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05.12.2022 09:09

Widersprüchliche Motive steuern das Gerechtigkeitsempfinden

Rita Ziegler Kommunikation
Universität Zürich

    Viele gesellschaftliche Konflikte beruhen auf einer als unfair wahrgenommenen Ressourcenverteilung. Forschende der Universität Zürich haben untersucht, welche Motive die Beurteilung von Verteilungsgerechtigkeit beeinflussen. Sie zeigen, dass dabei nicht nur die Aversion gegen Ungleichheit eine Rolle spielt, sondern auch die Abneigung, jemandem Schaden zuzufügen und bestehende soziale Rangfolgen auf den Kopf zu stellen.

    Viele gesellschaftliche Konflikte beruhen auf einer als unfair wahrgenommenen Ressourcenverteilung. Forschende der Universität Zürich haben untersucht, welche Motive die Beurteilung von Verteilungsgerechtigkeit beeinflussen. Sie zeigen, dass dabei nicht nur die Aversion gegen Ungleichheit eine Rolle spielt, sondern auch die Abneigung, jemandem Schaden zuzufügen und bestehende soziale Rangfolgen auf den Kopf zu stellen.

    Ist es gerecht, wirtschaftliche Gleichheit zwischen Menschen herzustellen, wenn dadurch einige in ihrem sozialen Status herabgestuft werden und deutlich schlechter dastehen als zuvor? Verteilungsgerechtigkeit ist Gegenstand zahlreicher gesellschaftspolitischer Debatten. Wie die Forschung zeigt, spielen zwei Motive dabei eine besonders wichtige Rolle: Die Aversion gegenüber Ungleichheit und die Abneigung, jemandem Schaden zuzufügen.

    Hirnaktivitäten während Umverteilungsexperiment messen

    Wie die beiden Motive interagieren, untersuchte ein Forschungsteam um die Neuroökonomen Jie Hu und Christian Ruff von der Universität Zürich. Dazu setzten sie Umverteilungsaufgaben ein, während denen die Hirnaktivität der Probanden mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) aufgezeichnet wurde. Den Versuchspersonen wurden zwei andere Personen mit ungleichem Vermögen präsentiert sowie verschiedene Optionen, um diese Ungleichheit zu verringern. Die Forschenden beobachteten, bei welcher Ausgangsverteilung welche Optionen gewählt wurden. Gleichzeitig ermittelten sie, ob jeweils jene Hirnregionen aktiv sind, die gemäss theoretischen Modellen mit den unterschiedlichen Motiven zusammenhängen.

    Ungleichheit reduzieren, aber Hierarchie beibehalten

    Die Probanden waren im Allgemeinen bereit, eine Person finanziell schlechter zu stellen, um Ungleichheit zu verringern – besonders wenn die anfängliche Ungleichheit gross war. Allerdings gab es eine Grenze: Eine Umverteilung, bei der die ursprünglich bessergestellte Person plötzlich schlechter gestellt wurde als die andere, wurde nicht gewählt, auch sie insgesamt zu mehr Gleichheit geführt hätte. «Offenbar wird eine solche Umkehr der sozialen Rangfolge als besonders schwerer Fall von Schädigung empfunden», kommentiert Studien-Hauptautor Jie Hu das Resultat.

    Überlegungen zu Ungleichheit und Schädigung aktivieren verschiedene Hirnregionen
    Die fMRT-Messungen während den Umverteilungsaufgaben zeigten, dass Überlegungen zur Ungleichheit mit Aktivität im Striatum zusammenhingen, während Erwägungen zu Schädigung mit Aktivität im dorsomedialen präfrontalen Kortex verbunden waren. Bei Probanden, die sich in ihren Entscheidungen besonders stark sträubten, anderen Schaden zuzufügen, waren die Aktivitätsschwankungen in den beiden Hirnregionen stärker koordiniert. «Möglicherweise beeinflussen die Regionen, die bei Schadenserwägungen aktiviert werden, die mit Ungleichheitsüberlegungen verbundene Aktivität im Striatum oder schwächen sie ab», sagt Co-Autor Christian Ruff. «Aber das muss in weiteren Studien bestätigt werden.»

    Zu verstehen, wie unterschiedliche Motive unsere Präferenzen und unser Verhalten beeinflussen, ist für die Diskussion über Umverteilung zentral. Jie Hu veranschaulicht mögliche Implikationen der Studienergebnisse an einem Beispiel: «Eine höhere Besteuerung von Superreichen wird in einer sehr ungleichen Gesellschaft wahrscheinlich leichter akzeptiert als in einer egalitären Gesellschaft, weil dabei die Statushierarchie kaum in Frage gestellt wird.»


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Universität Zürich
    Institut für Volkswirtschaftslehre

    Prof. Dr. Christian Ruff
    Tel. +41 44 634 50 67
    E-Mail: christian.ruff@econ.uzh.ch

    Dr. Jie Hu
    Tel: +41 44 634 52 44
    E-Mail: jie.hu@econ.uzh.ch


    Originalpublikation:

    Yue Li, Jie Hu, Christian C. Ruff, Xiaolin Zhou. Neurocomputational evidence that conflicting pro-social motives guide distributive justice. PNAS. 29. November 2022. DOI: 10.1073/pnas.2209078119


    Weitere Informationen:

    https://www.news.uzh.ch/de/articles/media/2022/Verteilungsgerechtigkeit.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Psychologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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