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13.07.2023 16:53

Weiteres Äquivalenzprinzip bestätigt

Birgit Kinkeldey Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM)

    Trotz quantenphysikalischer Zweifel: Forschungsteams des ZARM und der Leibniz University Hannover konnten Einstein’s Relativitätstheorie mit noch höherer Genauigkeit bestätigen. Grundlage der Berechnungen waren Lasermessungen des Abstands zwischen dem Mond und der Erde.

    Eine der grundlegendsten Annahmen in der fundamentalen Physik besagt, dass die verschiedenen Eigenschaften von Masse – Schwere, Trägheit und Anziehungskraft – im Verhältnis zueinander immer gleich bleiben. Wäre diese Äquivalenz nicht gegeben, würde das der Einstein’schen Relativitätstheorie widersprechen und unsere aktuellen Physikbücher müssten umgeschrieben werden. Obwohl alle bisherigen Messungen das Äquivalenzprinzip bestätigen, müsste es aus quantentheoretischer Sicht eigentlich eine Verletzung geben. Diese Unvereinbarkeit zwischen der Einstein’schen Gravitationsphysik und der modernen Quantentheorie ist der Grund, warum immer genauere Tests des Äquivalenzprinzips einen so hohen Stellenwert haben. Einem Team des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen ist es nun zusammen mit dem Institut für Erdmessung (IfE) der Leibniz Universität Hannover gelungen, mit 100-facher verbesserter Genauigkeit nachzuweisen, dass schwere und anziehende Masse immer gleich – also äquivalent – sind, unabhängig von der speziellen Zusammensetzung der jeweiligen Massen. Diese Forschungsergebnisse entstanden im Rahmen des Exzellenzclusters „QuantumFrontiers“ und wurden heute in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ als Highlight-Artikel veröffentlicht.

    Physikalischer Hintergrund
    Die träge Masse widersetzt sich der Beschleunigung und sorgt z. B. dafür, dass man beim Anfahren eines Autos nach hinten in den Sitz gedrückt wird. Die schwere Masse reagiert auf die Gravitation und sorgt auf der Erde für unser Gewicht. Die anziehende Masse bezieht sich auf die Anziehungskraft, die ein Körper ausübt, genauer gesagt die Größe seines Gravitationsfeldes. Für die Allgemeine Relativitätstheorie ist die Äquivalenz dieser Eigenschaften von grundlegender Bedeutung. Daher wird sowohl die Gleichheit von träger und schwerer Masse als auch die Gleichheit von schwerer und anziehender Masse mit immer höherer Genauigkeit getestet.

    Was wurde untersucht?
    Würde man hypothetisch davon ausgehen, dass schwere und anziehende Masse nicht gleich wären – ihr Verhältnis also vom Material abhängt – würden sich Objekte, die aus verschiedenen Materialien mit unterschiedlichen Massenmittelpunkten bestehen, selbst beschleunigen. Da der Mond aus einer Aluminiumhülle und einem Eisenkern besteht, deren Massenmittelpunkte gegeneinander versetzt sind, müsste sich dann eine Beschleunigung des Mondes ergeben. Diese hypothetische Geschwindigkeitsänderung könnte man dank des „Lunar Laser Ranging“ mit hoher Genauigkeit ausmessen. Dabei werden Laser von der Erde auf die Spiegel ausgerichtet, die von den Apollo-Missionen und dem sowjetischen Luna-Programm auf dem Mond platziert wurden. Seitdem werden die Laufzeiten der Laserstrahlen aufgezeichnet. Das Forschungsteam konnte nun die Daten des „Lunar Laser Ranging“ von über 50 Jahren, d. h. von 1970 bis 2022, analysieren und auf solche „Massenungleichheits“-Effekte untersuchen. Da kein Effekt zu finden war, bedeutet dies, dass die schwere und anziehende Masse bis auf ca. 14 Nachkommastellen gleich ist. Das ist eine um zwei Größenordnungen bessere Abschätzung gegenüber der bisher besten Untersuchung von 1986.

    Weltweit führend
    Über diese neuesten Forschungsergebnisse zur Gleichheit der schweren und anziehenden Masse hinaus war das ZARM auch wesentlich an verbesserten Resultaten zu Gleichheit der trägen und schweren Masse beteiligt. Damit hat das Forschungsinstitut an der Universität Bremen bei allen Experimenten zum Äquivalenzprinzip maßgeblich dazu beigetragen, die Präzision der Ergebnisse erheblich zu verbessern.

    Die aktuelle Forschungsarbeit wurde von Vishwa Vijay Singh, Jürgen Müller und Liliane Biskupek von dem Institut für Erdmessung der Leibniz Universität Hannover sowie Eva Hackmann und Claus Lämmerzahl vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht und als „Editors’ suggestion“ besonders hervorgehoben.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    am ZARM, Universität Bremen:
    Claus Lämmerzahl
    Tel. 0421 218-57834
    claus.laemmerzahl@zarm.uni-bremen.de

    an der Universität Hannover:
    Jürgen Müller
    Tel. 0511 7623362
    mueller@ife.uni-hannover.de


    Originalpublikation:

    https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.131.021401


    Weitere Informationen:

    https://www.zarm.uni-bremen.de/de/presse/einzelansicht/article/equivalence-princ...


    Bilder

    Binärsystem Erde-Mond
    Binärsystem Erde-Mond
    AEOS Medialab
    ESA 2002

    Erstautor der Veröffentlichung, Vishwa Vijay Singh
    Erstautor der Veröffentlichung, Vishwa Vijay Singh

    Singh


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Binärsystem Erde-Mond


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    Erstautor der Veröffentlichung, Vishwa Vijay Singh


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