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10.07.2023 10:13

Kritik mit Bedacht äussern ist effektiver

Beat Müller Kommunikation
Universität Zürich

    Bei Kritik an unethischem Verhalten stossen Forderungen oft auf Abwehr und Ablehnung. Doch wie kann man diesem Muster entgegenwirken? Neue Forschungsergebnisse der UZH zeigen: Kritik überzeugt eher, wenn sie mit der Sorge um das Wohlergehen der Getadelten geäussert wird.

    Im Streben nach einer ethischeren Welt werden andere Personen für ihr Fehlverhalten kritisiert und aufgefordert, ihr schädliches Verhalten zu ändern. Aktivisten verlangen Gerechtigkeit für die Opfer eines Fehlverhaltens, Arbeitnehmende machen auf unfaire Praktiken am Arbeitsplatz aufmerksam, Journalisten beleuchten Missstände in der Gesellschaft und Wirtschaftsfachleute äussern sich zu politischen Themen.

    Eine neue Studie von Lauren Howe, Assistenzprofessorin am Departement für Betriebswirtschaftslehre der Universität Zürich, zeigt einen Weg auf, wie solche Kritik effektiver werden kann. Verschiedene Experimente mit mehr als 1’400 Teilnehmenden zeigten, dass die Kritisierten sich die Vorwürfe eher zu Herzen nehmen, wenn sie nicht nur getadelt werden, sondern auch Verständnis für die Probleme gezeigt wird, mit denen sie konfrontiert sind.

    Wenn Kritik auf mangelndes Interesse hinweist

    Kritisierende fokussieren sich häufig auf den Schaden und fordern die Verursachenden auf, sich zu ändern. «Was Kritisierende dabei vielleicht nicht erkennen ist, dass die Mitglieder der beschuldigten Gruppe oft glauben, dass sie als unmoralisch gelten und dem Kritisierenden egal sind», erklärt Howe. «Unsere Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass Botschaften, die eine doppelte Sorge zum Ausdruck bringen, besser von den Kritisierten angenommen werden. Wenn die Kritisierenden trotz aller Anschuldigungen ihr Interesse der kritisierten Gruppe gegenüber zum Ausdruck bringen, sind letztere eher bereit, die Forderungen zu anerkennen.» Die Forschenden folgern, dass Botschaften mit doppelter Besorgnis effektiver sind: Sie vermitteln, dass der Kritisierende die Kritisierten weiterhin für moralisch hält und sich um ihr Wohlergehen sorgt.

    Die Auswirkungen von Botschaften mit doppelter Bedeutung

    In einem der Experimente stimmten Liberale oder Konservative in den Vereinigten Staaten einem CEO um 6,6 Prozent eher zu, wenn er sich in einem Artikel kritisch über ihre Partei äusserte und gleichzeitig einräumte, dass ihre politische Gruppierung oft von anderen verspottet oder ignoriert werde. Zudem waren die Kritisierten um 7,1 Prozent eher bereit, das Unternehmen des CEOs nicht zu boykottieren.

    Die Forschenden testeten diese Idee auch bei Kampagnen: Den Studienteilnehmenden wurde ein Plakat gezeigt, das für den Abbau von Vorurteilen gegenüber einer Gruppe plädierte, mit der die Probanden persönlich nicht einverstanden waren – ob Liberale oder Konservative, Christen oder Atheisten, ältere Menschen oder Millennials. 8,6 Prozent mehr Teilnehmende stimmten den Aussagen zu, dass diese spezifische Gruppe unfairen Vorurteilen ausgesetzt ist, wenn auf dem Plakat generell auf Vorurteile gegenüber anderen Gruppen hingewiesen wurde.

    Kritisierende sorgen sich vielleicht mehr, als man denkt

    In einem weiteren Experiment sagten 87,3 Prozent der Liberalen, die der Meinung waren, dass die Konservativen Amerika schaden, dass «die Konservativen, wie jeder andere auch, eine Stimme verdienen und dass ihre Anliegen gehört werden sollten. Wir sollten uns um die Konservativen kümmern». Ebenso stimmten 83,9 Prozent der Konservativen, die den Liberalen kritisch gegenüberstanden, dieser Aussage zu. Die Konservativen selbst schätzten jedoch, dass nur 40,8 Prozent der kritischen Liberalen zustimmen würden (Liberale 35,3 Prozent). Somit hatten die Mitglieder beider politischen Parteien die Sorge der ideologischen Gegner ihnen gegenüber um die Hälfte unterschätzt.

    Lernen, mit Vorsicht zu kritisieren

    «Menschen, die kritische Botschaften übermitteln, können besser überzeugen, wenn sie Kritik mit Bedacht äussern», so fasst Howe die wichtigste Lehre aus der Studie zusammen. «Wenn Kritisierende auf ein Fehlverhalten hinweisen, sollen sie daran denken: Vor welchen Herausforderungen steht die Gruppe, die sie angreifen wollen?» Die Kritisierenden sollten dann signalisieren, dass sie sich um sie sorgen – aber einfach ein bestimmtes Verhalten nicht gouttieren. Wenn Menschen ihre Stimme erheben, um eine Gruppe für die Schädigung einer anderen Gruppe im Dienste des sozialen Wandels zu kritisieren, sind ihre Argumente überzeugender, wenn sie die Sorge um die Kritisierten betonen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Lauren Howe
    Institut für Betriebswirtschaftslehre & Center for Leadership in the Future of Work
    Universität Zürich
    Tel. +41 44 634 45 79
    E-Mail: lauren.howe@business.uzh.ch


    Originalpublikation:

    Lauren C. Howe, Shepherd, S., Warren, N. B., Mercurio, K. R., & Campbell, T. H. (in press). Expressing dual concern in criticism for wrongdoing: The persuasive power of criticizing with care. Journal of Business Ethics, June 28, 2023. https://doi.org/10.1007/s10551-023-05475-0


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Psychologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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